Das Ende einer Liebe? Warum Fox News plötzlich kritisch über Trump berichtet
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Donald Trump bei seinem Statement im Weißen Haus.
© Quelle: imago images/UPI Photo
Hannover. Es scheint nicht mehr zu knistern zwischen Donald Trump und seinem Sprachrohr Fox News. Seit Tagen berichtet Trumps Haus- und Hofsender auffällig kritisch über den amtierenden US-Präsidenten. Oder anders formuliert: Statt gewohnter Hofberichterstattung hält man sich neuerdings auffällig strikt an journalistische Grundregeln. Und als der US-Nachrichtenkanal am Donnerstag überraschend Joe Biden als Sieger in Arizona verkündete, eskalierte die Lage in Trumps Wahlkampfteam vollends.
Einem Bericht der Zeitschrift „Vanity Fair“ zufolge hat Donald Trump höchstpersönlich Fox-News-Chef Rupert Murdoch angerufen. Er habe den 89-Jährigen angeschrien und gefordert, der Sender möge seine Entscheidung umgehend zurücknehmen. Vergeblich. Der Medienmogul selbst stellt den Fall etwas anders dar: Nicht der US-Präsident selbst, sondern Trumps Schwiegersohn Jared Kushner habe den Fox-News-Inhaber angerufen, sagte er der „Washington Post“. Doch auch wenn der Präsident es selbst getan hätte, so Murdoch, „hätte ich nicht eingegriffen oder unsere Entscheidung geändert.“
Grund für den Aufreger ist eine verfrüht ausgerufene Wahlprognose des Senders. Am frühen Mittwochmorgen deutscher Zeit vermeldete Fox News: „Der ehemalige Astronaut Mark Kelly schlägt die republikanische Senatorin Martha McSally in Arizona.“ Während die von Trump gehassten anderen Nachrichtenkanäle, etwa CNN und MSNBC, den Bundesstaat noch als unentschieden bezeichneten, war für Fox News die Sache längst klar. Und auch im späteren Verlauf des Tages sah der Sender Joe Biden mit deutlich mehr Vorsprung auf dem Weg ins Weiße Haus marschieren als die Konkurrenz.
Fox News fällt Trump in den Rücken
Auf Twitter wurden angesichts der ungewöhnlich kritischen Berichterstattung schnell zahlreiche Ausschnitte herumgereicht. Etwa solche, in denen Fox-Moderatoren deutlich machen, es gebe keine Beweise für Trumps Behauptungen über angebliche Wahlbetrügereien. Die Clips werden überschrieben mit Sätzen wie „Es wird einsam um Trump“ – selbst sein Lieblingssender falle ihm nun in den Rücken.
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Selbst der von Trump geschätzte Fox-Korrespondent im Weißen Haus, John Roberts, sagte on Air, dem Präsidenten werde angesichts des Stands der Stimmauszählung wohl seine Niederlage bewusst. Deswegen versuche er über Klagen und Prozesse, „einen alternativen Weg zu finden, das Weiße Haus zu behalten.“
Doch handelt es sich hier wirklich um eine Beziehungskrise zwischen Trump und seinem einstigen Lieblingssender? Und warum berichtet der Sender plötzlich so kritisch über den US-Präsidenten? – Nun, die Sache ist ein bisschen komplizierter als man denkt.
Es geht ums Geld
Um die Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit von Fox News. Denn der erfolgreichste Nachrichtenkanal der Vereinigten Staaten gilt seit seiner Gründung in den Neunzigerjahren als Sprachorgan der Republikaner. „Der Kanal wurde mit einem Ziel ins Leben gerufen: Er sollte ein Gegengewicht für den angeblich links ausgerichteten amerikanischen Medienmainstream darstellen“, sagte der Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Stanford, Adrian Daub, im September dem RND. Spätestens seit Trump an der Macht sei, gleiche Fox News aber eher einem Staatsfernsehen, so Daub damals. Er beschrieb das Programm als „stark propagandistisch“.
