Streit um Sicherheit für Radfahrer auf der St. Petersburger Straße
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Ein weißes Fahrrad erinnert an den Unfall im August des vergangenen Jahres, bei der eine Frau tödlich verunglückte.
© Quelle: Anja Schneider
Dresden. Plötzlich öffnet sich die Tür eines parkenden Autos, viel zu schnell für eine Radfahrerin auf dem Radweg daneben. Sie kann nicht mehr bremsen, knallt gegen die Tür und wird auf die Fahrbahn geschleudert, wo sie ein Auto überrollt. Kurze darauf stirbt die 45-Jährige in einer Klinik. Für den Dresdner ADFC war dieses Drama auf der St. Petersburger Straße nur eine Frage der Zeit. Die Fahrradlobby spricht von lebensgefährlichen Zuständen – und macht jetzt auch verkehrsrechtliche Bedenken geltend.
Der Unfall im August des vergangenen Jahres hatte viel Bestürzung und rege Anteilnahme ausgelöst. Die Mitglieder des ADFC starten eine Petition, forderten darin unter anderem die sofortige Streichung der Parkplätze entlang der Radwege an der St. Petersburger Straße zwischen Wiener Platz und Georgplatz. Die Fraktion der Grünen goss diese Forderung daraufhin in einen Antrag, am Donnerstag soll sich nun der Dresdner Stadtrat mit der Situation vor Ort beschäftigen. Dort liegt inzwischen allerdings ein Kompromiss auf dem Tisch – der aus Sicht des ADFC keineswegs ausreichend ist.
ADFC-Mitstreiter Wolfgang Fröb hat selbst schon einmal auf der St. Petersburger die Situation erlebt, wenn eine aufgerissene Autotür plötzlich den Radweg versperrt: „Ich bin quasi flugerprobt“. Dass auf der St. Petersburger Straße in einem derart engen Korridor Fahrräder zwischen rollendem Verkehr und parkenden Autos hindurchgeführt werden, sei jedoch gerade mit Blick auf die empfohlenen Mindestabstände ein nicht haltbarer Zustand.
Wolfgang Fröb spielt auf die aktuelle Rechtssprechung an. Demnach sind Radfahrer angehalten, mit einem Abstand von 90 Zentimeter oder mehr an einem parkenden Auto vorbeizufahren. „Es gibt Gerichte, für die ist selbst das noch nicht ausreichend“, sagt das ADFC-Mitglied. Zugleich sei beim Überholen von Fahrrädern ein Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten. Dabei gelten als Bezugspunkte jeweils die Außenkanten der Räder und Autos.
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ADFC-Landesgeschäftsführer Konrad Krause hat nachgemessen: Auf der St. Petersburger Straße ist für Radfahrer zu wenig Platz.
© Quelle: Anja Schneider
Für die St. Petersburger Straße hieße das: „Nur wenn der Radfahrer dort äußerst links auf dem Radweg unterwegs sei, hält er ausreichend Abstand zu parkenden Autos“, sagt Wolfgang Fröb. Dort befindet er sich dann allerdings schon in dem Bereich, wo Autos, Laster und Busse mit unzureichendem Abstand überholen. „Das ist ein strukturelles Problem“, sagt Wolfgang Fröb, weshalb der ADFC zu seiner Forderung auch keinerlei Alternative sieht.
Anders im Stadtrat. Im zuständigen Ortschaftsrat Altstadt war die Vorlage der Grünen zwar zunächst noch auf eine breite Zustimmung gestoßen. Die Mehrheit der Mitglieder im Bauausschuss speckte den Vorstoß zur Streichung der Parkplätze jedoch deutlich ab. Auf der Westseite, also dort, wo die Prager Straße angrenzt, sollen nach dem Mehrheitswillen keine Parkplätze entfallen. Auf der Ostseite könnten die Parkflächen immerhin über den Bordstein hinaus verbannt werden. Außerdem plädieren die Ausschussmitglieder dafür, dort Planungen für eine sicherer Radverbindung vorzunehmen. So sieht es auch die für die Stadtratssitzung am Donnerstag vorbereitete Beschlussempfehlung vor.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat rechnen sich der Dresdner ADFC-Vorstand Nils Larsen und Landesgeschäftsführer Konrad Krause keine sehr große Chancen aus, dass das Anliegen, das als Petition immerhin mehr als 5000 Unterstützer fand, durchkommen wird. Umso eindrücklicher appellieren die ADFC-Mitglieder daher noch einmal an Rat und Verwaltung – und weisen zugleich die Befürchtung zurück, dass mit der Streichung der insgesamt 100 Stellflächen die Parkplatzsituation im Dresdner Stadtzentrum verschärft werden könnte.
Die Mitglieder vom ADFC haben dazu in den vergangenen Monaten das städtische Parkplatzinformationssystem ausgewertet. Ihr Ergebnis: Für das 2018 wies das System in 98,9 Prozent des Jahresverlaufs über 100 freie Stellplätze in umliegenden Parkhäusern aus. Praktisch dürften es sogar noch mehr sein, weil die Angebote, die nicht mit Informationssystem integriert sind, noch gar nicht mitgezählt wurden. Außerhalb einzelner Tage des Striezelmarktes sind im Bereich um die Prager Straße immer ausreichend Parkplätze verfügbar, so das Fazit vom ADFC.
„Es gibt an der St. Petersburger Straße kein Parkplatzproblem“, sagt Nils Larsen. Mit Blick auf die Gefahren für Radfahrer findet der ADFC-Vertreter klare Worte: „Tatsächlich“, so fügt er an, „werden in dieser Stadt Menschenleben gegen freie Parkplätze abgewogen.“ Die Bevorzugung des ruhenden Autoverkehrs gegenüber der Sicherheit von täglich mehreren Tausend Radfahrern sei als Begründung nicht akzeptabel. Der Zugewinn der Sicherheit für den Radverkehr ließe sich indes durch die Nutzung der umliegenden Parkhäuser ohne Einschränkungen für den Autoverkehr realisieren.
Von Sebastian Kositz