Thomas Gottschalk: „Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu einem schimpfenden alten Mann werde“
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Macht nur Dinge, die ihm Spaß bereiten: Thomas Gottschalk.
© Quelle: Thomas Banneyer/dpa
Hannover. Herr Gottschalk, Sie sprechen im neuen „Minions“-Animationsfilm einen abservierten alten Superschurken, der aussieht wie die Vogelscheuchenversion von Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant. Und dann heißt der Typ auch noch Wilder Knöchelknacker. Was hat Sie bloß an diesem Synchronjob gereizt?
Erst mal ist Robert Plant für mich eine Kultfigur. Und die „Minions“ wiederum sind Kult für eine Zielgruppe, die ich aus eigener Kraft kaum erreiche. Mir ist aber schon klar, dass die jetzt nicht aus dem Kino rennen und sagen: Großartig, wie der Gottschalk das gemacht hat. Gewisse Dinge tue ich allein deswegen, weil ich Spaß dran habe.
Synchronisieren gehört offenbar dazu?
Spätestens seit ich in „Kuck mal, wer da spricht“ das Baby gesprochen habe. Im englischen Original hatte Bruce Willis den Job übernommen. Auch den „Garfield“ habe ich mal stimmlich versorgt. Und nun habe ich diesen alten Typen übernommen. Der tut ja in gewisser Weise das, was ich ein Leben lang getan habe.
Moment, Sie waren zwar mal als „Supernase“ zusammen mit Mike Krüger unterwegs, aber nie als Superschurke.
Ich meinte, dass der Knöchelknacker den Nachwuchs an die Hand nimmt. Er coacht einen jungen Schurken. Das habe ich auch ein Leben lang getan: jungen Leuten gezeigt, wo es lang geht.
Hat die Rolle Sie womöglich noch wegen anderer Parallelen angesprochen? Im Film zeigt der alte Knacker den jungen Leuten, was er noch draufhat. So ähnlich haben Sie es bei „Wetten, dass..?“ im vergangenen Jahr auch gehalten.
Aber das war nicht meine Absicht! Ich war da mit Demut zugange. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Format auch bei jungen Leuten so gut funktioniert. Die kriegen ihre Gags als 30-Sekunden-Tapes zugespielt. Die Langstrecke einer Samstagabendshow ist nichts, was junge Leute interessiert. Aber wer mit mir unterwegs ist, muss die Langstrecke gehen.
Dem Knöchelknacker wird vom Nachwuchsschurken eine „Endlife-Crisis“ unterstellt. Hätten Sie diesen Begriff lieber streichen lassen?
Wenn ich mich einer Figur annehme, übernehme ich sie so, wie sie ist. Und eine Endlife-Crisis gibt es durchaus. Wenn du ein gewisses Alter erreicht hast, dann fängst du an zu rechnen. Meine Botschaft lautet: Man darf auch im Alter noch zu unsinnigen Dingen fähig sein. Dass das möglich ist, beweise ich. Und das tut genauso der Knöchelknacker.
Bei anderen gereiften Herren, ob sie nun Gerhard Schröder oder Tom Cruise heißen, wird ausgiebig diskutiert, ob deren Haarfarbe echt ist – oder wenigstens die Haare original. Bei Ihnen staunen die Fans, wenn Sie überhaupt mal zum Friseur gehen. Wo nehmen Sie Ihre jugendliche Ausstrahlung her?
Also ich habe mich nie um irgendeine Wirkung bemüht. Ich habe mich zeitlebens nicht besonders ernst genommen – und das, was ich beruflich gemacht habe, konnte man auch nicht ernst nehmen. Das hilft natürlich. Wäre ich ein Arzt und müsste ich die Schicksale von Patienten begleiten, wäre mir das Lachen sicher irgendwann vergangen. Aber ich habe immer nur Blödsinn gemacht, egal ob im Radio oder im Fernsehen.
Ist Ihnen das Lachen denn nie vergangen?
