„Was macht ein Gebirgsjäger?“ – „Er jagt Gebirge“
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Katastrophe nach einer Verfolgungsjagd: Eigentlich hatte Polizist Alois Zeller (Ken Duken) nur eine Gefangenenübernahme ausführen sollen, jetzt muss er verhindern, dass auf einer Brücke ein Tanklastzug explodiert. Szene aus der Serie „Drift – Partners in Crime“.
© Quelle: Sky Deutschland AG und Sky Deutschland GmbH & Co. KG räumlich und zeitlich uneingeschränkte Exklusivnutzungsrechte.
Erst mal sieht man einen gelben Mercedes über eine Piste am Meer sausen. Direkt dahinter fährt ein Jeep, aus dem heraus geschossen wird. Der Fahrer des Mercedes will nicht aus dem Auto springen, also schubst der Beifahrer ihn hinaus. Und nachdem er selbst das fahrende Auto verlässt, rammt dieses den Jeep. Knall und Feuerball. Der Beifahrer rappelt sich auf, der Fahrer liegt reglos da. Ist er tot?
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Das ist die Einstiegsfrage in der neuen deutschen Actionserie „Drift – Partners in Crime“, die bei dem Streamingdienst Wow vom 24. Februar an mit den ersten fünf Episoden zu sehen ist, die zweite Hälfte folgt dann erst im Herbst.
„Endstation Motherfucker!“ – so verhaftet kein deutscher Polizist
Ausgehend von der Verfolgungsjagd zu Beginn nimmt die Serie die Zuschauer zunächst sechs Tage zurück in die Vergangenheit. Da verlässt der Münchner Polizeibeamte Alois „Ali“ Zeller (Ken Duken) in einem verwaschenen Fix-und-Foxi-T-Shirt sein Boxstudio. Das T-Shirt ist cool, man will auch so eins. Erster Pluspunkt der Serie.
Der Mann geht in eine Wohnung, in der die attraktive Anwältin Maryam Soltani (Mona Pirzad) wartet. Er hat zwei Bierchen zwischen den Fingern baumeln, sie hat ein Lächeln für ihn übrig, beide haben Sex. Was er sagt, wenn er jemanden verhaftet, will sie dann wissen. „Sie sind verhaftet“, erwidert er. Sie habe eher an so etwas wie „Endstation Motherfucker!“ gedacht, sagt sie. Aber so was sagt man nur in amerikanischen Filmen oder in von amerikanischen Filmen geprägten überkandidelten deutschen „Tatorts“. Oder?
Aber wir sind ja auch noch nicht allzu tief im Geschehen und noch ist diese Serie so, dass man nicht recht weiß, ob man ihr gewogen ist. Der Ermittler Ali muss zu einer Gefangenenübergabe in Österreich. Der Gebirgsjäger Till Seidler soll abgeholt werden. „Was macht ein Gebirgsjäger?“, fragt Ali seine Kollegin Frida Selldorf (Angelina Häntsch) vorab. „Bitte nicht“, antwortet die. „Er jagt Gebirge“, freut sich Ali. Und mit diesem lausigen Witz auf dem grinsenden Vollbartgesicht ist man am Haken von „Drift“.
Die Gefangenenübergabe mündet in eine wilde Schießerei, an deren Ende eine Brücke spektakulär zusammenkracht, Tote zu beklagen sind und Frida und Ali im Krankenhaus landen. Davor gibt es eine rasante Autoverfolgungsjagd.
Feste vorweg und hinterher! – In „Drift“ schlägt die Stunde der Verfolgungsjagden
Wer Autoverfolgungsjagden mag, für den ist „Drift – Partners in Crime“ fraglos ein Volltreffer, denn es gibt genug davon, wahlweise sind auch mal Schneemobile beteiligt. Wer es mag, wenn sympathische Serienhelden ihre Unschuld beweisen müssen, sie aber, weil sie als Sündenböcke für kriminelle Strippenzieher herhalten müssen, nur schwerlich aus der Klemme kommen – hier ist Ihre abendliche Unterhaltung. Wer darauf steht, wenn hinter einer kleinen Sache eine große Verschwörung steckt, in die alle möglichen Serienfiguren verwickelt sind, Gesetzeshüter inklusive, sodass die Helden bald niemandem mehr trauen können, der sollte Getränke kalt und Chips bereitstellen.
Die Angreifer von der Brücke sterben jedenfalls in einer Berghütte an einer höchst merkwürdigen Vergiftung, die Verschwörung ist komplex, mit internationaler Reichweite, am Ende aber nur das Treibmittel, um Ali und seinen Bruder Leo (Fabian Busch), ein LKA-Mann aus Leipzig, zusammenzubringen und zusammenzuschweißen. Letztlich geht es auch um ein düsteres Familiengeheimnis, eins mit bösen Zähnen und Klauen, das sich aus der Vergangenheit heraus in die Gegenwart krallt und das von den Zuschauenden als Flashback-Puzzle zusammengesetzt wird.
Der piefige Leo wächst mit seinen Aufgaben
Was die Serie aber antreibt, ist die Dynamik zwischen den beiden Protagonisten. Der Harte und der Zarte? Einer der Clown, der andere fürs Hau‘n und die Frau‘n? Ja – und auch nicht. Regisseur Tim Trachte und sein fünfköpfiges Autoren- und Autorinnenteam haben sichtlich Freude daran, Ali auch mal versagen, vor allem aber Leo mit seinen Aufgaben wachsen zu lassen.
„Du bist ein Ferrari, ich bin ein Golf“, sagt der betrübte Leo während eines Gesprächs über Beziehungen zu Frauen zum bezüglich Amouren offensichtlich erfolgreicheren Bruder. „Du bist auch ein Ferrari – mit Motorschaden und Wackeldackel zwar, aber ein Ferrari“, erwidert Ali in frotzelnden Trostworten.
Und hat recht. Der Biederferrari von Bruder erweist sich bald als schlagfertig, in Krisensituationen unerwartet wehrhaft und an der Bar als – nun – etwas eigenwilliger Womanizer. Wie er sich im Hotelbett erst um Kopf, Kragen und Sex redet und dann doch wieder zurück ins Herz seines One-Night-Stands findet, muss man gesehen und gehört haben. Es treibt einem die Mundwinkel bis an die Ohren.
Immer mal wieder ist diese Serie „bigger than life“
Die Story hat Witz, Tempo, ist hollywoodesk, geprägt von klassischer komödiantisch akzentuierter US-Buddy-Action und demgemäß immer mal wieder „bigger than life“. Und – oh ja – viele Figuren sind nur skizzenhaft, nicht nur Soltanis Kanzleichefin ist kaum mehr als eine Stichwortgeberin. Aber die Dialoge haben Pfiff, sie erden alles, damit das Drama, wenn es denn sein ernstes Haupt erhebt, auch Wirkung entfalten kann.
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„Drift“ hat Drive und die Kamera von Fabian Rösler mag‘s elegant. Es gibt schöne, schnittige Bilder bis zum Showdown am Gebirgsbach. Und dann lässt uns ein Cliffhanger nach fünf Folgen einfach bis zum Herbst hängen. Echt jetzt?
„Drift – Partners in Crime“, Serie, erste Staffel, zehn Folgen (fünf davon erst ab Herbst 2023), Regie Tim Trachte und Ngo The Chau, mit Ken Duken, Fabian Busch, Mona Pirzad, Nikola Kastner, Angelina Häntsch, Petra Morzé, Julika Jenkins, Martin Oberhauser (ab 24. Februar bei Wow)