Dramaserie „WeCrashed“: Narzissten unter sich
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Jared Leto und Anne Hathaway in einer Szene der Serie „WeCrashed“.
© Quelle: Peter Kramer/Apple TV+
Schaut man sich das Intro der neuen Apple+-Serie „WeCrashed“ an, glaubt man zunächst, auf ein Fantasyspektakel eingestimmt zu werden. Ein Einhorn schreitet hier durch die Gänge einer Büroetage. Aber der märchenhafte Vierbeiner ist nur eine Metapher. Einhörner – so nennt man nämlich im Slang des Hochfinanzwesens Start-up-Firmen, die vor ihrem Börsengang eine Marktbewertung von mehr als einer Milliarde Dollar haben.
Die Geschäftsräume, durch die das Tier schlendert, gehören zu dem legendären Einhornunternehmen We Work, das 2019 knapp zehn Jahre nach seiner Gründung auf 47 Milliarden Dollar geschätzt wurde – und sechs Wochen später kurz vor dem Bankrott stand. Über acht Folgen erzählt die Serie nun vom Aufstieg und Fall des Gründers Adam Neumann, der mit seinem rasant expandierenden Co-Working-Space-Unternehmen den Gewerbeimmobilienmarkt gründlich aufmischte.
Aufstieg, Exzesse und Fall einer narzisstischen Unternehmerpersönlichkeit
Jared Leto gräbt sich tief hinein in die Rolle des israelischen Emigranten, der in den USA das ganz große Geld machen will. Die ersten Geschäftsideen, zu denen zusammenklappbare Stöckelschuhe und Babystrampler mit Knieschützern gehören, wollen bei Investoren nicht so recht zünden. Genauso wenig kann Adam zunächst bei Rebekah (Anne Hathaway) landen, bis sie in seinem unermüdlichen Einsatz schließlich doch noch den Mann fürs Leben erkennt.
Die ehemalige Yogalehrerin und Schauspielerin wird zum esoterischen Coach des aufstrebenden Geschäftsmanns. Auf einer Fabriketage in Brooklyn wird das erste Co-Working-Projekt entwickelt. Hier soll es nicht nur um eine geteilte Bürofläche gehen, sondern um einen neuen Arbeitslifestyle. Tischtennisplatten, Kicker, Mustertapeten, Sitzsäcke und Bier vom Fass gehören ebenso zur Ausstattung wie Wi-Fi und Konferenzräume. Ein Gemeinschaftserlebnis für Freelancer und eine Community, die von Adam als charismatischem Guru angeführt wird.
Innerhalb weniger Jahre baut er ein ganzes Imperium an We-Work-Standorten auf. Seine größte Stärke ist es, mit Hartnäckigkeit und visionärer Rhetorik milliardenschwere Investoren ins Boot zu holen – bis im Zuge des geplanten Börsenganges 2019 die finanzielle Schieflage des hochgehypten Unternehmens öffentlich wird. In der Tradition von Filmen wie „Wolf of Wall Street“ (2013) erzählen die Serienschöpfer Lee Eisenberg und Drew Cavello vom Aufstieg, den Exzessen und dem Fall einer narzisstischen Unternehmerpersönlichkeit, die den amerikanischen Traum in Rekordgeschwindigkeit verwirklichte.
Es bleibt ein fades Gefühl
Dabei legen sie den Schwerpunkt nicht nur auf das Porträt eines Egomanen, sondern auch auf die Liebesbeziehung, deren Dynamik als emotionaler Turbo für das Erfolgsunternehmen gezeigt wird. Rebekah fokussiert den manischen Macher in Krisensituationen, füttert dessen ökonomische Ambitionen mit esoterischen Weltverbesserungsparolen und hadert gleichzeitig mit ihrer Rolle als Muse des Gurus.
Während Jared Leto den Alphamann über acht Folgen allzu gleichmäßig unter Strom setzt, arbeitet Anne Hathaway die Höhenflüge und Selbstzweifel ihrer Figur auf eine sehr viel differenziertere Weise heraus. Dennoch führt die Konzentration auf den romantischen Kern der Geschichte dazu, dass es der Serie an einer echten Haltung zum Sujet fehlt. Die satirischen Elemente haben nicht die notwendige Schärfe, und die Kehrseite des kapitalistischen Erfolges, der sich auf die Ausbeutung schlecht bezahlter Angestellter stützt, wird nur in Seitenblicken verhandelt. Hier hätte ein konsequenter Perspektivwechsel wertvolle Facetten der Geschichte beleuchten können.
Stattdessen verlässt man die Serie mit dem faden Gefühl, dass letztlich auch die Serienmacher dem charismatischen Blender auf den Leim gegangen sind, der 2019 mit einem goldenen Fallschirm von 1,7 Milliarden Dollar das kriselnde Unternehmen verlassen konnte.
„WeCrashed“, acht Episoden ab sofort streambar bei Apple TV+, mit Jared Leto und Anne Hathaway.