Inzwischen bleibt der Blödsinn ein bisschen auf der Strecke. Ich erinnere mich gern an Komiker wie Monty Python, Marty Feldman oder Louis de Funès. Das Alberne ohne tieferen Sinn wurde geschätzt. Die junge Generation erscheint mir heute doch sehr ernsthaft. Klar gibt es genügend Dinge, die man nicht locker sehen kann. Aber meine Generation hatte das Recht auf Blödeln.
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Filmfest München: Thomas Gottschalk mit Freundin Karina Mroß bei der Premiere des Kinofilms „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Passiert es Ihnen trotzdem gelegentlich, dass Sie etwas Ernsthaftes über diese erschreckende Welt sagen und nicht noch einen Spruch ablassen wollen?
Ja, da bin ich manchmal ein bisschen gespalten. Die lockeren Sprüche kamen bei mir früher aus dem Handgelenk. Ich habe sie heute immer noch auf Lager, versuche aber, sie erst mal abzuschmecken. Gerade habe ich mit Mike Krüger auf 40 Jahre „Supernasen“-Filme zurückgeblickt. Bei den Ausschnitten ist mir teilweise schwummrig geworden. In einer Filmszene lese ich aus einer Zeitung vor. Da steht geschrieben: Im Englischen Garten wird jemand gesucht, der Frauen belästigt. Und Mike antwortet: Vielleicht bewerbe ich mich. Solche Gags gehen nicht mehr – egal, ob witzig oder nicht.
Nicht all Ihre Projekte der vergangenen Jahre waren von Erfolg gekrönt. Woher nehmen Sie den Schwung, sich immer wieder in die schöne neue Medienwelt zu werfen?
Der Erfolg ist mir inzwischen egal. Die Wurschtigkeit, die ich mein Leben lang hatte, ist noch größer geworden. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Wenn ich Spaß dran habe, dann mache ich es.
Ist die heutige Showwelt mit als Viechern verkleideten Sängern, Möchtegernmodels und gierigen Investoren noch die Ihre?
Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu einem schimpfenden alten Mann werde. Da ist bei mir gewiss auch ein bisschen Neid mit dabei auf eine Generation, die es noch vor sich hat. Aber ich versuche, die Spreu vom Weizen zu trennen. Heute betrachte ich Fotos von Menschen, die ich nie in meinem Leben gesehen habe, und darunter steht: Moderator. Da frage ich mich schon, was moderiert der oder die? Kann aber gut sein, dass es irgendwelche Onlineformate sind, die ich weder gesehen habe noch sehen möchte.
Gottschalk blickt auf Karriere von 30 Jahren zurück
Beneiden Sie die jungen Kolleginnen und Kollegen auch ein bisschen, die heute so viele Plattformen haben, um sich auszuprobieren?
Ich befürchte, dass es immer noch mehr Leute gibt, die mich beneiden, als Leute, die ich beneide. Ich blicke auf eine Karriere von 30 Jahren zurück, wenn ich mal ganz bescheiden bin. Ob die Leute, die heute gerade aktuell sind, das 30 Jahre lang machen werden? Das Publikum ist so viel ungeduldiger geworden. Ich habe schadlos die eine oder andere falsche berufliche Entscheidung überlebt. Die Leute haben mir verziehen. Und dann habe ich doch wieder überzeugende Dinge abgeliefert …
…zum Beispiel mit dem „Wetten, dass..?“-Revival.
Ich hätte selbst nicht geglaubt, dass die Show in einer Zeit wie dieser 15 Millionen Zuschauer hat. Wir waren bei allen Zielgruppen vorn. Die jungen Leute haben sich darauf eingelassen. Ich habe Bauklötze gestaunt.
Sie haben in Ihrer langen „Wetten, dass..?“-Zeit keinesfalls immer nur gute Kritiken gekriegt. Eines ist Ihnen aber nie unterstellt worden: Zynismus. Hat dieser in den Medien obsiegt?
