Spott und Vorurteile: So war es 2006, als Daniel Craig zu James Bond wurde

Verfolgungsjagd in schwindelerregender Höhe: Daniel Craig begeisterte die 007-Gemeinde bei seinem ersten Auftritt als James Bond in „Casino Royale“.

Verfolgungsjagd in schwindelerregender Höhe: Daniel Craig begeisterte die 007-Gemeinde bei seinem ersten Auftritt als James Bond in „Casino Royale“.

Geht James Bond an die Bar, dann gönnt er sich seit dem „Diamantenfieber“-Roman (1956) und dem „Goldfinger“-Film (1964) einen „Martini – geschüttelt, nicht gerührt“. Gesetz der Serie. Der Neue bestellte 2006 – Skandal – zuerst mal eine Mount Gay mit Soda. Später, im filmtitelgebenden „Casino Royale“, orderte er lang und schlapp einen Spezialmartini samt wortreicher Zubereitungsanleitung.

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Was am Pokertisch den alten „Harry und Sally“-Effekt bewirkte: Jeder wollte plötzlich dasselbe wie der smarte Typ mit der großen Klappe. Aber als Bond schließlich Millionen britischer Steuergelder an den Terroristenbankier Le Chiffre verloren hatte, forderte er doch mal wieder sein Basisgetränk. Und schnauzte dem Barkeeper, der nach „geschüttelt oder gerührt“ fragt, ein „Scheißegal!“ ins Gesicht. 007 zeigte in Gestalt von Daniel Craig Nerven. Hätten die früheren – Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton, Pierce Brosnan – nie getan.

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Britische Medien feixten vorab über den neuen Bond

Bevor „Casino Royale“ in den Kinos anlief, war die Häme groß. Da war die Sache mit den angeblich beim Stunt verlorenen Zähnen, dann die Story über einen Vorsprechtermin, bei dem Craig mit Rettungsweste erschienen sei. Dann wurde publik, dass Craig angeblich ein feminines Automatikgetriebe dem männlich-harten Schaltknüppel vorzog.

Kurzum: Die Briten wussten schnell, das wird nix mit dem blonden James Bond. Die Medien feixten, der nächste 007 würde dann wohl Glatze tragen und jedem Bond-Girl unter Tränen Heiratsanträge machen. Dann sahen die Briten Daniel Craig in „Casino Royale“ und … na ja … vom fertigen Debütfilm des Neuen waren sie geschüttelt und gerührt.

Craig hatte den Sex-Appeal des vom Leben gefurchten Typen

Sein Name war auch Bond, James Bond, klar. Aber dieser Daniel Craig war kein Beau wie Pierce Brosnan, er hatte den Sex-Appeal der harten, vom Leben gewaltsam gefurchten Typen. Seine Augen waren kalte, blaue Sonnen, seine gedrungene Gestalt schien vor Kraft zu summen. Schwerelos flog er in „Casino Royale“ in den Wipfeln riesiger Baukräne herum und schlug auf dem Boden auf, dass man die Knochen krachen hörte.

Der neue Bond holte die Filmreihe, die zuletzt mit Pierce Brosnans letztem Auftritt in „Stirb an einem anderen Tag“ wieder mal tief in die Science-Fiction gestürzt war, auf den festen Boden der Gegenwart zurück. Daniel Craig war taff wie Connery, ein gelinde grausamer Mund, alles Lächeln lief über die Augen und über eine Falte rechts vom Mund, die sich im (seltenen) Fall einer Erheiterung vertiefte. Craigs 007 hatte Schatten auf dem Schicksal, und die Lizenz zum Töten erwarb er sich im schwarz-weiß gehaltenen Rückblick/Vorspann mit extremer Brutalität.

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Der 21. Bond-Film zeigte 007 als Romantiker

Ein seltsames Intro hatte „Casino Royale“, so als sollte der sechste Bond-Darsteller zum ersten gemacht werden, der 21. Film war ein Alles-auf-Zero-Setzer. Seltsam, weil man sich in 44 Jahren an die ewige Jugend des Agenten ebenso gewöhnt hatte wie an seine gelegentlichen Gesichterwechsel. Die Lizenz, das war bis dahin für alle Nachfolger klar, hatte sich fürs Kino 1962 Sean Connery schon vor „Dr. No“ geholt.

Freilich diente diese hautnahe Einführung den späteren dramatischen Spitzen des Films: Da sahen wir einen Bond, der unter der Dusche seiner verzweifelten Partnerin Vesper Lynd (Eva Green) auf ritterliche statt erotischer Weise beistand, der sich verliebte und aus Liebe sogar den Dienst quittierte. So romantisch war weder George Lazenby in seinem einzigen Bond-Auftritt (er heiratete immerhin Diana Rigg) noch Timothy Dalton in seinem ersten (er fuhr mit seiner Liebsten Schlitten).

Auch der Schurke in „Casino Royale“ war zeitgemäß

Auch der Bösewicht – Mads Mikkelsen als Le Chiffre – war zeitgemäß: „Glauben Sie an Gott?“, wurde er im Film gefragt. Und gab als Antwort: „Ich glaube an eine anständige Rendite.“ Ein Geldvergötzer, polierter Asthmatiker in Schwarz, der Blut weinte (eine Tränenkanalstörung) und den Helden in der – bis auf den heutigen Tag – körperlichsten Szene aller Bond-Filme sadistisch folterte.

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Fazit: Craig wurde der Brit-Hit, der die Welt eroberte. Die ganzen weiter oben erwähnten „angeblichs“ waren sowieso medial erstunken beziehungsweise nur eine sowieso lockere Zahnkrone gewesen. Bis auf George Lazenby sprangen nach der britischen Lachen-Sie-täglich-über-den-Warmduscher-Craig-Kampagne alle vorherigen 007-Darsteller für ihren Kollegen in die Bresche. Und Judi Dench, deren Figur der Geheim­dienst­chefin M später im wohl besten aller Bond-Filme, „Skyfall“, so tragisch verstarb, sprach schon vorab solidarisch von „etwas Neuem und Unruhigem“, das Craig der Figur verleihe.

Die Brit-Medien fühlten sich an Connerys beste Zeiten erinnert

Die altehrwürdige „Times“ gab dem Film dann in einer ersten Kritik vier von fünf möglichen Punkten. Nicht nur sei Craig „glaubwürdiger als viele der Vorgänger“, auch sei er „unglaublich sexy“ und könne in der Tat schauspielern. Der „Daily Mirror“ fühlte sich durch Craig an „die besten Zeiten Sean Connerys“ erinnert. Und der „Daily Telegraph“ jubelte vom „Klasse-Debüt“.

In dem denn auch manche 007-Tradition gewahrt blieb: Hatte Bond angebandelt und wollte den Teppich mit einer schönen, teuren Frau teilen, bestellte er noch immer seine alte Champagnermarke – Bollinger Grande Année.

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