Es lebe die Maschine: Robert Harris’ „The Fear Index“ als Miniserie bei Sky

Die Geister, die er rief: Ein Algorithmus des Erfindergenies Alex Hoffman (Josh Hartnett) ist außer Kontrolle geraten. Mit unabsehbaren Folgen für die ganze Welt – Szene aus der Sky-Serie „The Fear Index“.

Die Geister, die er rief: Ein Algorithmus des Erfindergenies Alex Hoffman (Josh Hartnett) ist außer Kontrolle geraten. Mit unabsehbaren Folgen für die ganze Welt – Szene aus der Sky-Serie „The Fear Index“.

Ruhig gleitet Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 – Odyssee im Weltraum“ dahin, eine kleine Geschichte der Menschheit, die, als sie – in der Frühzeit noch recht äffisch – von einem außer-/überirdischen Schöpfungsquell mit Intelligenz bedacht wird, diesen Hauptgewinn sogleich zum Töten nutzt. Eine Geschichte, die sich in dem Science-Fiction-Klassiker dann Hunderttausende Jahre später an Bord des Raumschiffs „Discovery“ wiederholt, als sich der Astronaut Dave Bowman (Keir Dullea) des mordbereiten Supercomputers Hal 9000 entledigen muss, um seine Suche nach den rätselhaften schwarzen Monolithen, möglicherweise Brotkrumen Gottes, fortzusetzen.

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Der Computer Hal 9000 in „2001“ klang traurig

„Ich habe Angst, Dave!“, hört man den Computer sagen und die Maschine klingt traurig. „Mein Verstand schwindet. Ich kann es fühlen.“ Es war unsere erste Begegnung mit KI – künstlicher Intelligenz. Damals, als Computer von unserem Alltag noch ein paar Jahre entfernt waren, war uns dabei gar nicht so unwohl zumute. Schön spannend und der Mensch hatte ja am Ende die Maschine übertölpelt.

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Jahrzehnte später, in durchdigitalisierten Heimen, wird uns bei der Vorstellung autonom denkender Technik schon deutlich mulmiger. In dem vierteiligen Thriller „The Fear Index“ nach dem Bestseller „Angst“ von Robert Harris wird zum Grusel einer eskalierenden K.I. deutlich mehr Action gereicht. Zuguterletzt aber steht auch hier ein Mann in einem riesigen Saal voller Hochleistungselektronik, um Feuer zu legen an einen aus der Kiste gesprungenen, durchaus selbstbewussten digitalen Teufel, der zwar nicht spricht wie HAL, der sich aber auf anderem Wege mitteilt.

Ist die KI „erwacht“ oder ist ihr Erfinder verrückt geworden?

„Es ist groß, es ist mächtig und es hat kein Gewissen“, hatte der Erfinder von Vixal-4, Alex Hoffman (Josh Hartnett), seinen weit weniger skrupelbeladenen Freund Hugo Quarry (Arsher Ali) vor der aus dem Ruder laufenden Technologie gewarnt. Quarry aber, der auf Gewinne fixierte Geschäftspartner, glaubt nicht an die Möglichkeit des „Erwachens“ von Software. Er glaubt vielmehr, dass sein Freund verrückt geworden ist. Dafür gab es zuvor Anzeichen zur Genüge.

Hoffmans Meisterwerk, ein Algorithmus, spürt Anlegerängste auf, bevor den Anlegern diese überhaupt bewusst sind. Die Welt, so die Philosophie von Hoffman Investment Technology, wird von Furcht angetrieben. „Furcht ist vielleicht die stärkste menschliche Emotion. Wer wacht um 4 Uhr morgens auf, weil er sich glücklich fühlt?“, wird im Roman und seiner Verfilmung gefragt.

Und gerade als sich mögliche Großinvestoren einfinden, werden von Vixal-4 1,5 Millionen Verkaufsoptionen auf eine Luftfahrtgesellschaft gesetzt. Dies just in dem Moment, als die Nachricht vom Absturz eines ihrer Jets in den Nachrichten gebracht wird. Die Maschine scheint von dem Terroranschlag via Maschinensimsalabim erfahren zu haben, das Wissen aber für sich behalten und für Wetten auf den Kursverfall des Unternehmens missbraucht zu haben. Das Unglück führt umgehend zu gigantischen Einnahmen bei Hoffman und Quarry und – so das Versprechen – bald auch bei denen, die groß einsteigen werden. Pecunia ex machina!

