Raus aus dem Opferstatus: Warum es so wichtig ist, seine eigenen Triggerpunkte zu kennen
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Selbstreflektion
© Quelle: Marc Olivier Jodoin/unsplash
Natürlich können wir in Beziehungen Opfer werden, vor allem dann, wenn wir bestimmte Themen, Persönlichkeitstypen und Verhaltensmuster noch nicht durchschaut haben. Aber wenn wir immer und immer wieder das Gleiche machen und zum Beispiel immer wieder Partnerinnen oder Partner mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen oder Bindungsstilen aussuchen, weiter Kontakt halten mit Menschen, die uns nicht guttun, und somit etablierte Ratschläge ignorieren oder ablehnen, dann kann man sich auf Dauer nicht „nur“ als Opfer sehen.
Der Vergleich zu Süchten ist an der Stelle ganz hilfreich, da dort eine ähnliche Dynamik zu sehen ist. Wir haben alle mehr oder weniger mit Süchten zu tun. Sie rauchen vielleicht jeden Tag eine Schachtel Zigaretten, merken, dass es Ihnen nicht guttut, bleiben aber in der Abwehr und reden sich ein, dass es nicht so schlimm ist, wir irgendwann sowieso alle sterben und Helmut Schmidt trotz starken Zigarettenkonsums ja auch fast 100 Jahre alt geworden ist. Wenn wir später deshalb erkranken und dann sagen können, dass es uns das wert war, dann ist ja alles gut, aber so einfach ist es in der Regel nicht. Auf unserem Bewusstseinsweg müssen wir einfach anerkennen, dass wir bei bestimmten Themen auch eine Mitverantwortung haben, sonst können wir uns einfach nicht weiterentwickeln.
Die Suche nach dem blinden Fleck
Viele Menschen nehmen sich selbst auch als Opfer wahr, werden von anderen aber eher als Täter gesehen. Diese Menschen beschreiben sich häufig auch als co-abhängig, treten aber überaus fordernd bis aggressiv auf. Das hat natürlich Gründe und oft liegt es daran, dass sie von etwas angetriggert sind. Das können menschliche Verhaltensweisen sein und man kann sich in der Regel herleiten, dass das Gegenüber vermutlich gerade im Schmerzkörper (nach Eckhard Tolle) ist. Schmerzkörper meint die Summe allen Leids, das wir im Verlauf unseres Lebens in uns ansammeln. Unseren blinden Fleck müssen wir aber alle selbst suchen. Und dort, wo unsere Täteranteile sind, sind meist unsere blinden Flecken.
Die Täteranteile sind häufig viel weniger sichtbar als unsere abhängigen Anteile. Wenn Menschen austeilen, denken sie oft, es steht ihnen zu. Wenn ich selbst betrogen wurde, dann darf ich auch betrügen, oder wenn ich einen schlechten Tag hatte, dann steht es mir zu, wütende E-Mails zu schreiben usw. Die Welt wird nicht besser, wenn wir nicht anfangen, uns auch unsere eigenen Täteranteile anzusehen. Es sind nicht immer die anderen!
Wenn alle nur noch Opfer sind
Wenn man auf Social Media unterwegs ist, hat man den Eindruck, alle sind nur noch im Opfer. Das geht sogar so weit, dass die Opfergruppen sich auch untereinander und gegenseitig bekriegen. Das Opfersein ermöglicht den Zugang zu Ressourcen, Zugang zu Aufmerksamkeit. Viele wollen diese Ressourcen einfach mitnehmen und gehen nicht in ihre volle Kraft, weil sie lieber die passive Zufuhr aus ihrem Opferstatus in Anspruch nehmen wollen.
Das alles ist ein Teil davon, warum unsere Welt so ist, wie sie ist. Das ist auch kein Vorwurf oder eine Bewertung. Jeder Mensch tut die Dinge, die er tut, aufgrund bestimmter Erfahrungen, einer bestimmten Dynamik, und die meisten glauben auch, dass dies richtig ist. Aber trotzdem kann man sich fragen, ob man in der vollen Kraft ist oder sich kleinmacht? Agiert man seine Trigger aus und geht selbst in eine Täterrolle? Macht man immer das Gleiche und sieht es nicht? Es lohnt sich, die eigenen (unbewussten) Themen anzusehen!
Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen unter www.liebeschip.de. Sein drittes Buch „Die neue Dimension der Liebe“ ist gerade erschienen.
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Expertinnen und Experten zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.