Dresdner Baugeschichte

Abschied vom alten Dresdner Fernmeldeamt

Das Fernmeldeamt am Postplatz ist entkernt und wird abgerissen. Der Termin steht noch nicht fest.

Das Fernmeldeamt am Postplatz ist entkernt und wird abgerissen. Der Termin steht noch nicht fest.

Dresden. Nein, sagt Martin Neubacher, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baugeschichte der Technischen Universität und Mitinitiator der Werkstatt Baukultur. Ein Profanbau sei das Fernmeldeamt am Postplatz wirklich nicht. Mit diesem Gebäude, 1978 bis 1981 errichtet, sei Dresden in der Postmoderne angekommen. Nein, es handele sich auch nicht um einen Plattenbau. Im Gegenteil, das Fernmeldeamt stelle mit seinen Sandsteinelementen durchaus Bezüge zum benachbarten Zwinger her.

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Schön? Da gebe es einen Zwiespalt beim Betrachter, meint Architektur-Studentin Emily Winkler. „Man sieht erst auf den zweiten Blick, dass das Gebäude etwas Besonderes ist, etwas Geheimnisvolles ausstrahlt.“ Die hässlichen Brandwände mitten in der Fassade? Den ökonomischen Verhältnissen in der DDR geschuldet. Das Fernmeldeamt ist nur Teil eines großen Planes, der mangels Finanzen nie verwirklicht wurde. Sechs Bauabschnitte am Postplatz sollten es werden, am Ende blieb nur ein Sechstel übrig. Aus dem Zwillingsgebäude und einem für DDR-Verhältnisse riesigen Parkdeck wurde nichts.

Nun wird bald auch das Sechstel verschwinden, bedauert Neubacher. Am Freitag lud der Wissenschaftler gemeinsam mit dem Verein Ostmodern zur Führung durch das bereits entkernte Gebäude ein, das einem Neubau weichen muss. Der Abrisstermin steht noch nicht fest, aber man wolle einen Abgesang anstimmen auf ein eigenwilliges Bauwerk, erklärte Neubacher die Idee. Winkler und ihr Kommilitone Claudio Döring stellten dabei die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeiten vor.

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Döring hat sich mit der Baugeschichte des Postplatzes befasst, der mit Oberpostdirektion und Telegrafenamt vor 1945 tatsächlich ein Platz für postalische Dienstleistungen war. Nach 1945 hat sich der Platz mit trauriger Kontinuität entwickelt: Es gab jede Menge hochfliegende Planungen und sogar einen Generalbebauungsplan von 1967, aber verwirklicht wurde wenig. Das erinnert an das Geschehen nach 1990, als der kühne Schürmann-Plan auch nur in wenigen Elementen umgesetzt wurde.

Winkler leistete teilweise detektivische Arbeit und recherchierte, dass nicht etwa die Staatssicherheit im Fernmeldeamt saß, sondern die Nationale Volksarmee eine Etage für den Aufbau einer Art Behördennetz zur Verfügung hatte. Wegen der damit verbundenen Geheimhaltung sind kaum noch Unterlagen zu finden. Dafür hat die 22-jährige Studentin aus Chemnitz mit Wolfgang Starke den Architekten ausfindig gemacht und auch mit ihm gesprochen. 23,5 Millionen DDR-Mark durfte Starke für das Gebäude ausgeben, erzählte er der jungen Frau. Auftraggeber sei die Deutsche Post gewesen. Während in Prohlis und Gorbitz standardisierte Wohngebäude aus dem Boden gestampft worden wären, habe ein Architekt für die Post durchaus individuelle Entwürfe vorlegen können.

Matthias Hahndorf, Sprecher des Vereins Ostmoderne, findet den geplanten Abriss des Gebäudes schade. „Im Inneren ist es ein profaner Bau“, stellte er nüchtern fest, „und ein Wandel der Nutzungen in der Innenstadt ist ein normaler Prozess.“ Aber Gebäude aus den 1980er Jahren hätten es schwer in Dresden. Das Hotel Bellevue, das Hilton am Neumarkt und die Wohnbauten am Albertplatz – viel mehr sei nicht übrig geblieben. Der Investor habe eine Umnutzung des Gebäudes geprüft und verwerfen müssen, so Hahndorf. „Dennoch halte ich es für traurig, dass die Zeitzeugnisse dieser Epoche aus dem Stadtbild verschwinden.“

Kühne Visionen, erklärt Neubacher, gab es längst nicht nur für den Postplatz. Am damaligen Fucikplatz und heutigen Straßburger Platz habe es Pläne für ein Hochhaus mit angeschlossenem Sport- und Kongresszentrum für 8000 Personen gegeben. Doch die Mittel seien in den Wohnungsbau und nach Ostberlin geflossen. Dresden ging leer aus. Wie am Postplatz, wo das Fernmeldeamt einsam als Solitär entstanden ist und nun auf den Abrissbagger wartet.

Von Thomas Baumann-Hartwig

DNN

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