Prekäre Lage

"Fühle mich schon wertgeschätzt" - Hebammen loben Dresdner Geburtshilfeprämie

Die Hebammen Susanne Peiler, Heike Höhle und Sophia Laudien (v.l.) vermelden auf einer Tafel an der Louisenstraße die neuesten Erdenbürger.

Die Hebammen Susanne Peiler, Heike Höhle und Sophia Laudien (v.l.) vermelden auf einer Tafel an der Louisenstraße die neuesten Erdenbürger.

Dresden. An einer Holztür der Dresdner Neustadt hängt eine schwarze Schiefertafel und zeigt all die Namen der kleinen Dresdner, für die der Kreislauf des Lebens hier begonnen hat: Im Hebammenhaus auf der Louisenstraße. Die Stadt unterstützt die Ankunft der kleinen Neuankömmlinge mit einem neuen Programm: Seit dem 6. November zahlt sie eine „Geburtshilfeprämie“. Hebammen und Entbindungspfleger können nun für die Geburt eines Kindes und die Nachsorge der Mutter eine Prämie beim Dresdner Gesundheitsamt beantragen.

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Konkret in Zahlen bedeutet das: Für jede Wochenbettbetreuung gibt es einen Zuschuss von einmalig 30 Euro. 100 Euro wird für eine Geburt in einem Hebammenhaus gezahlt. Begonnene Hausgeburten und „Beleggeburten“ in einem Krankenhaus werden mit 200 Euro vergütet.

„Das ist wahrlich ein Wunder“, freut sich Hebamme Carolin Böhling, „Endlich haben wir das Gefühl, dass sich das Engagement der Dresdner Eltern und Hebammen gelohnt hat.“ Das sieht ihre Kollegin Heike Höhle ähnlich: „Die Geburtenprämie ist ein gutes Zeichen. Bei aller Freude darf man jetzt aber nicht darüber hinwegsehen, dass es nur eine kurzfristige Lösung ist.“

Wie lange die Prämie gilt, da will sich noch niemand festlegen. Fest steht aber, dass sie dringend notwendig ist. „Prinzipiell hat der Hebammenberuf – sowohl als selbstständige Arbeit als auch im Angestelltenverhältnis – an Attraktivität eingebüßt“, räumt Dominic Heyn, Referent der Dresdner Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann (Linke) ein. Das hat viele Gründe. Robert Manu vom Deutschen Hebammenverband kritisiert vor allem die ungerechte Bezahlung für alle Hebammen. Über- und Bereitschaftsstunden würden nicht vergütet, freiberufliche Hebammen seien gezwungen, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die zudem immer teurer werde, während die Verdienste der Hebammen nach der sogenannten Gebührenverordnung eingefroren blieben. „So eine Haftpflichtversicherung kostet gut und gerne 8000 Euro im Jahr, die wir zunächst in Vorkasse bezahlen müssen“, berichtet Heike Höhle. „Für eine Geburt bekommen wir aber nur 640 Euro.“ Zwar können freiberufliche Hebammen seit 2015 einen sogenannten Sicherstellungszuschlag beantragen. Doch der lässt meist bis zu einem halben Jahr auf sich warten.

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„Die Lage ist prekär.“

Miserable Arbeitsbedingungen, überteuerte Versicherungen, schlechte Bezahlung und komplizierte Bürokratie: Das schreckt zusätzlich zum Fachkräftemangel viele potenzielle Auszubildende ab. Die Folge: „Kleine Kreißsäle schließen, werdende Mütter finden keine Hebamme mehr und müssen zur Grundversorgung ins Krankenhaus gehen. Dabei sind die Kliniken personell gerade noch in der Lage diese abzusichern – wenn überhaupt“, kritisiert Stephanie Hahn-Schaffarczyk, Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbandes. „Eine individuelle und ganzheitliche Schwangerschaftsvorbereitung und die freie Wahl des Geburtsortes, wie es jede Schwangere verdient, sind so in weite Ferne gerückt und können mit kurzfristigen Maßnahmen nicht bereitgestellt werden“, so Hahn-Schaffarczyk und fasst zusammen: „Die Lage ist prekär.“

