Stadttauben-Initiative Dresden

Missverstandene Tiere: Dresdner Verein kümmert sich um Stadttauben

Jodie Lentwojt und Sebastian Genz von der Stadttauben-Initiative Dresden kümmern sich in einem Taubenschlag am Bahnhof Mitte um rund 300 Tiere.

Jodie Lentwojt und Sebastian Genz von der Stadttauben-Initiative Dresden kümmern sich in einem Taubenschlag am Bahnhof Mitte um rund 300 Tiere.

Dresden. Stadttauben sind alles andere als beliebt. Sie gelten als Krankheitsüberträger, die überall ihren Kot hinterlassen und sich viel zu schnell vermehren. Den Spitznamen „Ratten der Lüfte“ tragen sie nicht zuletzt aufgrund dieses Rufs. Jodie Lentwojt und Sebastian Genz kümmern sich dennoch um sie. Die beiden sind ehrenamtliche Vorstandsmitglieder der Stadttauben-Initiative Dresden e. V. Der 2018 gegründete Verein setzt sich für das Wohl der ungeliebten Tiere ein. Dafür betreut er insgesamt drei Taubenschläge und zwei Volieren in Dresden und im Umland, in denen die Vögel unterkommen können.

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Der größte dieser Taubenschläge befindet sich am Bahnhof Mitte, unter dem Dach eines Einrichtungshauses. Versteckt hinter einer Tür und einem Vorhang aus dicken Planen, haben rund 300 Stadttauben ein neues Zuhause gefunden. Dort will der Verein ihnen einen sicheren Brutplatz bieten und sie damit gleichzeitig aus dem öffentlichen Raum herausholen. Die Tauben lassen sich von Lentwojt und Genz nicht stören, als die beiden inmitten von lautem Gurren und Flügelschlagen den Raum betreten. Durch geöffnete Fenster können die Vögel jederzeit ein- und ausfliegen, halten sich aber trotzdem den Großteil des Tages drinnen auf. Täglich kommen die rund 30 Freiwilligen des Vereins hierher, versorgen die Vögel mit Futter und Wasser, bereinigen den Dreck, den die Tiere hinterlassen, oder befüllen zum Badetag eine Wanne mit Wasser, in der die Tauben planschen können.

Unter einem Dach finden die Tauben Futter, Wasser und Regale, in denen sie ihre Nester bauen können.

Unter einem Dach finden die Tauben Futter, Wasser und Regale, in denen sie ihre Nester bauen können.

Der Kern ihrer Arbeit ist aber der Eiertausch. Dabei werden die Eier aus den Nestern durch Gipseier ausgetauscht, damit der Taubenbestand nicht immer weiter wächst. „Wenn diese Tauben alle schlüpfen würden, wäre das eine enorme Menge an Tieren“, sagt Lentwojt. So würden aber pro Jahr nur zwei bis sechs Vögel im Taubenschlag zur Welt kommen. „Es braucht immer mal ein paar Jungtiere, damit die Tauben wissen, dass hier ein sicherer Platz zum Brüten ist und sie sich niederlassen können“, meint Genz. Die beiden finden, dass die Arbeit ihres Vereins letztendlich allen Beteiligten nützt. Die Tauben würden hier artgerecht verpflegt und störten dadurch auch weniger Menschen auf der Straße. „Theoretisch müsste jeder Bürger auf unserer Seite sein – egal ob Taubenliebhaber oder Taubengegner.“

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Von Menschen misshandelt

Dennoch erhalten Lentwojt und Genz für ihre Vereinsarbeit auch Gegenwind. Das Wohl der Stadttauben scheine viele nicht zu interessieren, sagen die beiden. Misshandlungen der Tiere durch Menschen seien keine Seltenheit. „Das geht von Absperrband, das ihnen um die Füße gewickelt wird, über Schusswunden durch Luftgewehre bis hin zu Leuten, die die Köpfe der Tauben mit Graffiti besprühen“, erklärt Genz. „Tierschutz wird bei Tauben regelmäßig mit Füßen getreten.“

