Künstler- und Kulturhaus Geh8 erfindet sich neu
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Seit 2007 gibt es Geh8 in Pieschen. „Wir sind gerade in einer Phase, in der wir uns selbst neu erfinden“, sagt der Vereinschef Paul Elsner.
© Quelle: Anja Schneider
Dresden. Ein alter Werkstattraum mit tiefem, derzeit von Holzbohlen überdeckten Graben dient als rund 300 Quadratmeter große Ausstellungsfläche. Ringsherum in kleineren Räumen 14 Ateliers für zwölf bildende Künstler, eine Keramikerin und eine Kostümdesignerin. Das ist das Kunst- und Künstlerhaus Geh8 in Pieschen. Noch, könnte man sagen. Denn der gemeinnützige Verein „GEH8 Kunstraum und Ateliers e.V.“ hat viel vor mit und in dem ehemaligen Wagenausbesserungswerk an der Gehestraße, dessen Betrieb die Deutsche Bahn 2005 aufgegeben hatte.
2007 nahmen Künstler, Architekten und Kreative, die auf der Suche nach Ateliers waren, das Werk in Besitz – ein sogenannter Off Space entstand, ein Künstlerort in einem Gebäude, das sonst keiner wollte. Die Bahn vergab einen Mietvertrag, suchte für das Haus einen Käufer. Das künstlerische Innenleben, das sich mehr und mehr entfaltete, sollte aus Sicht des Staatskonzerns allenfalls ein Provisorium sein. Es kam anders.
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Der Künstler Paul Elsner musste in den letzten Jahren vor allem organisatorische Arbeit leisten. Er ist Vorsitzender des Vereins „GEH8 Kunstraum und Ateliers e.V.“.
© Quelle: Anja Schneider
„Da war diese Halle, sie hat ermöglicht, dass wir über mehr nachgedacht haben“, sagt Paul Elsner, Vorsitzender des Vereins. „Wir wollten ja nie Kunst- und Kulturhaus sein, sondern Ateliers finden, in denen wir arbeiten können“, erinnert er sich an die Anfangstage. Die alte Wagenhalle zwang die Kreativen zu mehr. 2008 gab es die erste Ausstellungsserie mit internationalen Künstlern aus Nord, Ost, West und Süd. Seither haben viele junge und arrivierte Künstler ausgestellt, gab es Konzerte, Performances, Symposien. Projektförderung für Ausstellungen wurden beantragt, Geh8 tauchte auf dem Radar der Stadt, zumindest des Kulturamts auf. Das fördert den Verein seit 2014 institutionell, erst mit rund 20.000 Euro, seit zwei Jahren mit 35.000 Euro. So ein Haus für zeitgenössische Kunst braucht eine Kommune, wenn sie Kulturhauptstadt sein will.
Schmerzhaftes gehört dazu
Elsner ist seit dem Anfang dabei, erinnert sich an diese Entwicklung, die auch mit Schmerzen verbunden war. Interne Auseinandersetzungen etwa, weil manche Künstler lieber im Atelier arbeiten als sich über das Leben in der großen Halle Gedanken machen wollten. Oder das Jahr 2014, als die Bauaufsicht die Nutzungsgenehmigung wegen brandschutztechnischer Bedenken entzog. "Wir haben damals eine solche Unterstützung erfahren", sagt Elsner. "Das hat uns bestätigt, weiterzumachen." Dennoch hat es ein Jahr gedauert, bis die behördlichen Bedenken durch Arbeiten beseitigt werden konnten. Aus dieser Krisenzeit stammen die Gedanken, wie sich die Geh8 entwickeln kann.
„Professioneller“ solle das Künstlerhaus werden, sich gleichzeitig mehr zur Stadt öffnen und breiter aufstellen. Ein hoher Anspruch, zumal Elsner in der Stadt, die das Gebäude 2016 kaufte und jetzt an den Verein vermietet, immer noch Widerstände spürt. „Es gibt in manchen Ämtern kein Verständnis dafür, Stadtentwicklung aus kultureller Perspektive zu denken“, sagt er, der vor 18 Jahren seinen Job als Stadtplaner aufgab, um Künstler zu sein. Das übernimmt nun die Geh8 im Kleinen.
