Hass und Gewalt

Über 300 rechte Straftaten in Dresden

Symbolbild

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Dresden. Erst setzte es Beleidigungen, dann Prügel: Weil ihnen offenbar die Herkunft eines 18-Jährigen aus dem Benin nicht passte, geriet der Mann am frühen Morgen des 14. Oktober 2017 ins Visier von rechten Schlägern. In einer Straßenbahn pöbelten die Angreifer den jungen Mann zunächst voll, verpassten ihm dann einen Schlag in den Nacken. Doch auch nachdem der 18-Jährige am Straßburger Platz die Bahn verlassen hatte, ließen die Männer nicht von ihm ab. Sie traktierten ihn mit Schlägen und Tritten – bis der junge Mann schließlich in eine andere einfahrende Straßenbahn flüchten konnte.

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Der Vorfall ist einer von vielen, erfasst in einer umfangreichen Liste. Insgesamt 322 Einträge hat das Papier – eine ellenlange Übersicht, gespeist mit Daten aus dem sächsischen Innenministerium, über rechte Straftaten in Dresden im vergangenen Jahr. Es ist die mit Abstand längste Liste dieser Art in Sachsen. Denn in keiner anderen Stadt und in keinem anderen Kreis im Freistaat wurden im vergangenen Jahr mehr rechte Straftaten gezählt. Hakenkreuzschmierereien, Beleidigungen und immer wieder auch Gewalt.

In aller Regelmäßigkeit fragt die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke) beim Innenministerium die aktuellen Vorfälle ab, lässt sich diese mit Datum und konkreten Geschehen genau dokumentieren. Daraus haben die Grimmaer Politikerin und ihre Mitarbeiter für 2017 eine Übersicht erstellt. Dresden belegt darin den wenig rühmlichen Spitzenplatz, mit weitem Abstand vor Leipzig auf Platz mit insgesamt 222 Straftaten. Die allermeisten Regionen in Sachsen kommen nicht auf einmal auf halb so viele Fälle.

In den dicken Ordnern der Ermittler vom Staatsschutz stecken vor allem viele Bilder von Schmierereien: Hakenkreuze, rechtsextreme Parolen, Hassbotschaften. Hinzu kommen etliche Anzeigen wegen Beleidigung oder Volksverhetzung. Aber eben auch Gewalt spielt immer wieder eine Rolle. Die Politikerin Kerstin Köditz verweist auf 15 Verletzte, die es im vergangenen Jahr nach Übergriffen in Dresden gegeben hat. Die Mehrzahl der Betroffenen sind demnach Ausländer.

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Die Zahlen aus dem Innenministerium sind das eine. Auch die Beratungsstelle für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt hat eine umfangreiche Statistik erstellt, basierend vor allem auf der eigenen Arbeit. Die Mitarbeiter stehen Opfern von rechten Übergriffen bei – zum Reden, aber auch als Berater in Rechtsfragen oder Begleiter bei Zeugenaussagen vor Gericht. Die Beratungsstelle hat demnach im vergangenen Jahr insgesamt 53 Angriffe erfasst, 75 Menschen waren dabei betroffen.

Nicht jeder, der sich nach einem rechten Angriff bei der Beratungsstelle meldet, zeigt den Vorfall auch an. Das erklärt teils auch die unterschiedlichen Angaben in den Statistiken vom Innenministerium und der Beratungsstelle. Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen werden ohnehin seltener angezeigt, wie Robert Enge von der Beratungsstelle erklärt. „Das Anzeigeverhalten ist gering, da wenig Verfolgungsinteresse angenommen wird oder es bei diesen Delikten häufig zu Einstellungen kommt“, sagt Robert Enge.

Immerhin: Die Anzahl der sowohl vom Innenministerium erfassten Straftaten als auch die von der Beratungsstelle verzeichneten gewaltsamen Übergriffe ist im Vergleich zu den Vorjahren insgesamt rückläufig. Für 2016 nennt Robert Enge 114 Angriffe. Doch liegt die Gesamtzahl der von den Behörden als rechte Straftaten erfassten Vorfälle noch immer deutlich über den Jahren vor 2015, als es mit Beginn der Flüchtlingswelle auch vermehrt zu Protesten gegen die Asylpolitik, und Zuwanderung kam. Damals waren die Zahlen der Straftaten überall in Sachsen nach oben geschnellt – besonders in Dresden. Den 261 Straftaten in 2014 standen im Jahr darauf 437 Delikte gegenüber. Das ist ein Plus von 67 Prozent.

Für die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz liegt der Verdacht nah, „dass die Auf-und-Ab-Entwicklung „mit dem aggressiven Versammlungsgeschehen“, etwa Pegida, zusammenhängt. Die Statistik aus dem Innenministerium weist tatsächlich etliche Straftaten aus, die sich am gleichen Tag wie Pediga und dann oft in der Innenstadt abgespielt haben.

Ein passendes Beispiel hat Robert Enge parat: Am 19. Juni 2017 kam es am Rande von Pegida zu einem Angriff auf Gegendemonstranten. Ein 24-Jähriger attackierte einen 48 Jahre alten Gegendemonstranten, auch eine Frau, die zur Hilfe eilen wollte, ging er an. Auch dieser Vorfall ist in der Statistik des sächsischen Innenministeriums erfasst. Zwar ließe sich für 2017 mit Blick auf die Vorjahre eine relative Entspannung ausmachen. „Aber diese Entwicklung geht von einem vergleichsweise hohen Niveau aus. Fallzahl und -häufigkeit liegen nach wie vor über dem langjährigen Schnitt“, erklärt Kerstin Köditz. Von einer Normalisierung könne nicht gesprochen werden.

Auch Robert Enge sieht im Rückgang der Übergriffe einen Zusammenhang mit der Abnahme von asylfeindlichen Demos im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften: „Dennoch ist Dresden die Stadt mit den meisten Angriffen.“ Er geht ohnehin von einem sehr großen Dunkelfeld aus, „gerade bei rechtsmotivierten und rassistischen Angriffen, insbesondere unterhalb von physischer Gewalt.“ Betroffene, so sagt er, berichten nach wie vor von starken Alltagsrassismus.

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Inzwischen, auch das betonen Kerstin Köditz und Robert Enge, gibt es in der Stadt aber auch einen deutlich höheren Kontorolldruck durch die Polizei. Zudem, so glaubt die Linken-Politikerin, gebe es eine wachsamere Zivilgesellschaft. „Anzunehmen ist, dass in den Städten das Problembewusstsein und das Anzeigeverhalten viel ausgeprägter ist als anderswo. Dadurch landen mehr Fälle in der Statistik“, sagt Kerstin Köditz.

Von Sebastian Kositz

DNN

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