Masken, Gendern, Antisemitismus

Anne Will hört auf: Diese besonderen Momente bleiben in Erinnerung

Die erste Sendung: Die Journalistin Anne Will posiert am 5. September 2007 ihrer neuen Talkshow in einem Fernsehstudio in Berlin.

Die erste Sendung: Die Journalistin Anne Will posiert am 5. September 2007 ihrer neuen Talkshow in einem Fernsehstudio in Berlin.

Sie ist eine der meistgesehenen Talksendungen – und doch wird „Anne Will“ Ende diesen Jahres eingestellt. „2024 ist Zeit für was Neues!“, schrieb die Moderatorin bei Twitter. 16 Jahre Politiktalk lägen dann hinter ihr, zwölf davon auf dem Sendeplatz am Sonntagabend. Damit kann Will auf eine ebenso lange Amtszeit wie eine Politikerin unter ihren bekanntesten Gäste zurückschauen: Angela Merkel.

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Fast jeden Sonntag diskutierte sie seit 2007 mit ihren Gästen – meist Politikerinnen und Politiker aus der ersten Reihe – im Halbkreis sitzend die Lage der Nation. Wie gefährlich sind „Reichsbürger“? Wie kommt Deutschland durch den Corona-Herbst? Kann die Union noch Kanzleramt? Das sind einige wenige der Fragen, mit denen sich Will und ihre Gäste in den vergangenen Jahren beschäftigt haben. Ein Überblick über besondere Momente der Talkshow.

Sahra Wagenknecht: „Rot-Rot-Grün ist nur noch irreale Träumerei“ (2017)

Ist Deutschland sozial tatsächlich so ungerecht, wie SPD und Linke behaupten? Das wollte Anne Will im August 2017 in einer ihrer Sendungen beleuchten. Eine Antwort darauf gab es nicht. Dafür aber ein Zerwürfnis: Die damalige Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und Olaf Scholz (SPD) stritten sich heftig.

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Sahra Wagenknecht hielt Scholz immer wieder vor, dass Deutschland sozial am Abgrund stehe. „Das ist allein die Schuld der SPD“, sagte sie. „Und deshalb ist Rot-Rot-Grün auch nur noch eine irreale Träumerei.“ Scholz, damals noch in der Funktion des SPD-Vize und Hamburger Bürgermeister, bezeichnete Wagenknecht daraufhin als Verschwörungstheoretikerin. Darin unterscheide sie sich in nichts von Donald Trump, der 2017 noch US-Präsident war. Beiden sei zudem kein noch so verdrehtes Argument zu schade, um politisch zu punkten.

Sahra Wagenknecht bei Anne Will.

Sahra Wagenknecht bei Anne Will.

Was dieser Abend deutlich zeigte: Eine rot-rote Koalition wird es wohl nicht geben – zumindest nicht mit Scholz und Wagenknecht.

Teresa Bücker: „Mal eben die Gebärmutter rüberreichen geht nicht“ (2019)

Statt wie sonst überwiegend mit männlichen Gästen, war die Runde am 4. Februar 2019 fast ausschließlich weiblich besetzt. Fast. Der einzige Mann, der „Quotenmann“, war Philipp Amthor (CDU). Thema: „Recht auf Leben und Selbstbestimmung – die neue Debatte über Abtreibungen“.

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Zwischen den Frauen (unter anderem Kristina Hänel, die sich jahrelang als Ärztin für die Rechte von abtreibenden Frauen einsetzte, und Teresa Bücker, bekennende Feministin und damals „Edition F“-Chefredakteurin) wirkte Amthor eher kleinlaut.

Sie wird verurteilt, beleidigt und bedroht: Weil sie auf der Webseite ihrer Praxis über Abtreibungen informiert, wurde die Frauenärztin Kristina Hänel strafrechtlich verfolgt. Die Verhandlungen führten zu einer bundesweiten Debatte. Die Politik reagierte, doch der Kompromiss der Großen Koaltion stößt bei Gegnern des umstrittenen Paragrafen 219a und Teilen der Opposition auf Kritik. Die Information über Abtreibungen bleibt verboten, Hänel wird trotzdem weiter kämpfen.

Paragraf 219a: „Ein Schaden, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann“

Wenn Ärzte und Ärztinnen auf ihren Seiten ausführlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren, machen sie sich bislang strafbar. Die Ärztin Kristina Hänel hat daher seit Jahren für die Abschaffung des Paragrafen 219a gekämpft. Im Interview erklärt Hänel, was es bedeutet, dass die Ampel den Paragrafen nun abschafft – und welche Folgen er bisher hatte.