Auch die Maßnahmen, die die Stadt Dresden ergreift, um den Taubenbestand zu regulieren, sehen Lentwojt und Genz kritisch. So ist es im öffentlichen Raum verboten, Tauben zu füttern. Die Tiere würden laut Lentwojt und Genz dann Essensreste von der Straße fressen oder qualvoll verhungern. Einen Erfolg des Fütterungsverbotes sehen sie nicht. Von der Stadt heißt es auf Anfrage der DNN, dass es keine Statistiken zum Erfolg des Fütterungsverbotes gäbe. Auch Zahlen zu der Menge an Stadttauben, die in Dresden leben oder zu den Schäden, die sie mit ihrem Kot anrichten, gibt es offenbar nicht.

Jodie Lentwojt hält das Fütterungsverbot für Tierquälerei, die Thematik geht ihr sichtlich nah. „Ich würde mir wirklich wünschen, dass jemand vom Stadtrat so ein ausgehungertes Tier mal in der Hand hat und merkt, wie das ist, wenn man ihm beim Sterben zusieht.“

Nach einer Verletzung wird diese Taube gerade eingewöhnt, bevor sie wieder ins Freie entlassen werden kann.

Nach einer Verletzung wird diese Taube gerade eingewöhnt, bevor sie wieder ins Freie entlassen werden kann.

Für ausgehungerte und verletzte Tauben hat die Stadttauben-Initiative eine Notfallgruppe eingerichtet. Per E-Mail oder Facebook können Leute melden, wenn sie einen Vogel in Not entdeckt haben. Dass Tauben sich verletzen, passiert häufig. Nicht nur durch Menschen, sondern auch durch Verkehrsunfälle oder Angriffe von Krähen, Hunden und Katzen kommen viele der Tiere zu Schaden. Laut Lentwojt und Genz gehen deshalb zwei bis drei Notrufe pro Tag bei ihnen ein.

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Die gefiederten Patienten werden dann entweder zum Tierarzt gebracht oder kommen privat bei den Ehrenamtlichen der Stadttauben-Initiative unter. Die Kosten für Pflege und Tierarzt zahlen die Freiwilligen aus eigener Tasche oder über Spenden. „Das sind emotionale Belastungen, die wir alle neben unserem normalen Berufsalltag noch haben“, sagt Lentwojt. Oft sei lange unklar, ob die Taube ihre Verletzungen überleben wird. Nicht jeder könne damit umgehen, wenn eine Taube, die man lange gepflegt hat, stirbt.

Tauben werden unterschätzt

Lentwojt, Genz und die Stadttauben-Initiative wollen sich weiterhin für Tauben einsetzen. „Wir wollen einfach an der Situation der Tiere hier etwas ändern. Wir wollen nicht mehr zusehen, wie schlecht es ihnen geht.“ Dafür sei der Verein weiterhin auf freiwillige Helfer und Spenden angewiesen. In den vergangenen Jahren konnte er stetig wachsen. „Ich habe das Gefühl, dass ich hier in Dresden mit der Arbeit, die ich mache, auch etwas bewegen kann“, sagt Lentwojt. Das sei einer der Gründe, warum sie sich bei der Initiative engagiert. Sebastian Genz kam vor allem durch seine Faszination für Tauben zum Verein. „Ich habe sie beobachtet und fand das total spannend. Das hat mich dann dazu bewogen, etwas für sie zu ändern, denn sie haben keinen guten Ruf.“

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Dabei würde gar nicht alles stimmen, was man den Tieren anlastet. Dass Tauben etwa Krankheiten auf den Menschen übertragen, hat sich als falsch erwiesen. Selbst für die Vogelgrippe seien sie weniger empfänglich als andere Vogelarten. Für Jodie Lentwojt und Sebastian Genz sind Tauben liebenswerte Tiere. „Sie sind unglaublich schlau, können sich sogar Gesichter merken. Und sie sind sehr sozial und suchen die Nähe zum Menschen. Leider werden sie oft unterschätzt.“

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Internet: stadttauben-initiative-dresden.de

DNN

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