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Naturschützer

„Heibo“ wird geräumt: Ein Protestcamp verschwindet, das Problem bleibt

Im Heidebogen haben sich seit etwa eineinhalb Jahren Klimaaktivisten und Naturschützer verschanzt, um gegen den Kiesabbau zu protestieren. Nun wird geräumt.

Im Heidebogen haben sich seit etwa eineinhalb Jahren Klimaaktivisten und Naturschützer verschanzt, um gegen den Kiesabbau zu protestieren. Nun wird geräumt.

Ottendorf-Okrilla. Waldbesetzer Mokka will bis zuletzt bleiben. Bis ihn das Höheninterventionsteam der Polizei in luftiger Höhe abholt. Die Spezialisten aus Nordrhein Westfalen – allesamt ausgebildete Höhenretter – sind seit Mittwochmorgen im Heidebogen nördlich von Dresden im Einsatz. Seit gut eineinhalb Jahren harren hier Klimaaktivisten und Naturschützer in Baumhäusern aus, mal waren es mehr, mal waren es weniger. Im vorigen Winter schien das Protestcamp schon verlassen. Doch der umstrittene Kiesabbau in der Gegend ging weiter und deshalb rückten auch die Aktivisten wieder an.

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Fast alle Waldbesetzer im Heibo – so wird das Camp genannt – sind vermummt und haben sich Fantasienamen zugelegt. Mokka schaut nun von seinem Baumhaus in etwa vier Metern Höhe zu, wie Beamte das Waldstück durchkämmen und vor jedem bewohnten Baum Stellung beziehen. Er finde es schade, dass nun alles verschwinde, sagt Mokka. Schließlich würden auch Emotionen daran hängen. „Man hat das Gefühl, dass man als Böser dargestellt wird, obwohl man sich für eine gute Sache einsetzt“, sagt der junge Mann. Leider mangele es den Verantwortlichen an Weitsicht, denn Wald werde nicht nur irgendwie theoretisch, sondern ganz praktisch benötigt.

Waldbesetzung im Heidebogen bei Ottendorf-Okrilla: Räumung hat begonnen

Waldbesetzung im Heidebogen bei Ottendorf-Okrilla: Räumung hat begonnen.

„Heibo“-Rämung begann am Mittwoch

Seit Mittwoch machen die Behörden im Heidebogen ernst. Früher als angekündigt erschienen die Vertreter der Versammlungsbehörde, um einen Zustand festzustellen, der schon vorher bekannt war. Da die Klimaaktivisten Behördenauflagen im Camp nicht erfüllten – darunter den Abbau der Baumhäuser – ging ihnen der Räumungsbescheid zu. Wenig später wirkt das „Küchenzelt“ der Aktivisten wie fluchtartig verlassen. Eine Kiste mit Möhren, Äpfeln und Weintrauben gehört zu den Hinterlassenschaften. Eine Packung Schwarzbrot ist aufgerissen, als hätten sich die Besetzer hastig mit Proviant versorgen wollen. Nach Schätzung der Polizei haben sich 20 bis 25 Leute in Baumhäusern verschanzt. Zeitweise kreist ein Polizeihubschrauber über dem Wald.

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Ein Aktivist der Initiative «Heibo bleibt» hangelt sich an einem Seil entlang. Die Räumung des Waldstücks hat am Mittwoch begonnen.

Ein Aktivist der Initiative «Heibo bleibt» hangelt sich an einem Seil entlang. Die Räumung des Waldstücks hat am Mittwoch begonnen.

Bis zuletzt hatten die Heibo-Demonstranten versucht, der Polizei die Räumung zu erschweren. Es wurden Gräben im Wald geschaufelt und Barrikaden auf den Zufahrtswegen errichtet. Sogar ein paar Meter Stacheldraht sollten den Zugriff erschweren. Doch dann läuft in den ersten Stunden alles reibungslos ab. Bis auf eine Ausnahme leisten die Aktivisten keinen Widerstand, lassen sich von den Höhenrettern ohne Gegenwehr bergen. Auch mehrere Frauen sind unter denen, die bis zuletzt in Bretterverschlägen ausharren. Ein paar Leute haben sich direkt an Baumstämmen in ein paar Metern Höhe festgemacht, einer hängt in einem Sitzgurt gut zehn Meter über dem Boden.

Parlamentarische Beobachter der Linken und Grünen vor Ort

Landtagsabgeordnete wie Valentin Lippmann und Lucie Hammecke von den Grünen sowie Linke-Politiker Marco Böhme sind vor Ort, um den Polizeieinsatz als parlamentarische Beobachter zu begleiten. Lippmann attestiert den Einsatzkräften ein hohes Maß an Professionalität und findet alle Beteiligten kooperativ.

Grünen-Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg weiß um den Spagat, den ihre Partei bei diesem Thema leisten muss. Das von einem Grünen geführte sächsische Umweltministerium hält den Kiesabbau im Heidebogen – bei Einhaltung aller Auflagen – mit dem Umweltschutz für verträglich.

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Umweltschützer verweisen vor allem auf negative Auswirkungen des Kiesabbaus auf Moore in dieser Gegend. Als Folge des Eingriffes in die Natur drohten die Moore auszutrocknen, heißt es immer wieder. Dass der Abbau vor drei Jahrzehnten genehmigt worden sei, lassen die Aktivisten als Argument nicht gelten. Denn damals sei das Ausmaß der Klimaerwärmung und das hohe Schutzbedürfnis für CO2- und Wasserspeicher noch nicht absehbar gewesen.

Sachsenforst fällt schon die ersten Bäume

„Ich teile die Auffassung der Naturschützer, dass viele unserer Gesetze der Dringlichkeit des Klimaschutzes nicht entsprechen“, sagt Merle Spellerberg. Dennoch lebe man in einem Rechtsstaat und müsse die Rechtssprechung auch einhalten. Die Abgeordnete wirbt dafür, parlamentarische Mehrheiten zu schaffen, um dem Klimaschutz künftig noch mehr Stellenwert zu geben. Die geplante Ausdehnung des Kiesabbaus im Heidebogen dürfe nur unter strengen Umweltauflagen erfolgen. Doch jetzt gehe es erst einmal darum, dass die Räumung des Protestcamps friedlich ablaufe.

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Der Staatsbetrieb Sachsenforst schafft als Eigentümer der Waldfläche parallel zur Räumung vollendete Tatsachen. Während die Aktivsten aus ihren Häusern geholt werden, fräst sich eine Holzerntemaschine durch das Gehölz. Siebeneinhalb Hektar Wald sollen verschwinden. Wenn der Harvester störungsfrei arbeiten kann, schafft er einen Hektar pro Tag, erklärt Sachsenforst-Sprecherin Carolin Werthschütz.

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Bis Ende Februar soll die Fläche gerodet an das Kiesunternehmen KBO übergeben werden. Fichten, Kiefern und Birken verschwinden, später soll eine „Eichendominierte Waldgesellschaft“ im Heibo entstehen – ein Wald, der sich besser gegen die Klimaerwärmung wehren kann, heißt es.

DNN

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