Der Grund für die Ausrichtung des Senders ist allerdings nicht zwangsläufig eine Haltungsfrage – sondern eher eine finanzielle. Das Publikum des Senders ist seit jeher konservativ. Und Trump hat Fox News noch stärker und erfolgreicher gemacht als je zuvor. Zugleich wurde jeder Versuch einer kritischen Berichterstattung über den US-Präsidenten in der Vergangenheit vom Publikum abgestraft. Als Moderatoren es zu Beginn von Trumps Amtszeit wagten, dem Präsidenten kritische Fragen zu stellen, zog das laut Beobachtern schnell Proteste von Zuschauern auf sich.
Es soll wütende Mails und Anrufe gehagelt haben – und immer dann, wenn der Sender Trump on air kritisierte, sanken die für das Kabel-Ranking wichtigen Bewertungen für den Sender. Fox-News-Chef Rupert Murdoch soll den Kampf gegen Trump zu diesem Zeitpunkt buchstäblich verloren haben – und die Ausrichtung des Senders zielte fortan voll auf die Trump-Anhänger.
Seither führen Trump und Fox News eine ganz besondere Beziehung. Als „Cheerleaderin eines vom Fernsehen besessenen Präsidenten“, beschrieb etwa der „New York Time“-Autor David Enrich einmal den Sender. Die Beziehung der beiden wirke „fast zirkulär“, so Daub gegenüber dem RND: „Der Medienkonzern begleitet die Politik Trumps propagandistisch, aber umgekehrt bekommt Trump auch die meisten seiner Ideen und Impulse aus dem Fox-Programm.“ Viele besonders wirre Aussagen des Präsidenten ließen sich auf Meinungsbeiträge der Fox-Abendmoderatoren zurückführen. „Es ist ziemlich unklar, wer genau da wen antreibt“, so der Experte.
Die Beziehung war schon immer kompliziert
Doch wer glaubt, bei Fox und Trump habe es sich stets um eine romantische Beziehung gehandelt, der irrt. Friedlich war das Verhältnis zwischen Sender und dem Präsidenten schon früher nicht – im Gegenteil. In den Monaten vor der US-Wahl war das besonders oft zu spüren. Im August 2019 empörte sich Trump beispielsweise öffentlich auf seinem Twitter-Account über die Berichterstattung auf Fox News. „Das neue Fox News lässt Millionen großartiger Leute im Stich! Wir müssen nach einem neuen Nachrichtenkanal suchen. Fox arbeitet nicht mehr für uns!“, schrieb er damals.
Im April dieses Jahres bot er seiner Gefolgschaft dann gleich eine Alternative an. „Fox News am Wochenende nachmittags zu sehen ist reine Zeitverschwendung. Wir haben jetzt einige großartige Alternativen wie OANN“, twitterte er. Gemeint damit ist ein neuer, rechter US-Nachrichtenkanal, der aber weitaus weniger Zuschauer hat als Trumps Leitmedium Fox News.
Treu blieb der Präsident seiner Meinung derweil nur selten: Folgte ein positiver Trump-Bericht oder eine gute Verschwörungserzählung auf Fox News, war auch der Präsident wieder mit an Bord. Und auch Fox News blieb nach jedem dieser Vorfälle ganz auf Trump-Linie. Bis jetzt.
Streit zwischen Trump und Murdoch?
Als Schlüsselfigur für die ungewöhnlich kritische Berichterstattung sehen Medien landauf landab nun vor allem Medienmogul Rupert Murdoch. Sein Verhältnis zu Trump gelte seit einiger Zeit als angespannt. Schon Mitte Oktober berichtet „Vanity Fair“, es habe eine „gewaltige Explosion“ zwischen Trump und Murdoch gegeben. In einem Gespräch hat sich Trump demzufolge bei dem 89-Jährigen über „unzureichend unterstützende Berichterstattung“ beklagt. Murdoch habe daraufhin die Standards des Senders verteidigt – und Trump soll geschrien haben, dass die Berichterstattung „unfair und die Umfragen gefälscht“ seien.
Laut einem Bericht von „Daily Beast“ hat sich Murdoch im Oktober sogar für Joe Biden als Präsident ausgesprochen. „Nach alldem, was passiert ist, sind die Menschen bereit für Sleepy Joe“, soll der Medienmogul zu einem Geschäftspartner gesagt haben.