„Wir behandeln Frauen nach wie vor wie unmündige Bürger“, sagte etwa Bücker. „Stimmt nicht“, entgegnete Amthor. „Natürlich stimmt das“, bekräftigte sie und beteuerte: „Wenn Sie schwanger werden, würde ich ihnen zutrauen, diese Entscheidung alleine zu treffen.“

Amthor versuchte es höflich. „Ich traue Ihnen das auch zu“, antwortete er. „Man ist ja schnell bei gegenseitigen Vorwürfen.“ Später wies Brücker darauf hin, dass sie Amthor ja nicht mal eben ihre Gebärmutter rüberreichen könne, damit der mal selber testen könne. „Das möchte ich auch nicht“, sagte Amthor. Aber das Bild blieb im Kopf.

Immer wieder Aufregung um das Gendern (2020)

Es war nur eine kleine Pause, aber sie sorgte für viel Aufsehen. Statt Reiner Holznagel als „Präsident der Steuerzahler“ anzukündigen, sprach Anne Will am 24. Mai 2020 von „Steuerzahler_innen“ – mit einer Minipause da, wo der Unterstrich ist. Sie genderte also.

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„Da staunen Sie, dass wir ‚Bund der Steuerzahler_innen‘ sagen, ne? Ich weiß gar nicht, ob Sie den Verband schon so nennen, inzwischen?“, sagte Will daraufhin zu ihrem Gast. Und Holznagel antwortete: „Nein. Steuern zahlen müssen alle, insofern fühlen sich auch alle angesprochen. Es ist völlig in Ordnung so.“

Grund genug für die „Bild“-Zeitung kurz nach der Sendung eine Debatte um Wills Sprachstil aufzumachen: Es klinge „seltsam“ und „holprig“. Zeugen hätten der „Bild“-Zeitung zudem verraten, dass die Moderatorin sogar im privaten Gespräch von „Zuschauerinnen und Zuschauern“ sprach. Auch „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt sprach von „Diktatur“ und resümierte: „Nur freie Sprache ist schön.“

Der „Cicero“ erklärte Wills Sprachentscheidung derweil sogar mit „moralischem Druck und Opportunismus“. Anne Will dagegen wunderte sich „Wir gendern schon lange, fällt komischerweise aber jetzt erst auf, seit ich, seit wir auch in den Filmen Ärzt_innen sagen“, twitterte sie.

FFP2-Masken und Abstand – aber nicht für die Gäste? (2020)

Anne Will war extra früher aus der Herbstpause zurückgekehrt, um über die aktuellen Entwicklungen rund um das Coronavirus zu sprechen. Ihre Gäste waren vorbildlich mit deutlichem Abstand positioniert worden. NRW-Ministerpräsident Armin-Laschet (CDU) war da, Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD), die Leiterin des Gesundheitsamtes Wiesbaden Kaschlin Butt, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum, Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin und die Virologin Helga Rübsam-Schaeff. Die forderte beispielsweise, dass der Gebrauch von FFP2-Masken verpflichtend sein solle. Es war Ende Oktober 2020 und viele trugen noch einfache Stoffmasken.

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Es war eine gewissermaßen unspektakuläre Show, was das Skandalpotenzial anging. Bis die Sendung zu Ende war und der Abspann lief. Denn im Hintergrund konnte man die Gäste dabei beobachten, wie diese ganz ungeniert ihre Stühle verließen, aufeinander zugingen und ohne Abstand oder Masken miteinander sprachen. Ein Verhalten, dass die Diskussion der Sendung ad absurdum führte. So fanden es jedenfalls viele Zuschauerinnen und Zuschauer und kommentierten dementsprechend kritisch auf Twitter.

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Auch Anne Will äußerte sich via Twitter zu der Szene und reagierte auf die Vorwürfe. Sie schrieb einsichtig: „Wie blöd von mir. Dabei haben wir schon im Rausgehen wieder #maskeauf gehabt.“

Luisa Neubauer: Maaßen, ein Antisemit (2021)

„Von Corona-Krise bis Klimapolitik – kann die Union noch Kanzleramt?“, fragte Anne Will rund viereinhalb Monate vor der Bundestagswahl 2021 – und lud Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) ein. Er hielt sich zurück, Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer gab ihm jedoch schnell Zunder.

Zentrale Kritik: Die Direktkandidatur von Hans-Georg Maaßen in Südthüringen. Laschet habe sich, so Neubauer, nicht deutlich genug von Maaßen distanziert. Und sie ging noch weiter und warf ihm vor, er legitimiere mit der Direktkandidatur Maaßens „rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte“.

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Laschet erwiderte, dass in Demokratien diejenigen entscheiden, die „dafür gewählt werden“. Das müsse eine Volkspartei aushalten. Maaßen sei kein Antisemit und er verbreite auch keine antisemitischen Texte, sagte Laschet. „Und wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Parteiausschluss.“

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