Bei den Medienmachern schon. Meiner Ansicht nach haben die Öffentlich-Rechtlichen aufgrund Ihres Auftrages die Aufgabe, Dinge zu machen, die vielleicht nicht ganz so erfolgreich sind, aber einen gewissen Anspruch erfüllen. Deshalb halte ich jeden Samstagabend-Krimi im ZDF für Zynismus. Diejenigen Sender, die ihren Mist verkaufen müssen, dürfen sich den Gesetzen des Marktes unterwerfen. Der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma hat mal gesagt: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Stimmt. Aber von einem öffentlich-rechtlichen Fernsehmacher möchte ich so einen Satz nicht hören.
So weit zum Umgang mit dem Publikum. Wie sieht es umgekehrt mit einem Fernsehprominenten aus: Hat der heute überhaupt noch die Chance auf eine faire Darstellung, wenn die Meute sich erst mal auf seine Fährte gesetzt hat?
Ich persönlich habe immer in einer Realitywelt gelebt, ohne dass ich ein Realitystar bin. Diese sogenannten Realitystars sind inszeniert. Was mich dabei so frustriert: Millionen junger Menschen verplempern ihre Zeit damit, solchen Leuten nachzulaufen und ein Leben zu imitieren, das sie nie leben werden. Diese Influencer kassieren Geld für Dinge, die sie sich gar nicht leisten können. Aber darüber kann ich mich nur lustig machen, weil ich ein gewisses Alter erreicht habe. Wer in diesem Zirkus mitspielen möchte, muss wahrscheinlich auch diesen Gesetzen folgen. Ich musste das nie. Und das ist das große Glück meines Lebens.
Warum haben Sie kürzlich Boris Becker in Schutz genommen, als er wegen Insolvenzverschleppung verurteilt wurde?
Meine Achtung für ihn wird sich nicht dadurch erledigen, dass er im Leben versagt hat. Er war ein großartiger Tennisspieler.
Mit welchen Gefühlen betrachten Sie ein öffentliches Ehescharmützel wie jenes zwischen Johnny Depp und Amber Heard?
Es gibt da einen alten Spruch meiner Mutter: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Das Leben der beiden ist mir völlig egal, solange ich mein eigenes Leben habe. Ich werde nie vergessen, wie der niederländische Fernsehproduzent John de Mol mit mir in einer Barke durch Amsterdam geschippert ist und mir erklären wollte, warum „Big Brother“ so toll ist. Ich habe damals schon gesagt: Mein Gott, die Leute sollen zu Hause in ihre eigene Dusche gehen und nicht fremden Leuten beim Duschen zuschauen.
Aus Ihnen scheint vor allem eines zu sprechen: innere Freiheit.
Ja, aber die habe ich mir über die Jahre erworben. Diese Wahnwelt des Internets muss ich nicht betreten. Deshalb existiert sie auch nicht für mich. Ich habe kurzfristig getwittert und gemerkt, du kommst relativ schnell in eine Abhängigkeit von Menschen, die du weder kennst noch kennen willst.
Noch mal ganz kurz zu „Wetten, dass..?“: Würden Sie darauf wetten, dass Sie sich bei der nächsten Ausgabe am 19. November die Namen all jener Gäste merken können, die in der Show so aufopferungsvoll Wetten abliefern?
Die Namen wird man mir aufschreiben. Ich war noch nie dafür berühmt, dass ich Namen auswendig gelernt habe. Aber noch jeder, der mir im Fernsehen gegenübersaß, hat gewusst, wann er gemeint war.
Wüssten Sie eine schöne Wette, bei der eiförmige Typen mit Taucherbrille im Gesicht, einer Vorliebe für Bananen und mit begrenztem Verstand im Zentrum stehen?
Bei so einer Wette würde das ZDF wahrscheinlich sagen: Das können wir nicht machen, weil der Gottschalk gerade bei den „Minions“ synchronisiert hat. Da sind die ZDF-Zuständigen immer noch auf dem Wege des Guten und des Rechts wie die „Minions“ auch.
Das neue „Minions“-Abenteuer startet heute (30. Juni) in den Kinos.