Erste Ausgabe „RTL direkt“: ein bunter Gemischtwaren­laden des Politik­journalismus

Moderator Jan Hofer im Studio der Nachrichten­sendung „RTL direkt“.

Moderator Jan Hofer im Studio der Nachrichten­sendung „RTL direkt“.

Berlin. Da steht er nun also in diesem modernen Studio in Berlin. In dunkelblauem Sakko, sichtlich ein bisschen nervös und wie versprochen: ganz ohne Krawatte. Ex-„Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer hat am Montagabend die erste Ausgabe seiner neuen Sendung moderiert – nicht bei der ARD, wie früher, sondern bei der privaten Konkurrenz. Direkt nach „Bauer sucht Frau“.

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„RTL direkt“ heißt das neue Nachrichten­magazin des Kölner Senders, das passenderweise fortan in direkter Konkurrenz zu den „Tagesthemen“ läuft. Neben Hofer wird auch das ehemalige ARD-Gesicht Pinar Atalay künftig durch die Sendung führen. Aber ist das, was da am Montagabend über die Bildschirme flimmerte, überhaupt ein Nachrichten­magazin?

Tatsächlich ist die erste Ausgabe von „RTL direkt“ eher ein bunter Gemischtwaren­laden des Politik­journalismus. Ein bisschen Magazin, ein bisschen „Maischberger“ und zum Schluss ein kleines bisschen „heute-show“. Was genau man mit dem Format eigentlich erreichen will und wohin das alles führen soll, wird zumindest an diesem Montagabend nicht so richtig klar.

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Ein Thema pro Sendung

Die Sendung beginnt pünktlich um 22.15 Uhr und stilecht mit einer heraufzählenden Uhr. Das Studio: in nächtlicher Anmutung, dunkelblau mit roten Farbakzenten. Auf großen Bildschirmen: die Skyline von Berlin. Der Vorspann der Sendung: deutlich unaufgeregter als bei so manch anderer RTL-Sendung, ein Orchester spielt einen typischen Nachrichten-Jingle.

Hofer selbst steht, anders als noch bei der „Tagesschau“, nicht mehr hinter einem Studiotisch, sondern daneben. Rechts an seiner Seite: Grünen-Kanzler­kandidatin Annalena Baerbock. Sie ist Premierengast der ersten Sendung von „RTL direkt“.

Jede Sendung – so scheint der Plan – steht immer unter einem bestimmten Thema. An diesem Montag ist es „Wie grün wird Deutschland und was kostet uns das?“. Zu diesem Thema soll Baerbock Auskunft geben.

Politiktalk mit Nachrichten­überblick

Doch das bestimmende Thema ist an diesem Tag ein ganz anderes – das hat offenbar auch die Redaktion der Sendung feststellen müssen. Und so will Hofer mit Baerbock zunächst über Afghanistan sprechen. Ob es sie überrascht habe, dass die Taliban das Land so schnell eingenommen haben, will der Moderator von der Grünen-Politikerin wissen. Baerbock verweist auf einen Antrag ihrer Partei im Juni, der die Aufnahme afghanischer Ortskräfte gefordert hat, von CDU und SPD jedoch abgelehnt worden ist.

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Hofer leitet über zu einem Beitrag zur aktuellen Lage in Afghanistan – er fasst die aktuellen Ereignisse kompakt zusammen. Baerbock hat im Anschluss noch mal die Gelegenheit zu erklären, was sie in dieser Situation als Bundeskanzlerin tun würde. „Die Menschen sofort da rausholen“, so Baerbock. Formalitäten seien jetzt Nebensache. Ob jemand zurücktreten müsse, will Hofer wissen. Baerbock will das aber nicht beantworten. Es gehe jetzt darum, Menschenleben zu retten, so die Kanzler­kandidatin.

Was folgt, ist ein Nachrichten­überblick mit den Themen des Tages (Impfen, Flutwelle in bayerischer Klamm, Klimaproteste, Beginn der Briefwahl), ehe sich Hofer und Baerbock vor einem virtuellen, aber trotzdem sehr idyllischen gelben Rapsfeld wiederfinden.

