Theater bleiben nach Notbremse geschlossen – trotz Inzidenzen unter 50
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Kein Einlass: Das geschlossene Residenztheater in der Münchener Innenstadt. Theater, Kinos, Biergärten, Konzertsäle und die Außengastronomie werden ab dem 22.03.2021 nicht öffnen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Um Mitternacht, Punkt 0 Uhr, sollten am Montag die beiden Musiker der Band Katharr die Bühne des Münchner Volkstheaters betreten. Es wäre das erste Livekonzert der Stadt nach langer, langer Zeit gewesen. Danach sollte die Premiere von „Macbeth“ folgen. Doch bevor der Kulturmotor wieder langsam anlaufen kann, ist in München und auch anderenorts schon wieder die Notbremse gezogen worden.
Wie viele andere Regionen in Deutschland hat auch das Land Bayern den Schwellenwert bei den Corona-Zahlen überschritten: 100,8 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitag für den Freistaat. Schon am Donnerstagabend teilte das Gesundheitsministerium mit, dass es angesichts der steigenden Zahlen keine weiteren Öffnungen geben wird. Biergärten, Kinos und Theater müssen geschlossen bleiben, auch in den wenigen Landkreisen mit niedrigeren Werten.
Die sogenannte Notbremse ist ein Bestandteil der fünf Öffnungsschritte, auf die sich Bund und Länder beim letzten Corona-Gipfel geeinigt haben. Im Schritt Nummer vier ist vorgesehen, dass ab Montag bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner Theater, Konzert- und Opernhäusern sowie Kinos öffnen dürfen. Bei einer stabilen oder sinkenden Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen können die Bereiche auch weiterlaufen – allerdings dann nur mit einem tagesaktuellen negativen Corona-Test. So weit die Theorie.
Gute Zahlen reichen nicht aus
Doch gute Zahlen reichen in der Praxis nicht, um die Türen der Kinos und Theatersäle öffnen zu dürfen. Beispiel Rottweil: In der ältesten Stadt Baden-Württembergs liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit um die 29. „Für uns gab es aber trotzdem keine Öffnungsoption“, sagt die Leiterin des Zimmertheaters Bettina Schültke dem RedaktionsNetzwerk Deutschand (RND). Tatsächlich sieht die Landesverordnung Öffnungsoptionen gar nicht vor, wie der Südwestrundfunk berichtet. Daher können selbst Kreise, in denen die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt noch unter der 50er-Marke lag, nicht planen, wie Sprecher etwa des Neckar-Odenwald-Kreises sowie der Landkreise Rottweil und Tübingen mitteilten. „Die Nerven liegen langsam blank“, sagt auch Schültke. „Wir proben wie die Verrückten und ständig ändert sich etwas.“
Auch in Rheinland-Pfalz sieht die Landesverordnung keine weiteren Öffnungsoptionen vor. Dort wartet man gespannt auf die Ergebnisse des Corona-Gipfels am Montag. Auch in ganz Mecklenburg-Vorpommern bleiben Gastronomie, Theater und Kinos bis auf Weiteres geschlossen, egal wie hoch die Werte sind. Auf diese Regelung haben sich Landesregierung und Kommunen geeinigt, heißt es auf Anfrage der „Ostsee-Zeitung“ am Freitag aus der Schweriner Staatskanzlei. Damit fällt auch die für Montag erwartete Premiere im Volkstheater Rostock aus. Alles war vorbereitet, alles geprobt. Doch das Schauspiel „Jugend ohne Gott“ wird nicht zu sehen sein. Intendant Ralph Reichel hatte den Wiederbeginn mit einer begrenzten Besucherzahl und strengen Kontaktbeschränkungen unter das Motto: „Flagge zeigen“ gestellt.
In Hamburg muss die Kultur wie überall im Land weiter im Onlinemodus bleiben. Da die Sieben-Tage-Inzidenz seit drei Tagen über 100 liegt, hat der Senat die erst Anfang vergangener Woche vollzogenen Öffnungsschritte wieder rückgängig gemacht. Damit liegt der Kino- oder Theaterbesuch in weiter Ferne. Ähnlich sieht es in vielen weiteren Bundesländern aus.
Kultur gibt es in Berlin und Tübingen
Viele Theater haben Aufführungen bis zum April oder Mai ohnehin schon abgesagt – unabhängig von der Entwicklung der Corona-Pandemie. Sie brauchen mehr Vorlaufzeit und bessere Planbarkeit. Nur in Berlin und Tübingen sind einige Kulturstätten geöffnet, sozusagen im Testlaufmodus. Das Berliner Ensemble wollte am Freitagabend eine Vorstellung von „Panikherz“ spielen – das Publikum muss sich vorab auf das Coronavirus testen lassen. Geplant sind insgesamt neun Veranstaltungen bis Anfang April. Dazu gehört ein Konzert der Berliner Philharmoniker vor rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Die Tickets dafür waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft.
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Karte zeigen: Tübingen ist Modellstadt für Corona-Lockerungen. Oberbürgermeister Boris Palmer mit seinem eigenen Tageszertifikat. Dieses ermöglicht den Besuch von Geschäften, Kultur und Außengastronomie.
© Quelle: imago images/Eibner
Und auch in Tübingen wird einiges ausprobiert. Bei dem Modellversuch „Öffnen mit Sicherheit“ (bis zum 4. April) wird geschaut, welche Möglichkeiten es durch intensiven Einsatz von Schnelltests gibt, ohne dass Infektionen deutlich ansteigen. Ein Tagesticket ermöglicht den Bürgern jetzt den vollen Zugang zu Gastro, Einzelhandel und Kultur. Einzige Voraussetzung: ein negativer Corona-Test. „In der Innenstadt gibt es eine Teststation nach der anderen“, sagt Thortsen Weckherlin, Intendant des Landestheaters Tübingen. Auch vor seiner Spielstätte können sich Besucher kostenlos testen lassen. Und wer vor der Vorstellung einen Sekt trinken möchte, der kann sich in der Außengastronomie bedienen. „Und dann trinken die Leute tapfer bei sechs Grad und Nieselregen ihr Glas aus“, so Weckherlin.
Nicht nur die Kultur schaut nun ängstlich auf den neuen Corona-Gipfel. Aktuell sieht es danach aus, als dürfte vor allem ein erneuter harter – oder härterer – Lockdown auf der Tagesordnung stehen.
RND/hma/dpa