TV-Kritik

Dortmunder „Tatort: Du bleibst hier“: Faber in der Unterwelt – und ohne Bönisch

Peter Faber (Jörg Hartmann, l) bei seinem Vater Josef Faber (Wolfgang Rüter) in einer Szene des „Tatort: Du bleibst hier“.

Peter Faber (Jörg Hartmann, l) bei seinem Vater Josef Faber (Wolfgang Rüter) in einer Szene des „Tatort: Du bleibst hier“.

Wer kennt eine Figur wohl besser: der Autor, der sie erfunden hat, oder der Mann, der sie zum Leben erweckt? Die Frage ist natürlich hypothetisch, aber durchaus interessant: Viele Schauspielerinnen und Schauspieler denken sich komplexe Biografien für die von ihnen verkörperten Personen aus, selbst wenn davon im Film nichts zu sehen ist.

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Dazu passt, dass Jörg Hartmann, Star des „Tatorts“ aus Dortmund, sein Drehbuchdebüt Peter Faber gewidmet hat, dem stets schroff wirkenden Teamchef der Mordkommission, der so viele Schicksalsschläge zu verarbeiten hatte wie kein anderer seiner Sonntagskrimikollegen. Zuletzt musste der seit dem Tod von Frau und Tochter stets von Melancholie und Lebensmüdigkeit begleitete Polizist einen weiteren Schock verkraften, als seine geschätzte und wohl auch geliebte Kollegin Bönisch starb.

Folgen des Verlusts

Mit den Folgen dieses Verlusts beginnt der 22. Fall: Faber ist aufgrund der psychischen Belastung krankgeschrieben und hat sich äußerlich wie auch innerlich in die Emigration zurückgezogen. Als der Chef einer großen Immobilienfirma vermisst wird, bleibt dem Hauptkommissar nichts anderes übrig, als aus seinem Exil zurückzukehren, denn die beiden jungen Mitglieder der Mordkommission, Rosa Herzog und Jan Pawlak (Stefanie Reinsperger, Rick Okon), verdächtigen ausgerechnet seinen Vater. Der Sohn hat seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu seinem Erzeuger (Wolfgang Rüter), weil er ihm die Schuld am Tod der Mutter gibt; und nun entwickelt sich „Du bleibst hier“ zu einem besonderen „Tatort“.

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Der Titel bezieht sich auf die letzten Worte Bönischs, die auf diese Weise verhindern wollte, dass sich der Kollege ebenfalls verdrückt; in welcher Form auch immer. Anfangs tut er das trotzdem, indem er am Pumpspeicherkraftwerk Herdecke einen Ausflugsort aufsucht, mit dem er positive Kindheitsmomente verbindet. Erst viel später erinnert er sich daran, dass die schönsten Erinnerungen mit einem Ort in der Unterwelt verknüpft sind; und dass dabei sein Vater eine wesentliche Rolle gespielt hat.

Beredtes Schweigen zwischen Faber und seinem Vater

Zunächst jedoch herrscht zwischen den beiden Männern beredtes Schweigen. Trotzdem sorgt der Sohn dafür, dass der alte Faber nicht mit dem mutmaßlichen Mord in Verbindung gebracht werden kann, als er vermeintliche Indizien beseitigt. Eine Leiche gibt es ohnehin nicht: Immobilienkaufmann Richter ist wie vom Erdboden verschluckt; eine Metapher, die in diesem Fall durchaus ihre Berechtigung hat. Das Geschäftsmodell des Mannes basierte darauf, Altbauwohnungen zu sanieren und dann als Eigentumswohnungen zu verkaufen; Josef Faber gerät in Verdacht, weil Richter sein Vermieter ist. Außerdem stoßen Herzog und Pawlak auf einen weiteren Fall: Vor einem halben Jahr ist ein junger Dealer verschwunden, mit dem Faber senior aneinandergeraten ist.

Als Krimigeschichte fesselt „Du bleibst hier“ allerdings nur wegen der Betroffenheit des Kommissars. Eine Nebenebene mit Richters verbitterter Witwe (Valery Tscheplanowa) und ihrem schwerbehinderten jugendlichen Sohn ist das für jeden Krimi obligate und entsprechend leicht zu durchschauende Ablenkungsmanöver. Immerhin lassen Hartmann und sein für die handwerkliche Drehbuchaspekte zuständiger Co-Autor Jürgen Werner, Schöpfer des „Tatort“ aus Dortmund, genügend Raum für die Fortsetzung der persönlichen Geschichten von Herzog und Pawlak.

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Film lebt vor allem vom Lokalkolorit

In einer witzigen Szene versuchen sich die beiden an der typischen Faber-Methode, einen Tathergang im empathischen Dialog zu rekonstruieren, aber dann bekommt die junge Kommissarin eine Panikattacke. Trotzdem lebt der Film vor allem vom Lokalkolorit, weil Faber immer wieder durch das Kreuzviertel streift, in dem er seine Jugend verbracht hat. „Du bleibst hier“ ist zwar längst nicht so spannend wie frühere Episoden des Regisseurs Richard Huber, aber auf andere und ganz eigene Weise dennoch fesselnd.

Der Dortmunder „Tatort: Du bleibst hier“ läuft am Sonntag, 15. Januar, ab 20.15 Uhr im Ersten.

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