Wann ist Schimmel auf Lebensmitteln schlecht – und wann gut?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QTUBKC5OKRHFLIOAMJVY2W56V4.jpg)
Auf Schimmelkäse wächst Edelschimmel – und der ist nicht gesundheitsschädlich.
© Quelle: Mauro Tandoi/Pixabay
Das Farbspektrum ist ein Fall für die Kunst: Schattierungen von Blau und Grün sind durchsetzt mit weißen oder grauen Sprenkeln. Hier und da zeigen sich schwarze Stellen, die ein Muster bilden. Manchmal ist die Oberfläche pelzig, manchmal wirkt sie wie mit weißem Schnee überzogen. Wer jemals einen angebrochenen Joghurt im Kühlschrank oder ein Toastbrot in der Vorratskammer vergessen hat und erst lange nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums wiederentdeckt, ist oftmals ebenso fasziniert wie angewidert vom Schimmel, der sich gebildet hat.
Tatsächlich hat der Prozess des Verderbens immer wieder Künstlerinnen und Künstler inspiriert. Von den Vanitas-Stillleben im Barock bis hin zu moderner Fotografie oder den „Schimmelbildern“ des Schweizer Künstlers Dieter Roth reicht die Palette. Doch auf dem eigenen Teller verlieren gammelige Lebensmittel schnell an Ästhetik – es sei denn, der Schimmel gilt als edel. Doch wo verlaufen die Grenzen zum Ekligen?
„Schimmel ist nichts, vor dem man Panik haben muss“
Schimmelpilze sind überall. Das bestätigt der Mikrobiologe Martin Kirchmair von der Universität Innsbruck in Österreich. Er ist Experte für Schimmelpilze. „Schimmel ist nichts, vor dem man Panik haben muss“, sagt er. Der Pilz verbreite sich mithilfe von Milliarden von Sporen über die Luft. Allein mit jedem Atemzug nehmen wir Tausende davon auf. Lebensmittel sind meistens schon längst mit Schimmel kontaminiert, bevor sich auf der Oberfläche der erste weiße oder grüne Flaum bildet.
Problematisch wird Schimmel auf Lebensmitteln erst, wenn die ersten Flecken entstehen. Das Bundeszentrum für Risikobewertung (BfR) rät ausdrücklich davon ab, solche Produkte noch zu essen – es droht Vergiftungsgefahr. Das Problem: Für das menschliche Auge unsichtbar hat der Schimmelpilz längst sein Myzellengeflecht durch das Lebensmittel gesponnen. Dennoch lassen sich viele Menschen täglich ihr Brötchen mit Schimmelkäse schmecken oder genießen Salami mit weißem Schimmelrand auf dem Brot. Auf und in diesen Lebensmitteln wächst Edelschimmel – und dieser unterscheidet sich vom gesundheitsschädlichen Schadschimmel.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DMGOZCVWFNFMJBUMXEZCJBR5CM.jpg)
Das Leben und wir
Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Schadschimmel schon in geringen Mengen schädlich
Der Schadschimmel, der auf unserem Toastbrot wuchert, ist ungesund, weil er natürliche Gifte produziert. So verteidigt der Organismus seine Nahrungsquelle gegen andere Pilze und Bakterien. Diese sogenannten Mykotoxine können schädlich für den Menschen sein. Und das laut BfR sogar schon in geringen Mengen. Mykotoxine greifen demnach Leber oder Nieren an, schädigen das Nervensystem, können zu Haut- sowie Schleimhautschäden führen und das Immunsystem beeinträchtigen. „Das Schimmelgift Aflatoxin kann beispielsweise zu Leberkrebs führen“, erläutert Mikrobiologe Kirchmair.
