Angst vor Lärm: Initiative will Züge nach Prag teilweise unter die Erde verbannen
/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/Y2L2HCCV3TCCWAQWZ22QVDSGME.jpg)
Mehr als einen Kilometer lang und bis zu 40 Meter hoch könnte die Brücke über das Seidewitztal werden. Die Anwohner befürchten zusätzlichen Lärm.
© Quelle: Screenshot/SMWA
Pirna/Dresden.Mit dem Zug in nur einer Stunde von Dresden nach Prag – es ist ein milliardenschweres Verkehrsprojekt, das Deutschland und Tschechien in den nächsten Jahrzehnten stemmen wollen. Erste Ideen und Pläne für die Umsetzung liegen längst auf den Tisch, in einem Video werden Neugierige sogar schon mit auf eine virtuelle Bahnfahrt genommen. Es ist ein Film, der vor allem Begeisterung wecken soll. Doch nicht überall sind die Zuschauer begeistert von dem, was sie da sehen. Vor allem bei den Menschen, die rechts und links des Seidewitztals leben.
Dabei gibt es in dem Film und auf den Plänen des Freistaats, die die aktuelle Vorzugsvariante für das Projekt skizzieren, gar nicht so viel zu sehen – zumindest was die schöne Landschaft im Sandstein und Osterzgebirge betrifft. Denn die Strecke soll zwischen Heidenau und dem nordböhmischen Chlumec größtenteils durch einen 26 Kilometer langen Tunnel verlaufen. Die Betonung liegt auf größtenteils. Denn bei Zehista, Goes und Dohma sieht die Variante einen sechs Kilometer langen Abschnitt unter freiem Himmel vor – inklusive einer einen Kilometer langen und 40 Meter hohen Brücke über Zehista und das Seidewitztal sowie eines Überholbahnhofs kurz vor dem Tunnel.
Bereits vor einigen Monaten hat sich deshalb in der Region die Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ formiert. Die begrüßt den Bau der neuen Bahnstrecke ausdrücklich. Es sei richtig, die Menschen im Elbtal vom Bahnlärm zu entlasten. „Und wir sind uns auch bewusst, dass die Strecke für die Wirtschaft wichtig ist“, sagt Steffen Spittler von der Initiative. Doch sollte die Variante, die jetzt auf dem Tisch liegt, tatsächlich umgesetzt werden, werde der Lärm nur in eine andere Gegend verlagert, warnt Steffen Spittler.
Stattdessen treten er und die anderen Mitstreiter der Initiative für „einen echten Basistunnel“ von Heidenau nach Tschechien ein – ohne jegliche offene Streckenführung. Denn vom Lärm der riesigen Brücke über die Seidewitz und von dem Überholbahnhof, auf dem langsame Güterzüge halten, damit die Passagierzüge vorbeirauschen können, wären aus ihrer Sicht viele Einwohner in der Region betroffen. In Zehista, Goes und Dohma, aber auch die Menschen in Neundorf, Zuschendorf, Nentmannsdorf oder Rottwerndorf, zählt Annette Nötzel von der Bürgerinitiative auf. Würden die Züge jedoch gleich direkt ab Heidenau im Tunnel bis nach Tschechien rauschen, ließe sich das einfach verhindern, so die Überzeugung.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Die Bürgerinitiative, auch das betonen die Vertreter, will aber keineswegs nur fordern. „Wir möchte einen Weg aufzeigen, wie man eine Strecke baut, bei der keine Menschen zusätzlich belastet werden“, erklärt Steffen Spittler. Ein ambitioniertes Vorhaben, für das sich die BI gut gerüstet sieht. „Wir sind eine gute Mischung, bei uns arbeiten Ingenieure mit, die Kompetenz besitzen.“ Ziel sei es, einen Vorschlag zu unterbreiten, der dann ernsthaft geprüft werden kann.
Anm geplanten Abzweig in Heidenau, von wo die Strecke über die Bundesstraße hindurch in einen ersten kurzen Tunnel führt, will die BI nicht rütteln. Doch statt das die Gleise dann buchstäblich im hohen Bogen über die Seidewitz und Zehista hinweg und dicht an Goes und Dohma vorbei führen, sollen sie im Erdreich bleiben. Mit Blick auf die geografischen Bedingungen vor Ort würde der Tunnel dann aber etwas weiter westlich verlaufen, schätzt Steffen Spittler.
Mit ihrem Ansinnen hat sich die Initiative bereits an beteiligte Behörden und die Bahn gewandt. Mit unterschiedlichen Erfolg. „Das Landratsamt hat uns zunächst Ansprechpartner genannt “, sagt Steffen Spittler. Auch die Bahn signalisierte Gesprächsbereitschaft, noch im November soll es ein Zusammenkommen geben. Enttäuscht ist die BI indes über die Reaktion des sächsischen Wirtschaftsministeriums. Mehr als drei Monate habe sich das Ministerium für eine Antwort Zeit gelassen, die nach Auffassung der Initiative recht lapidar ausfiel. „Wir haben das Gefühl, dass man uns gar nicht ernst nimmt“, klagt Steffen Spittler.
Im Ministerium versuchen die Verantwortlichen indes, die Wogen zu glätten. Dass sich eine Initiative mit in die Planung des Großprojektes mit einbringe „bewerten wir positiv“, erklärt Sprecher Jens Jungmann. „In den verschiedenen Planungs- und Genehmigungsstufen ist in den kommenden Jahren immer wieder die Frage nach Varianten und Alternativen zu beantworten, um letztlich die richtigen Abwägungen aller Belange und Interessen treffen zu können.“
Die BI befürchtet allerdings, dass mit der Vorzugsvariante die Weichen längst gestellt sein könnten und nun dafür weiter Tatsachen geschaffen werden. Doch auch in diesem Punkt widerspricht das Ministerium. „Eine Planung für die Strecke gibt es noch nicht“, sagt Jens Jungmann. Die bekannten Darstellungen seien das Ergebnis einer Vorplanungsstudie. Die hätten vor allem dazu gedient, das Projekt beim Bund so zu bewerben, dass es im Bundesverkehrswegeplan die entsprechende Priorität erhalte. Das habe Erfolg gehabt. „Dennoch trifft das Ergebnis noch keinerlei Aussage über die tatsächliche Trassenführung, die dann realisiert wird“, so der Sprecher. Dies sei Gegenstand der folgenden Planungen, die erst in den nächsten zehn Jahren erfolgen soll.
Bei der BI drängen die Mitstreiter in jedem Fall darauf, dass die Variante mit der offenen Strecke wieder vom Tisch kommt. „Das wird mit uns auf keinen Fall zu machen sein“, sagt Steffen Spittler. Schließlich, auch das gibt die BI zu denken, leiden die Menschen schon genug unter Verkehrslärm. Die Autobahn, der Zubringer und künftig auch noch die Pirnaer Südumfahrung. „Wenn dann auch noch die Güterzüge und ICEs dazukommen, ist die Belastungsgrenze überschritten.“
Das Video und weitere Infos zum Projekt: http://www.nbs.sachsen.de
Die BI im Internet: www.basistunnel-nach-prag.de
Von Sebastian Kositz