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Zwischenbericht vorgestellt

Aufklärung der Missbrauchsvorfälle bei der Parkeisenbahn Dresden wirft Fragen auf

Sie wollen die Missbrauchsfälle aufklären: Christian Striefler, Heike Mann, Thomas Giesen und Joachim Breuninger.

Sie wollen die Missbrauchsfälle aufklären: Christian Striefler, Heike Mann, Thomas Giesen und Joachim Breuninger.

Dresden. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, fasst Martin L.* sein Resümee der im „Zwischenbericht über ein vorläufiges Kinderschutzkonzept anlässlich eines Vorfalls sexuellen Missbauchs bei der Dresdner Parkeisenbahn“ getätigten Aufarbeitung zusammen. Martin L., das ist der Vater von Henry L.*, einem heute 17 Jahre alten Jungen, der genau vor einem Jahr massive sexuelle Übergriffe durch den Parkeisenbahner Tilo H. angezeigt hatte. Der taucht im Bericht unter dem Kürzel „MA3“ auf, als einer von vier auffällig gewordenen Mitarbeitern. In dem Papier selbst wird ein versöhnliches Fazit gezogen: Es ist dort vom „Fehlverhalten Einzelner“ die Rede, ein institutionelles Versagen der Schlösser, Burgen und Gärten gGmbh (SGB), zu der die Parkeisenbahn gehört, könne nicht begründet werden. Martin L. hat daran so seine Zweifel und auch die Lektüre des Berichts wirft Fragen auf. Die gravierendste von allen: Warum wurde nicht früher etwas gegen den Kindesmissbrauch durch Tilo H. getan, der sich kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2016 das Leben nahm?

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Es ist die Frage, die Martin L. vor allem umtreibt. Gelegenheiten gab es schließlich genug. Etwa 2010, als zwei Jungen sich bei der damaligen Geschäftsstellenleiterin des Großen Gartens über Tilo H. beschwerten. Sie konfrontierte den seit 1987 bei der Parkeisenbahn tätigen Elektriker mit den Vorwürfen, der sie abstritt. Damit war der Fall für die inzwischen in Rente gegangene Leiterin offenbar erledigt. Nicht einmal ein Protokoll habe sie erstellt, ein schwerer Fehler, wie der Rechtsanwalt Thomas Giese sagt. Der frühere sächsische Datenschutzbeauftragte ist von SBG-Chef Christian Striefler mit der Aufklärung beauftragt. Auch Striefler spricht von einem „Fehlverhalten“.

Der wegen seiner aufopferungsvollen Tätigkeit für die Parkeisenbahn sehr beliebte Tilo H. konnte weitermachen. In anderen Fällen funktionierten dagegen die Mechanismen. Ein Mitarbeiter musste gehen, nachdem er eine 13-Jährige 2013 nach Mitternacht im Auto mitgenommen hatte. Ein anderer 2014, weil er eine „unangemessene Beziehung zu einem Parkeisenbahner“ unterhielt, wie es im Bericht heißt. Zuletzt wurde einem 21-Jährigen die Selbstanzeige nahegelegt, weil er im November 2016 Nacktbilder von sich an Minderjährige verschickt hatte und um Rücksendung entsprechender Fotos gebeten hatte.

Tilo H. hingegen durfte auch bleiben, nachdem sein Name im Zuge eines Strafverfahrens nach Anzeige durch das Jugendamt 2014 erneut auftauchte, wie aus den DNN vorliegenden Unterlagen hervorgeht. Demnach suchte der damals 37-Jährige Kontakt zu zehn- bis 14-jährigen Jungen, mit denen er auch privat Ausflüge und Urlaubsfahrten unternahm. Manchmal habe er Nähe beim Zelten gesucht, manchmal nicht genügen Betten gebucht, so dass einer der Jungen in seinem Bett schlafen musste. Seine Lieblingskinder wurden „Tilokinder“ genannt. Zwei von ihnen sind heute Jugendschutzbeauftragte bei der Parkeisenbahn, darunter einer, der laut Unterlage mehrere Monate bei Tilo H. gewohnt haben soll. „Wie kann es sein, dass die nichts von Tilo H.s Treiben bemerkt haben wollen?“, fragt Martin L.

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Der Vater von Henry L., der Tilo H. außer schwerer Vergewaltigung und dem Filmen seiner Taten so ziemlich alles vorwirft, was der Missbrauchsparagraf umfasst, hat gemeinsam mit seinem Sohn eine Internetseite erstellt, bei der sich andere Opfer melden können. Zwei andere Opfer von Tilo H. hätten sich auf Nachfrage gemeldet, die Vorwürfe bleiben aber eher diffus. Auf der Internetseite hat Henry L. einen Appell veröffentlicht. „Ihr müsst darüber reden“, fordert er. Auch wenn manche Erwachsene nicht hören wollen, „weil es nicht in ihre heile Welt passt“. Es ist der Vorwurf, der bei all dem mitschwingt: Haben bei der Parkeisenbahn zu viele, zu oft weggesehen?

Darauf deutet manches hin. Zumindest gibt es einen zweiten klaren Fehler, wie der während der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts sichtlich nervöse Striefler einräumt. Bereits 2014 gab es das Angebot der Beratungsstelle zur Prävention sexuellen Missbrauchs Shukura, ein Kinderschutzkonzept zu erstellen. Da man die beiden betreffenden Mitarbeiter nicht weiter beschäftigt habe, hielt man es nicht für nötig, sagt Striefler. „Im Nachhinein betrachtet eine Fehlentscheidung“, wie er anfügt.

Es gibt weitere Vorfälle, die im Bericht eher ungenau angeschnitten werden, etwa den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen einer damals 15-Jährigen und einem Erwachsenen in einer Parkeisenbahn-Umkleide im Jahr 2012. „Aus heutiger Sicht hätte man diesen Vorfall anzeigen müssen“, steht im Bericht. Das hat man aus unklaren Gründen jedoch nicht getan. Dass so vieles im Vagen bleibt, hat wohl auch mit dem Zustandekommen des Berichts zu tun. Er habe nicht investigativ gearbeitet, sagt der Beauftragte Giesen, sondern auf Meldung Betroffener gewartet. Weiterhin hat man 173 von Shukura erstellte Fragebögen an Familien minderjähriger Parkeisenbahner und weitere 120 an Ehemalige geschickt. 82 beziehungsweise 23 kamen ausgefüllt zurück. „Das ist für mich der falsche Ansatz, man müsste aktiv ermitteln“, sagt Marin L.

Die Dresdner Parkeisenbahn steht vor einem Kulturwandel

initiative-dpe.de

*Namen der Beteiligten geändert

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Von Uwe Hofmann

DNN

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