Andere Beispiele für schädlichen Schimmel sind das auf verschimmelten Früchten nachweisbare Patulin und das in Getreide auftretende Ochratoxin A. Es sind bisher Hunderte verschiedene Mykotoxine bekannt – die Wirkungsweisen auf den Organismus können bei jedem unterschiedlich sein. Das Mykotoxin Zearalenon habe beispielsweise ähnliche Eigenschaften wie Östrogen, sagt Kirchmair. Edelschimmel produziert solche Gifte nicht, „oder nur in so geringen Mengen, dass die Stoffe vollkommen unbedenklich sind“, sagt Kirchmair.
Edelschimmel: Ein Produkt jahrhundertelanger Züchtung
Edelschimmelpilzstämme sind das Produkt einer oft jahrhundertelangen Züchtung. Lebensmittel werden vor dem Reifungsprozess mit dem Schimmel geimpft. Das kann bei Käse bereits mit der Rohmilch passieren, je nach Sorte aber auch erst mit den gereiften Käselaiben. „Bei einigen Käsesorten bildet der Schimmel dann eine Schutzschicht und fördert den Abbau von Fett und Eiweiß. Daher reifen Weichkäse auch von außen nach innen“, erklärt Käsesommelière Melanie Koithahn. Außerdem ernähren sich einige Pilze vom Milchzucker der Rohmilch, sodass Schimmelkäsesorten oftmals auch für Menschen mit Laktoseintoleranz gut verträglich sind. „Je nach Schimmelart entwickeln sich während der Reifung Geschmacksnoten von fruchtig-hefig über Aromen nach frischen Champignons bis zum Geschmack von Steinpilzen oder Trüffeln“, beschreibt Koithahn den Geschmack des Edelschimmels.
Edelschimmel lässt sich allerdings nicht mit bloßem Auge von Schadschimmel unterscheiden. Auch Salami, Camembert und Co. können von schädlichen Sporen befallen werden. Experten sprechen in diesem Fall von sortentypischem und sortenfremdem Schimmel. Bestehen Zweifel, um was es sich handelt, rät Koithahn dazu, die Finger davon zu lassen. Unterschiedliche Käsesorten sollten grundsätzlich in separaten Verpackungen aufbewahrt werden, um „echtem“ Schimmelbefall vorzubeugen. Wichtig ist es zudem, Temperaturschwankungen zu vermeiden und auf Sauberkeit und Hygiene zu achten.
Je mehr Wasser ein Lebensmittel enthält, desto leichter können sich Giftstoffe verteilen
Das BfR rät dazu, der Bildung von Schadschimmel auf Lebensmitteln durch sachgemäße Lagerung vorzubeugen. Denn unser Essen bietet einen idealen Nährboden. Dort finden die Organismen Kohlenhydrate, pflanzliche und tierische Fette sowie organisch und anorganisch gebundenen Stickstoff – Stoffe, die sie zum Überleben und zum Wachsen brauchen. Stimmen dann noch Temperatur, pH-Wert und Wassergehalt, fühlen sich Schimmelpilze besonders wohl.
Je mehr Wasser ein Lebensmittel enthält, desto leichter können sich die gefährlichen Giftstoffe überall verteilen. Je luftiger ein Lebensmittel ist, desto besser kann sich der Schimmelpilz unsichtbar im Inneren ausbreiten. „Schimmelpilze wachsen nicht nur an der Oberfläche, sondern können auch tief in das Ernteprodukt oder Lebensmittel eindringen und sich darin verteilen“, heißt es beim BfR. Das bedeutet, dass das Abschneiden oder Abschöpfen schimmeliger Stellen keine Lösung ist. Kirchmair warnt auch davor, schimmelige Früchte zum Einkochen zu nutzen: „Gifte wie das Alfatoxin sind hitzebeständig.“
Bei Hartkäse, der wenig Feuchtigkeit enthält, kann laut Käseexpertin Koithahn Schimmel auf der Käserinde allerdings abgeschnitten werden. Angeschimmeltes Obst, Gemüse, Brot oder Fleisch sollten bei einem Schimmelbefall aber grundsätzlich entsorgt und auch nicht an Tiere verfüttert werden.