Immuntherapie hilft Krebspatienten, bei denen Standardbehandlung keine Erfolgsaussicht hat
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„Wir haben deutliche Erfolge, aber der Patient wird durch die Immuntherapie nicht geheilt“, sagt Chefarzt Dr. Harald Schmalenberg.
© Quelle: Anja Schneider
Dresden. „Es ist eine spannende Zeit für die Onkologie“, sagt Dr. Harald Schmalenberg, Chefarzt der IV. Medizinischen Klinik am Städtischen Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Damit meint er den medizinischen Fortschritt, der neue Behandlungsmöglichkeiten bei Tumorerkrankungen eröffnet – besonders dann, wenn Chemo- oder Strahlentherapie nur noch wenig Hoffnung versprechen.
Deutliche Erfolge zeigt bei diesen Fällen die Immuntherapie, die die Abwehrzellen im Körper ankurbelt. Die Gabe speziell entwickelter Wirkstoffe sorgt dafür, dass diese so genannten T-Zellen die Tumorzellen, die sich bis dahin als körpereigen und damit gesund getarnt haben, besser erkennen und bekämpfen können. „Das Abwehrsystem wird hoch-, die Maskierung des Tumors runtergefahren“, erklärt Dr. Schmalenberg.
Zum Einsatz kommt die Immuntherapie bislang vor allem beim Schwarzen Hautkrebs und Lungenkrebs – beide Krankheitsformen sind mit einer Chemotherapie nur schlecht zu behandeln. Die Ergebnisse sind gut: Lag die Lebenserwartung eines an Hautkrebs erkrankten Patienten früher mit einer Chemotherapie bei sechs bis neun Monaten, kann sie im Durchschnitt mit der Immuntherapie auf 36 Monate verlängert werden. 42 Prozent der von Lungenkrebs Betroffenen sind nach einem Jahr noch am Leben, 15 bis 20 Prozent sogar deutlich länger.
Ein Zeichen für die Pharmaindustrie, die immer mehr Wirkstoffe auf den Markt bringt, um die Behandlung noch zu verbessern und auch andere Krebsarten zu bekämpfen. „Im Moment ist da viel Bewegung drin. Es wird bei allen Tumorarten durchprobiert. Hauptherausforderung aber ist es, einen Test zu entwickeln, mit dessen Hilfe wir die Patienten bereits zu Beginn der Therapie identifizieren können, die darauf besonders gut ansprechen“, sagt der Chefarzt. Auch deshalb, weil die Medikamente wahnsinnig teuer sind.
Eines ist Dr. Schmalenberg aber wichtig: Die Immuntherapie ist kein Wundermittel, sie dient der Lebensverlängerung. „Die Immuntherapie kommt dann zum Einsatz, wenn eine Standardtherapie versagt hat. Das ist ein großer Fortschritt in der Medizin, kein Zweifel. Aber man muss die Erwartungen auch dämpfen. Wir haben deutliche Erfolge, aber der Patient wird dadurch nicht geheilt. Immerhin sind drei Jahre Lebenserwartung besser als ein halbes Jahr.“
Einer, der davon profitiert hat, ist Claus-Peter Renger. Der 68-Jährige erhielt Ende 2012 von Dr. Thomas Göhler – einem Kooperationspartner des Friedrichstädter Klinikums – die Diagnose Lungenkrebs und wurde dank Strahlen- und Chemotherapie erfolgreich behandelt. Im Juli 2015 allerdings verschlechterte sich sein Zustand, die Lymphknoten im Bauch waren extrem vergrößert. Wieder folgte eine Chemotherapie, wieder ging es Claus-Peter Renger besser. Bis sich die Tumorzellen im Bauch nur ein Jahr später erneut meldeten. „Mein behandelnder Arzt hat mir gesagt, dass wir mit einer Chemotherapie wohl nicht mehr weiter kommen“, erinnert sich der 68-Jährige.
Dank eines neuen Medikaments aber, das nur kurz zuvor zugelassen wurde, erhielt er eine Chance. Ebendieses Medikament, das er seit dem vergangenen Sommer alle zwei Wochen via Infusion erhält, mobilisierte seine Abwehrzellen. „Innerhalb kürzester Zeit hat es geholfen. Die Anzahl der Tumorzellen ist deutlich zurückgegangen und ich bin glücklich und zufrieden bis zum heutigen Tag.“
Auch von Nebenwirkungen blieb der Dresdner verschont. Das allerdings geht nicht allen so. „Bei einigen Patienten wird das Immunsystem so hochgefahren, dass es gegen eigene, gesunde Zellen vorgeht“, erklärt Dr. Schmalenberg. Autoimmunerkrankungen – zum Beispiel am Darm oder an der Lunge – können die Folge sein. Nicht so im Fall von Claus-Peter Renger.
Es mag aber auch mit seiner Einstellung zum Leben zusammenhängen, dass er so gut auf die Immuntherapie reagiert hat. „Ich bin generell ein optimistischer Mensch und halte den Kopf nach oben, damit ich die Sonne sehen kann.“ Er ist froh über die Chance, die ihm Ärzte und Pharmaindustrie gegeben haben – auch, wenn er nicht als geheilt gilt. „Niemand kann in die Zukunft blicken. Aber ich bin froh, dass ich mit dem Medikament eine Alternative bekommen habe.“
Von Christin Grödel
DNN