Streamingkritik

Amazon-Prime-Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“: viel Rausch, wenig Vernunft

Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer) in einer Szene der sechsteiligen Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“ über die 1980er-Jahre auf der Reeperbahn.

Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer) in einer Szene der sechsteiligen Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“ über die 1980er-Jahre auf der Reeperbahn.

Das Milieu ist mittlerweile eine Attraktion, weil hier der Sound der Straße reinregiert, die harten Sitten aus dem Alten Testament entnommen sind, was letztlich eben heißt: Mit Worten lässt sich hier nicht alles klären, mittelfristig greift man auch mal zur Tracht Prügel. Was genau ist „das Milieu“? Man kann auch Halbwelt sagen oder Rotlicht, es läuft darauf hinaus, dass im Milieu viel Rausch zu Hause ist, wenig Vernunft und alle Sätze, die wichtigen zumindest, in der Serie „Luden“ mit einem Ausrufezeichen enden. Wenn sie von einem Mann gesprochen werden.

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Falls eine Frau zu Wort kommt, seziert sie seelenruhig und illusionslos das St. Pauli in den frühen 80ern, die Heimat von „Luden“: „Frag einen Mann nicht nach seinen Gefühlen, sag ihm, dass er einen großen Schwanz hat, gib ihm eine verdammte Eins plus, wenn er dich vögelt, kraul ihm das Fell, und ich sage dir, er wird bei Fuß sitzen wie ein deutscher Schäferhund.“ Glaubt Jutta (Jeanette Hain) jedenfalls, eine Hure mit blonder Perücke, kein Mädchen mehr, schon eine Frau, und ähnlich könnten solche Sätze auch in anderen Milieufilmen auftauchen. In „Der Goldene Handschuh“ nach dem Buch von Heinz Strunk oder in der Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, die vor zwei Jahren auf Prime Video gestartet war.

Prime hat Blut geleckt

Prime hat Blut geleckt, nun läuft die nächste Serie auf der Plattform. Wieder geht es um Elend und käufliche Liebe. Die erste Staffel von „Luden“ (Regie: Laura Lackmann, ab Folge vier: Istvan) bietet sechs Folgen, und wenn man fragt, ob sich die Episoden lohnen, schaut man aufs Detail: Atmosphärisch ist die Serie eine Attraktion, auch der derbe Dialekt aus Hamburg klingt verführerisch. Die Bilder sind getaucht in dunklen Glanz, irgendwo ist immer eine Ecke, wo ein nackter Popo wackelt. Inhaltlich indessen ist die Serie auch nicht anders als ein „Tatort“, in dem ein Mädchen aus den Fängen eines Zuhälters befreit wird und zuvor durchs Fegefeuer muss. Doch „Luden“, ein anderes Wort für Zuhälter, ist besser gelaunt, klingt nach schwarzer Komödie, nur die Hemden sind bunt.

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Die Stiefel von Klaus (Aaron Hilmer) sind rot, auch das ist eine Weisheit, die Jutta ihm geflüstert hat: „Als Lude darfst du nicht ganz blöd sein, nicht ganz hässlich sein und nicht ganz feige.“ Und noch etwas: „Ein Lude wird nicht geboren, sondern gemacht.“ An diesen Sätzen muss sich Klaus, ein kleiner Playboy mit sehr blondem, ungekämmtem Haar, über die Länge der sechs Folgen abarbeiten. Er möchte nur ein bisschen Spaß, will es nach oben schaffen, „Erste Klasse, Jumbojet“, sagt er, doch seine Wünsche klingen kindlich, nicht erprobt am Faustrecht von St. Pauli. Jutta aber, die nicht mehr junge Hure, will ihn als Beschützer. Als Luden. Weil Klaus etwas Naives, Menschliches und Weiches in sich trägt, das er auch mit den roten Stiefeln und der großen Klappe nicht kaschieren kann.

Klaus will auf der Reeperbahn die Machtverhältnisse neu ordnen

Klaus will auf der Reeperbahn die Machtverhältnisse neu ordnen, die Puppen nach den eigenen Regeln tanzen lassen, sich gegen die „GmbH“ auflehnen, die Zunft der Zuhälter, die diesen Jungspund erst mal gar nicht ernst nimmt, ihn dann verprügelt und sich schließlich mit ihm messen muss. Was unfein und in breiter Mundart ausgetragen wird, im hamburgischen Dialekt klingt ja mitunter schon ein „Moin“ so aufreizend und fast vulgär, als sei es die Aufforderung, mal vor die Tür zu gehen.

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Weil die Männer das nicht hinbekommen, sind die Frauen in „Luden“ zuständig für Haltung und Gefühle. Jutta versucht, mit Klaus zurechtzukommen, beruflich und privat, mitunter braucht sie dafür Heroin. Und die junge Manu (Lena Urzendowsky) sucht nach ihrer Mutter, die im Bordell anschaffen war. Ja, das Konzept der Serie ist die Schaulust in den Abgrund. Wenn man die abgestürzten Frauen und verhärmten Männer sieht, die ihren Kleinkrieg nicht nur mit der Knarre, sondern auch mit Partys zelebrieren, ist das Verklärung, doch von der angenehmen Art: „Luden“ ist eine stilsichere Sozialkomödie mit reichlich Konfetti.

„Luden – Könige der ­Reeperbahn“ ist bereits auf Amazon Prime streambar.

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