Der erste Gewinner der US-Wahl: John King, der Zahlenzauberer von CNN
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„That’s why elections are a lot of fun“: CNN-Moderator John King (59) vor seiner „Magic Wall“, auf der er seit 2008 tief in die US-Countys hineinzoomt.
© Quelle: Imre Grimm
Sieben Stunden Schlaf braucht der menschliche Körper pro Nacht, sonst sinkt die Konzentration. Das Gehirn meldet Heißhunger, das Langzeitgedächtnis wird mürbe, die Zellen ächzen. Wer länger als zwölf Stunden am Stück arbeitet, wird reizbar, schlampig und pampig. Kurz: Müde macht doof und krank. Insofern stellt sich die Frage, ob Körper und Geist von John King nach menschlichen Maßstäben funktionieren.
Frisch wie der junge Morgen steht der CNN-Statistikfuchs mit dem schlohweißen Haar in diesen Tagen stundenlang vor seiner „Magic Wall“ und klickt auf blaue und rote US-Countys, als gäbe es kein Morgen. Bei seinem Haussender ist er – neben dem Moderatorenurgestein Wolf Blitzer – das Gesicht der Präsidentschaftswahl. Und gleichzeitig ihr erster Gewinner.
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„Eine Maschine“: CNN-Moderator John King als Gastgeber einer Debatte im Vorwahlkampf der US-Republikaner im Januar 2012 in South Carolina.
© Quelle: picture alliance / dpa
„Eine absolute Maschine“
Die Gesetze der Biologie scheinen für King nicht zu gelten. Es ist, als wirke seine kindliche Freude an Prozentverschiebungen im hinteren Nachkommabereich, sein geradezu erotisches Verhältnis zu Daten, auf den Chief National Correspondent von CNN wie ein klimaneutraler, abgasfreier Brennstoff. In den sozialen Medien wird er als Kultfigur gefeiert – „ein Maestro“, „eine absolute Maschine“, „the man“.
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John King, 59 Jahre alt, hat nicht nur den coolsten Fernsehmenschennamen der Welt (er heißt wirklich so), sondern ist möglicherweise der einzige Mensch der Welt, der die tagelange Ungewissheit über den Ausgang der Wahl sowie den Zustand der amerikanischen Demokratie genießt. Der Mann hat schon Datenjournalismus praktiziert, bevor es überhaupt das Wort gab.
„That’s why elections are a lot of fun“
„That’s why elections are a lot of fun“, gluckst er glücklich, wenn in Georgia oder Pennsylvania hauchdünne Mehrheiten auf ein paar Zehntausend Stimmen zusammenschrumpfen, „das ist der Grund, warum Wahlen so viel Spaß machen“. Und während der Rest der Welt angesichts dieses politischen Stresstests namens US-Wahl auf den Nägeln beißt, blüht King auf.
Anders als ARD und ZDF, wo in endlosen Talkrunden immer neue Politwissenschaftler variabel entsetzt die Schlechtigkeit von Donald Trump betonen, taucht King tief ein in den entscheidenden Rohstoff einer Wahl: die Zahlen. King kennt jedes der 3141 Countys der USA, tippt zielsicher auf jeden Distrikt. Und während sich Jörg Schönenborns Ärmel immer wieder für Texas interessierte, vergleicht King souverän und mit sonorem Parlando Schlüsseldaten, setzt Ergebnisse ins Verhältnis, probiert Szenarien. Dabei entwickelt er über Stunden eine suggestive Wirkung, wie sie vor Jahrzehnten der Fernsehmaler Bob Ross ausstrahlte. Nur dass King am Ende nicht „Happy panting and god bless, my friend!“ sagt, sondern ruhig und sachlich erklärt, dass hier niemand irgendjemandem „die Wahl stiehlt“, sondern einfach Stimmen gezählt werden. Livedaten und Laudanum – das ist seine Mission.
„Jörg Schönenborn in 1,75-facher Geschwindigkeit“
Normalen Menschen würde nach sieben Stunden vor dem Touchscreen, nach endlosen Zahlenkolonnen aus diversen Districts und ungezählten, mit Donnergetöse angekündigten „CNN Key race alerts“ der Schädel schwirren. King spricht konzentriert und schnell und erklärt präzise und vergleichsweise neutral, was er tut. („If you’re with Joe Biden, you might like what’s happening here, but if you’re with the president, don’t forget: it’s not over yet“).
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Lieblingsfeind des bisherigen US-Präsidenten: Unzählige Male hat der Nachrichtensender CNN den Zorn von Donald Trump erregt.
© Quelle: EPA
Immer mal springt Kollege Phil Mattingly ein – ansonsten zeigte King bei der Marathonwahl keine Anzeichen von Erschöpfung. „Wenn man Jörg Schönenborn in 1,75-facher Geschwindigkeit abspielt, erhält man John King“, twitterte der Sportjournalist Klaas Reese.
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Das Silbertrio des Senders CNN
Wer ist dieser Fels in der Datenflut? King wurde 1961 in Boston geboren. 1985 begann er als Journalist bei Associated Press (ap), wechselte dann 1997 zum jungen Nachrichtensender CNN, wo er White House Correspondent wurde. Im Wahljahr 2008, als Barack Obamas große Stunde schlug, kam erstmals Kings Touchscreen zum Einsatz. Mit seiner ersten Frau hat er zwei Kinder. 2008 heiratete er seine zweite Frau, die CNN-Kollegin Dana Bash. Ihr zuliebe konvertierte der Katholik mit irischen Wurzeln zum Judentum, 2012 trennte sich das Paar. Zurzeit moderiert er die CNN-Morning-Show „Inside Politics“.
King bildet mit Blitzer (seit 1990 bei CNN) und Anderson Cooper (seit 2001 bei CNN) das Silbertrio des Senders. Einst waren sie die jungen Pioniere, nun sind sie in Ehren ergraut. Was King – und auch sein MSNBC-Kollege Steve Kornacki – da lieferten, sei die Zukunft des politischen TV-Journalismus, schreibt das Netzmagazin „Quartz“: „eine Mischung aus dem alten Talking-Heads-Prinzip mit moderner Datentechnik, die Zahlen sprechen lässt.“