Ateliers, Kunst und Raum werden getrennt
Zunächst soll die interne Struktur klarer werden, Atelierhaus, Kunst und Raum werden getrennt. Das bedeutet, dass der Ausstellungsbetrieb professionalisiert wird und die Wagenhalle gleichzeitig für kulturelle oder für das Viertel wichtige Initiativen geöffnet wird. Ein Schülertheater war schon zu Gast, ebenso eine feministische Gruppe. „Wir werden von der Öffentlichkeit gefördert, deshalb müssen wir etwas zurückgeben“, begründet Elsner. Know-how zum Ausstellungsbetrieb erarbeitet sich der Verein durch eine Förderung des Freistaats, 25.000 Euro, die jährlich noch bis 2019 für konzeptionelle Arbeit fließen. Nach Elsners Wunsch sollte dann die Stadt diese Förderung mit übernehmen. Eine institutionelle Förderung über 60.000 Euro ist für die Haushaltsjahre 2019/20 beantragt. Nachdem man elf Jahre Selbstausbeutung betrieben habe, wolle man nun endlich eine gesicherte Finanzierung erreichen.
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Links soll das Künstler-Café interimsweise entstehen, rechts ist die Baustelle des Schulcampus zu erkennen. In der Mitte wird im Zuge des geplanten Grünstreifens für Begrünung gesorgt. Durch das Rolltor geht es in die Wagenhalle.
© Quelle: Anja Schneider
Geplant ist auch ein Café, dessen Gewinne zu 100 Prozent in die Arbeit des gemeinnützigen Vereins fließen sollen. Zunächst ist ein Interim in einem Nebengebäude entstehen, das von der Rückseite her zugänglich ist. Die wird künftig wohl zum Haupteingang, wenn die Stadt erst den Schulcampus für 2000 Schüler auf dem Nachbargrundstück errichtet und den geplanten Grünstreifen mit Rad- und Gehweg, an dem die Geh8 liegt, eingerichtet hat. Elsner stellt sich kein Café aus dem Innenarchitekten-Baukasten vor, sondern ein Interim, das zum Ort mit Industriecharme und kreativem Innenleben passt. Dafür wird ein Betreiber gesucht. Langfristig soll das Café in die Wagenhalle wandern und dort Teil eines neuen Entrees werden, das das alte Werkstattgebäude mehr den Bedürfnissen der Nutzer anpassen soll. „Wir brauchen Räume für Symposien, Workshops, Treffen“, sagt Elsner. Das kann die nicht beheizbare Halle derzeit nur bedingt leisten. Dafür müssen allerdings noch Geldgeber und Verständnis bei den Eigentümern im städtischen Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung gefunden werden.
Dachreparatur kommt erst 2019
Über die ärgert sich Elsner derzeit mal wieder: Die Ausschreibung für die Reparatur des undichten Dachs ist noch nicht raus. Anders als geplant wird es wohl erst ab Juni 2019 instand gesetzt. Wieder ein Rückschlag. Elsner sieht dennoch etwas Positives: "Wir wollen die Zeit nutzen, noch einmal mit Nachdruck eine Dach- und Fassadenbegrünung zu fordern", sagt er. Das sei bei dem Umfeld – dem geplanten Grünzug – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Insgesamt 400 000 Euro aus EU-Fördermittlen dürfen für Dach, neue Fenster und Elektrik ausgegeben werden.
Auch an die neuen Nachbarn ist gedacht. Die Geh8 will ein Schülerprojekt starten, bei dem 13 bis 18-Jährige sich mit den Möglichkeiten eines Raums auseinandersetzen sollen, sich auf Themen und Arbeitsweisen festlegen und dann künstlerische Arbeiten und Ausstellungen realisieren sollen. Idealerweise wird so kulturelles Verständnis und Kooperationswille gebildet. „Wir wollen mehr als nur zeigen, wie man malt“, sagt Elsner. Das Projekt soll im Frühjahr 2019 starten, zunächst mit Kindern anderer Pieschener Schulen. Der Campus Gehestraße soll erst zum Schuljahr 2019/20 bezogen werden.
Internationale Kooperationen werden vertieft
Und sonst: Wird das Profil internationaler. Einerseits über eine Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) und dem Zentralwerk, die unter dem Namen „Artists at risk“ Künstler meist aus Osteuropa für ein halbes Jahr nach Dresden holt. Arbeiten sollen diese dann in der Geh8 und im Zentralwerk. Von derartigen Residenzprogrammen erhofft sich Elsner viele Impulse. Deshalb hat die Geh8 schon eines mit einem Breslauer Pendant auf die Beine gestellt, weitere Projekte seien angedacht. Zudem soll durch die Zusammenarbeit mit dem tschechischen Kunsthaus Hranicar aus Usti nad Labem ein internationales Künstlernetzwerk aufgebaut werden. Das könne man später auf Polen ausweiten, meint Elsner. Viele Künstler zwischen Berlin, Prag und Warschau teilten gerade im ländlichen Raum die gleichen Sorgen. Ihre Kräfte wolle man bündeln. Der Off Space am Rande rückt ins Zentrum.
Von Uwe Hofmann
DNN