All das spräche für eine vermeintliche Neuausrichtung des Senders. Zur Wahrheit gehört aber auch: Murdoch galt noch nie als Trump-Fan. Vor Beginn seiner Amtszeit kritisierte der Medienmogul ihn sogar mehrfach deutlich auf Twitter. Er warf Trump etwa vor, er bringe seine Freunde und das ganze Land „in Verlegenheit“. Und auch die Trump-Berichterstattung auf seinem Sender war, bis zu den Zuschauerprotesten, zunächst vor allem kritisch.
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Die Sache ist etwas komplexer
Der Grund für die Berichterstattung dürfte vielmehr ein ganz pragmatischer sein – und zwar die Struktur des Senders. Das Programm von Fox News ist nämlich seit jeher zweigeteilt. Laut Adrian Daub berichtet der Sender tagsüber über das alltägliche Nachrichtengeschehen. Im Abendprogramm werde dieses dann in den Sendungen von den bekannten Meinungsmoderatoren Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham kommentiert. Während der Obama-Jahre hätten die News-Leute tagsüber Fragen aufgeworfen, die die Talker dann abends zu wilden Verschwörungstheorien verwurstet hätten. Seit Trump regiert, habe sich all das noch mal verschärft.
Zum Nachrichtenteam des Senders gehört unter anderen der bekannte Fox-Journalist Chris Wallace, der vor der Wahl ein überaus kritisches TV-Interview mit Trump geführt hatte. Auch so etwas gibt es auf Fox News.
Bei der Wahlberichterstattung hingegen hat der sogenannte „Decision-Desk“ im Sender das Sagen – und nicht die Meinungsmacher. In diesen „Entscheidungsressorts“ sitzen neben Journalisten auch Statistiker, die anhand von Umfragen und anderen Parametern den Wahlausgang berechnen. Laut einem Bericht der „New York Times“ aus dem September habe sich diese Abteilung seit jeher als „immun“ erwiesen gegen „die Übernahme“ des Senders durch den US-Präsidenten. Grund dafür sei die Fox-interne „bizarre und chaotische“ Innenpolitik. Diese schütze den „Decision-Desk“ vermutlich vor „jeglicher Einmischung“ durch die Meinungsmacher des Senders, heißt es in dem Artikel.
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Fox News bleibt auf Trump-Linie
Geleitet wird das Entscheidungsressort von Arnon Mishkin, der laut dem Bericht nicht bei Fox angestellt ist, sondern als externer Berater arbeitet, Demokrat ist und 2016 Hillary Clinton gewählt hat. Der Zeitung sagte er vor einigen Wochen: „Bei dieser Wahl wird niemand den Finger auf die Waage legen, auf keiner der beiden Seiten.“ In dem Artikel prophezeite die Zeitung schon damals ein mögliches „Albtraumszenario“ für die Redaktion, das auch mit einem Anruf von Donald Trump beim Senderchef endet.
Mishkin entschied auch, dass der wichtige US-Bundesstaat Arizona bereits früh am Mittwoch Joe Biden zugesprochen wurde – obwohl mehrere 100.000 Stimmen noch ausgezählt werden mussten. Bei Trumps Wahlkampfteam sorgt das auch am Tag danach immer noch für Unmut.
Am Ende ist die ungewöhnlich kritische Berichterstattung wohl doch keine echte Beziehungskrise, sondern eher auf den immunen „Decision-Desk“ zurückzuführen. Dafür spricht auch, dass sich der Sender bei anderen Fragen wieder deutlich auf die Seite des noch amtierenden US-Präsidenten schlägt. „Jetzt müssen wir für unseren Präsidenten aufstehen“, forderte beispielsweise Meinungsmoderatorin Laura Ingraham in ihrer Show vergangene Nacht.
Und am Donnerstag wurde bekannt, dass Fox News Joe Biden als einziger Sender vorerst nicht als „President-elect“ bezeichnen will. Schließlich will Trump zunächst noch gerichtlich gegen das Wahlergebnis vorgehen. Und was der US-Präsident macht, das wartet man – natürlich – erst einmal brav ab.