„The Mule“ – Clint Eastwood als Drogenkurier

Auf zur nächsten Drogentour: Earl Stone (Clint Eastwood).

Auf zur nächsten Drogentour: Earl Stone (Clint Eastwood).

Hannover. Eines Morgens sitzt der Drogenkurier unverhofft mit seinem härtesten Verfolger in einem Restaurant am Highway. Spezialagent Colin Bates (Bradley Cooper) hegt allerdings keinerlei Verdacht gegen den Sitznachbarn. Wie auch? Neben ihm hockt ein alter Grantler, der ungefragt aus seinem verpfuschten Leben erzählt. Earl Stone (Clint Eastwood) wird von seiner Ex-Frau verflucht, die Tochter redet seit Jahren kein Wort mehr mit ihm. Allein die Enkelin hat ihn noch nicht ganz abgeschrieben.

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Eastwoods Held hatte den Anschluss an die digitalen Zeiten verpasst

„Die Familie“, sagt Stone und nippt am Frühstückskaffee, „ist das Wichtigste im Leben. Die Arbeit kommt erst an zweiter Stelle.“ Ein guter Rat zur rechten Zeit: Agent Bates starrt gerade auf sein Handy, er hat seinen Hochzeitstag vergessen. Earl seinerseits hat in seinem schon ziemlich lange währenden Leben quasi alle wichtigen Familienereignisse verpasst.

Besonders originell ist diese Botschaft nicht, schon gar nicht im amerikanischen Kino, wo Familienwerte ja nicht nur im Hause Disney hochgehalten werden. Wenn die Erkenntnis aber aus dem Mund einer so ungewöhnlichen Hauptfigur kommt, dann hört man doch gern hin. Stone ist „The Mule“, der Maulesel, der für ein mexikanisches Kartell Drogen durch die USA nach Chicago kutschiert.

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Eigentlich züchtete der Weltkriegsveteran Orchideen und genoss sein Leben. Dann aber verpasste er den Anschluss an die digitale Zeitenwende. Seine Blumenfarm sollte unter den Hammer kommen. Durch einen Zufall geriet Stone ans Kartell, und inzwischen weiß sein krimineller Arbeitgeber: Ein besseres Muli als Stone ist kaum vorstellbar.

Earl Stone ist für Eastwood eine Paraderolle

Welcher Polizist sollte auf die Idee kommen, dass ein alter Opa mit Vorliebe für Pulled-Pork-Sandwiches und Hass auf Handys Drogen im Wert von Millionen Dollar spazieren fährt? Bei jeder Lieferung werden die Plastikbeutel auf der Ladefläche von Stones Pick-up dicker, genau wie die Dollarbündel im Handschuhfach. Da akzeptiert der Drogenboss sogar, dass Stone ähnlich störrisch wie ein Maulesel ist und Pausen nach eigenem Gusto einlegt.

Für Eastwood, Hauptdarsteller und Regisseur, ist das eine Paraderolle. Manchmal verengen sich seine Augen zu Schlitzen. Wäre er ein paar Jahre jünger, würde sein Earl Stone wohl den Revolver ziehen und all die großmäuligen Kartell-Lümmel über den Haufen schießen, die ihm ständig Anweisungen erteilen wollen. Ähnlich resolut ist schließlich schon Eastwoods „Dirty Harry“ in den Siebzigern mit nervigen Zeitgenossen verfahren.

Inzwischen ist Eastwood aber 88 Jahre alt, sein Schritt leicht schleppend und seine schärfste Waffe auch im wirklichen Leben sein verschrobener Spott. Vor ein paar Jahren hat er mal bei einem Parteitag der Republikaner Barack Obama attackiert: Der imaginierte Präsident saß auf einem (leeren) Stuhl, und Eastwood hielt dem Stuhl respektive Präsidenten gebrochene Wahlversprechen vor. Von einem ähnlich ausgeprägten Individualismus ist auch Earl Stone durchdrungen.

Bei Eastwood geht es immer stärker darum, letzte Dinge zu regeln

Zugleich wird in Eastwoods Filmen immer mehr das Bedürfnis offenkundig, letzte Dinge zu regeln. In „Gran Torino“ (2008) starb sein rassistischer Held einen Opfertod. In „Hereafter“ (2010) warf der Regisseur Eastwood schon mal vorsorglich einen Blick ins Jenseits, und nun geht sein Drogenkurier daran, die schlimmsten Lebensfehler halbwegs zu reparieren.

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Eastwood hat eine wahre Geschichte ins Kino gebracht: „The Mule“ beruht auf den Erlebnissen des Taglilienzüchters und Drogenkuriers Leo Sharp. Der inzwischen verstorbene Senior wurde 2011 im Alter von 87 Jahren festgenommen. Er war mit einer Lieferung von 104 Kilogramm Kokain unterwegs.

„The Mule“, Regie: Clint Eastwood, mit Clint Eastwood, Bradley Cooper, 118 Minuten, FSK 12

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