Trauer

Lacrima Dresden: Hier lernen Kinder, mit einem schrecklichen Verlust umzugehen

Johanniter-Bereichsleiterin Susanne Hentschel zeigt eines der Schiffchen, mit denen Kinder Loslassen oder Festhalten ausleben können.

Johanniter-Bereichsleiterin Susanne Hentschel zeigt eines der Schiffchen, mit denen Kinder Loslassen oder Festhalten ausleben können.

Dresden. Es ist okay zu weinen, weil Papa gestorben ist. Es ist auch okay, richtig wütend darüber zu sein und alles rausschreien zu wollen. Was für Erwachsene völlig verständlich klingt, müssen Kinder im Falle eines Verlustes oft erst lernen. Seit neun Monaten haben sie bei Lacrima die Möglichkeit dazu.

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„Kinder trauern anders“

Das Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche wurde am 27. Oktober des vergangenen Jahres von den Johannitern gegründet. Lacrima ist lateinisch und bedeutet zu deutsch Träne. Diesen können die jungen Trauernden in den geschützten Räumen der Stiftung freien Lauf lassen, müssen sie aber nicht.

„Kinder trauern anders“, sagt Susanne Hentschel. Sie hat die Bereichsleitung der Sozialen Dienste bei den Johannitern inne und begleitet Lacrima von Beginn an. Derzeit nutzen zehn Kinder und Jugendliche zwischen vier und 16 Jahren die Dienste der Stiftung und treffen sich aller zwei Wochen. Betreut werden sie in diesen gut eineinhalb Stunden von ehrenamtlichen Trauerbegleitern. Derzeit sind acht bei Lacrima im Einsatz.

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In dieser Zeit können die jungen Menschen ihre Wut an einem Boxsack auslassen, sich im „Snoezelraum“ in eine Höhle aus Kissen und Decken zurückziehen oder ihre Trauer kreativ verarbeiten. Das geschieht in Form von Bildern, manchmal werden aber auch kleine Schiffchen aus Naturmaterial gebastelt. „An den Schiffen befestigen wir eine Schnur. Dann können die Kinder selbst entscheiden, ob sie es auf dem Wasser loslassen oder wieder zurückholen wollen“, erklärt Hentschel.

Angebot zwischen Familie und Therapie

So wird die Trauer für die Kinder einen Moment lang greifbar – Kann ich meinen Papa schon loslassen? Oder will ich ihn lieber noch festhalten? In einer kleinen Holzkiste können sie Erinnerungen an den verstorbenen geliebten Menschen sammeln und am Ende mit nach Hause nehmen, wenn sie das wollen. In einem Toberaum bieten ein Boxsack und Matten die Möglichkeit, Wut und Aggressionen loszuwerden. Zum Abschluss des Treffens essen alle noch gemeinsam zu Abend, bevor es wieder nach Hause geht.

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Ab welchem Alter sollten Kinder zur Beerdigung gehen?

Die Kinder, die zu Lacrima kommen, hätten meist in ihrem persönlichen Umfeld keine Möglichkeit, ihre Trauer auszuleben, erklärt Susanne Hentschel. Oft sind Familienmitglieder selbst betroffen und mit der eigenen Trauer beschäftigt. Dennoch seien sie keine Therapeuten, stellt die Johanniterin klar. Viel mehr solle Lacrima als Angebot zwischen dem sozialen Umfeld und der Psychotherapie gesehen werden. Denn oft gebe es bei letzteren lange Wartezeiten, sagt Hentschel. Sie ist aber auch überzeugt: „Nicht jedes trauernde Kind muss direkt zum Psychologen.“

Idealerweise sollten sich die Betroffenen in der Zeit zwischen dem Tod und der Beerdigung bei Lacrima melden. Doch oft sitze der Schock zu tief und es dauere ein bis zwei Monate länger, sagt Hentschel. In einem Erstgespräch wird geschaut, ob Lacrima überhaupt der richtige Ansprechpartner ist. „Jeder muss für sich erkennen, wie er Trauer verarbeiten kann. Oft haben auch die Eltern große Probleme damit“, erzählt Hentschel. Auch sie haben bei den Gruppenabenden die Möglichkeit, darüber zu reden.

Betreuung dauert mindestens ein Schuljahr

Aktuell ist ein Ehrenamtlicher für zwei Kinder zuständig. Damit dieser Betreuungsschlüssel erhalten werden kann, sind die Johanniter auf der Suche nach neuen ehrenamtlichen Trauerbegleitern. Die dafür nötige Ausbildung geht über vier Wochenenden und wird von der Hilfsorganisation komplett bezahlt. Zu den Aufgaben zählen die Betreuung der Gruppenstunden, Workshops und das Begleiten von Ausflügen. Auch für Interessierte, die sich nicht zutrauen, mit trauernden Kindern zu arbeiten, gibt es bei den Johannitern einen Platz.

Ob die Zusammenarbeit passt, wird in einem Vorgespräch festgestellt. „Die Kinder kommen teilweise mit schrecklichen Schicksalen zu uns. Damit müssen die Ehrenamtlichen umgehen können, schließlich wollen wir sie so lange wie möglich bei uns haben“, sagt Hentschel.

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Die Organisation bekommt Hilfe unterschiedlichster Art. So fertigt ein kleiner Strickverein viele „Lacrimchen“ für die Kinder. Die kleinen Kirschkernkissen sollen ihnen helfen, wenn der Bauch mal zwickt und Tränen auffangen, wenn der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen die kleinen Trauernden übermannt. Finanziert wird Lacrima ausschließlich von Spenden. Diese werden zum größten Teil für die Abendessen, Ausflüge, Bastelmaterialien und für die Ausbildungen der Ehrenamtlichen ausgegeben.

Die Dauer der Betreuung legen die Kinder selbst fest. In der Regel ist sie aber für mindestens ein Schuljahr angesetzt. Wer auch danach noch Bedarf hat, könne jederzeit wiederkommen, sagt Susanne Hentschel. Ziel sei es, dass die Kinder nach der Zeit bei Lacrima besser mit ihrer Trauer umgehen können. Und auch danach bleibt es okay, um Papa zu weinen.

Betroffene und Ehrenamts-Interessierte können sich unter der Tel. 0351/209 14 33 oder per E-Mail an lacrima.dresden@johanniter.de melden.

Spendenkonto: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Regionalverband Dresden, Stichwort "Lacrima Dresden", IBAN DE95 3702 0500 0004 3318 00, Bank für Sozialwirtschaft, BIC BFSWDE33XXX

Von Lisa-Marie Leuteritz

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