Auch im Hebammenhaus müssen teilweise Frauen abgewiesen werden. „Es ist schon schwer, Nein zu sagen, aber wir wollen den Frauen Qualität statt Quantität zusichern. Das geht leider nur mit sechs bis acht Schwangeren im Monat“, berichtet Sophia Laudien, ebenfalls Hebamme in der Praxis. Viele Frauen bleiben in dieser aufregenden Zeit der Schwangerschaft allein und müssen auf die Unterstützung einer Hebamme verzichten. Das schürt natürlich Unmut bei den Dresdner Eltern. Vor allem die sächsische Landeshauptstadt mit mehr als 8000 Geburten pro Jahr und fast doppelt so vielen Hausgeburten wie im Bundesdurchschnitt ist auf ihre Hebammen angewiesen.

Angespornt von so vielen Missständen in der Geburtshilfe hat sich der Dresdner Verein „Gut ins Leben“ gemeinsam mit Eltern und Hebammen für die Geburtshilfeprämie engagiert. „Es ist schön zu sehen, dass nach all den Jahren des Stillstandes endlich Bewegung in die Sache kommt und dass so wenig Menschen trotzdem etwas so Großartiges durchgesetzt haben“, resümiert Carolin Böhling. Die Geburtshilfeprämie soll den Hebammen zumindest finanziell unter die Arme greifen. „Die Idee ist großartig und auch die Lokalpolitik ist hier für ihr Engagement zu loben“, fügt Heike Höhle hinzu. „Allerdings sollte das nur ein Stein des Anstoßes sein. Wir hoffen auf langfristige Lösungen.“

Von einer Akademisierung des Hebammenberufs, so wie es der Deutsche Hebammenverband vorschlägt und die Europäische Union mit einer Umsetzung bis 2020 gesetzlich fordert, halten die Geburtshelferinnen nichts. „Der Beruf der Hebamme ist Handwerk und Kunst zugleich“, so Höhle und verweist auf die starre Vergütungsvereinbarung, „Durch ein Studium ändert sich für uns Freiberuflerinnen gar nichts.“

Heike Höhle und ihre Kolleginnen wünschen sich vor allem Erleichterungen in ihrem Berufsalltag. Eine Sonderkarte zum kurzzeitigen Parken zum Beispiel, wie Carolin Böhling vorschlägt: „Finden Sie mal in der Neustadt auf die Schnelle einen Parkplatz. Bis dahin ist das Kind schon da.“

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„Das Geld für die Prämie müsste eigentlich von den Krankenkassen kommen, nicht vom Steuerzahler“

Die Hebammen sind sich außerdem einig, dass die Krankenkassen mehr in die Pflicht genommen werden müssen. „Das Geld für die Prämie müsste eigentlich von den Krankenkassen kommen, nicht vom Steuerzahler“, so Höhle und kritisiert die Fixierung des ganzen Gesundheitssystems auf die Rentabilität von Gesundheitsleistungen, auch von Geburten. „Geburt sollte keine Luxusware sein“, ergänzt ihre Kollegin Sophia Laudien. Diese Meinung teilt auch Stephanie Hahn-Schaffarczyk vom Sächsischen Hebammenverband. „Die Politik muss sowohl auf die Krankenkassen als auch auf die Kliniken Druck ausüben, um bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechtere Bezahlung herzustellen“, meint die Vorsitzende.

Generell finden die Geburtshelferinnen aus dem Hebammenhaus auf der Louisenstraße die Geburtshilfeprämie gut. „Ich fühle für meinen Beruf jetzt schon ein bisschen mehr Wertschätzung und könnte mir auch vorstellen, mehr Wochenbetten zu betreuen, wenn die Prämie bleibt“, so Carolin Böhling. Auch der Verband ist positiv gestimmt, will die Prämie aber auch in Zukunft auf Bundesebene etabliert sehen. Bisher gibt es die sie nur in wenigen deutschen Städten, so in Stuttgart, Marburg und Weil am Rhein. „Dresden kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen und ganz konkret dazu beitragen, dass der Hebammenberuf wieder attraktiver wird“, so Stephanie Hahn-Schaffarczyk, „Geboren wird immer, das Wie ist dabei sehr wichtig.“

Von Carolin Seyffert

DNN

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