Typische RTL-Manier

Vor dieser Kulisse geht es nun tatsächlich um das angekündigte Thema „Wie grün wird Deutschland – und können wir uns das leisten?“. Und ab diesem Zeitpunkt ist „RTL direkt“ tatsächlich kein Nachrichten­magazin mehr, sondern ein Polittalk.

Gleich mehreren kritischen Fragen des Moderators stellt sich die Kanzler­kandidatin. Auch ein Einspielfilm wird gezeigt – ganz in RTL-Manier mit einem persönlichen Schicksal, ganz plakativ. Am Beispiel einer Familie wird gezeigt, wie viel teurer ihr Leben werden würde, kämen die Grünen in Regierungs­verantwortung. Beispiel: Der Kauf von Bioprodukten kostet dann 89 Euro pro Einkauf mehr, und auch das Auto würde die Familie rund 500 Euro im Jahr mehr kosten.

Baerbock will das mit einer besseren Sozialpolitik ausgleichen, erklärt sie Hofer im Anschluss an den Beitrag. So sollen beispielsweise der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben und Soloselbstständige wie der Vater der Familie besser unterstützt werden.

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Ein wilder Ritt durch den Politik­journalismus

Die Sendung endet mit einem satirischen Beitrag des Kabarettisten Abdelkarim – oder wie Jan Hofer es formuliert: „Mit einem Lächeln.“ Man habe sich vorgenommen, die Zuschauenden zum Schluss jeder Sendung mit etwas Positivem in den Abend zu begleiten.

Baerbock nutzt den Schlussakkord der Sendung dann noch mal für eine Wahlkampf­parole („wenn Sie sich trauen, zu ‚Let’s Dance‘ zu gehen, dann glaube ich auch, dass wir diesem Land alles zutrauen können, sich in Zukunft zu erneuern“), ehe die Sendung nach kompakten 20 Minuten zu Ende geht.

Der wilde Ritt durch die Genres des TV-Politik­journalismus ist offenbar so gewollt. Man wolle „ganz viel ausprobieren“ und „experimentieren“, hatte der Redaktionsleiter von „RTL direkt“, Lothar Keller, bereits kurz vor dem Start der Sendung erläutert. Insbesondere gelte das für den letzten Part der Sendung, den „positiven“ Part.

„Das Besondere ist, dass wir uns überlegen: Was ist ein Thema des Tages, das die Menschen beschäftigt und bewegt?“, so Keller. „Und das wollen wir noch einmal intensiver den Menschen näherbringen. Komplexe Themen noch einmal mit einem Gast erläutern oder mit einem Politiker genauer draufschauen, was seine Position dazu ist. Das auch zu hinterfragen.“ Das sei mehr, als man bei den Liveschalten bei „RTL aktuell“ oder dem „Nachtjournal“ mache.

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Ein Bruch im Audience-Flow

Tatsächlich wurden all diese Pläne in der ersten Sendung auch umgesetzt. Richtig viel Zeit, das Thema des Tages unter die Lupe zu nehmen, blieb angesichts der knappen Sendezeit am Ende aber nicht.

Und noch ein weiteres Problem wird „RTL direkt“ in den kommenden Tagen und Wochen haben: Das Magazin reißt die RTL-Zuschauerinnen und ‑Zuschauer komplett aus dem sogenannten Audience-Flow (Zuschauerfluss). Hatte früher das RTL-Klatsch­magazin „Extra“ die Geschichten von „Bauer sucht Frau“ direkt im Anschluss weitererzählt, wird sich das Publikum künftig daran gewöhnen müssen, dass es erst einmal von Jan Hofer und seinem harten Polittalk unterbrochen wird.

Erst nach 20 Minuten Talk mit der Grünen-Kanzler­kandidatin ging es im RTL-Programm mit Nazan Eckes und der Geschichte der Bauern weiter. Ob das Konzept so aufgehen wird, muss sich erst noch zeigen.

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