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Harmonie zu Beginn – Superreich und froh dabei

Ereignisse aus einem Zeitraum von nur 24 Stunden schildert die Miniserie, bei der der Ire David Caffrey („Peaky Blinders“, „Die Einkreisung“) Regie führte. Dabei geht die Geschichte einer unheimlichen Eskalation ganz harmonisch los. Kameramann Kieran McGuigan führt uns an dem späten Nachmittag eines nicht näher benannten Tages zu Alex Hoffman und seiner Frau, der Künstlerin Gabby (Leila Farzad). Alte Architektur geht in deren 42-Millionen-Euro-Domizil stylisch in Glas-und-Stahl-Moderne über, an einem massiven, geschliffenen Granitblock von Tisch (hoffentlich ist dieser Hausflügel nicht unterkellert) plaudert man ein wenig über Gabbys anstehende Ausstellung, dann packt Alex ein Päckchen aus, in dem sich eine wertvolle Erstausgabe von Charles Darwins Buch „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ befindet. Man ist superreich, aber man freut sich noch – nicht so abgebrüht und menschheitsenthoben wie die Medienimperatoren der Familie Roy in der HBO-Serie „Succession“.

Eine Weile liest Alex in seiner gediegenen Bibliothek in Darwins Kapitel über die Angst, dann begibt er sich in das gemeinsame Schlafzimmer, wo erst ein wenig geknuddelt und dann ein wenig gesext wird. Noch sind wir Zuschauer nicht beunruhigt, nur weil eine Textnachricht Alex’ an Gabby nicht angekommen ist und weil kein Absender des Buchgeschenks („Ich wollte das schon seit langer Zeit haben“) auszumachen ist. Aber die Überwachungskameras des Hauses haben von Anfang an etwas Lauerndes, die Musik ist ein dunkles Funkeln. Und wenig später, nach dem ersten Schlaf, beginnt die Welt von Hoffman schon zu wanken. Jemand ist in seine einbruchsichere Villa eingebrochen.

Es geschieht fürderhin Seltsames und immer Seltsameres und der etwas Columbo-artig schusselige Inspektor Leclerc („Call My Agent“-Star Grégory Montel) kommt aus dem Sich-Wundern, Fragen und Recherchieren nicht mehr heraus. Ein Moralspiel bricht sich Bahn – denn der Schöpfer der verwerflichen Schöpfung wird – ähnlich wie Mary Shelleys Victor Frankenstein – mit Unglück bestraft. Mit albtraumhaften Zwangsvorstellungen und scheinbaren Erinnerungsschwächen. Er hat, so stellt sich bald heraus, das Darwin-Buch selbst bestellt, woran er sich ebenso wenig erinnern kann wie an den Kaufauftrag für sämtliche Kunstwerke von Gabbys Ausstellung (worüber seine Liebste verständlicherweise alles andere als amüsiert ist).

Handlung und Tempo sind wichtig – Charaktere weniger

Anfangs informiert Hoffman sich über früh einsetzende Demenz, vermutet auch eine große Intrige seines Umfelds, bis ihm nach der Begegnung mit einem wahrhaft monströsen Menschen dämmert, wer der Intrigant sein könnte. Und jetzt zieht Angst in ihm herauf – Angst um sich, seine Frau, seine Firma, die Weltwirtschaft, die Weltpolitik, einfach um alles, was zurzeit so besteht. Bald steht er sogar unter Mordverdacht.

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Um Josh Hartnett, der in jungen Jahren durch drei Filme – Sofia Coppolas „The Virgin Suicides“ (1999), Michael Bays „Pearl Harbor“ und Ridley Scotts „Black Hawk Down“ (beide 2001) – zum Star wurde, ist es in den letzten Jahren, obzwar er immer gearbeitet hat, eher ruhig geworden. In der Rolle des seine Fasson verlierenden Forschergenius macht er ordentliche Figur, auch die meisten anderen Darsteller liefern ab – wenngleich das Drehbuch keine einzige unvergessliche Charakterstudie vorsieht.

Die Geschichte, mit der Harris 2011, und damit kurz nach der Finanzkrise völlig auf der Höhe der Zeit, in die Schuhe von Michael Crichton, des 2008 verstorbenen Meisters des Wissenschaftsthrillers, schlüpfte, ist das wahre Zugpferd. Mit dem von Victor Frankenstein entlehnten Satz „Lernen Sie von mir – wenn schon nicht durch meine Mahnungen, dann doch wenigstens durch mein Beispiel –, wie gefährlich es sein kann, Wissen zu erlangen“ beginnt das Buch, mit dem Blinken eines blauen Lichtleins und dem Wissen, dass auf diese Mahnung einmal zu oft nicht gehört wurde, endet der Film.

Man bekommt es da schon ein wenig mit der Angst zu tun.

„The Fear Index“, Miniserie, vier Episoden, Regie: David Caffey, mit Josh Hartnett, Leila Farzad, Grégory Montel, Arsher Ali (ab 17. Februar bei Sky)

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