„Day One“ und „Heaven on Earth“ werden aktuell vom englischsprachigen Electric Theatre im Theaterhaus Rudi aufgeführt. Michael Halstead führt bei beiden Stücken Regie.
Dresden. Manchmal bekommt Kunst ja im Nachhinein eine geradezu erschreckende Aktualität. Nicht nur, dass der erste Lockdown im Frühjahr 2020 begann, kurz nachdem Luise Walter ihren Einakter „Day One“ beendet hatte, nun droht ein gemeingefährlicher Machtjunkie die Welt so gründlich in Trümmer zu legen, dass der einzige Ausweg ein abgeschottetes Leben unter der Erdoberfläche sein könnte. In Bunkern, mit Nahrungsersatzmitteln und einem komplizierten Filtersystem für die Sauerstoffversorgung. Wir befinden uns also, wenn man es komplett pessimistisch sieht, kurz vor jenem „Day One“, dem ersten Tag in einer neuen Welt. Und schon jetzt kann der alte Friedensbewegungsspruch bemüht werden: „Die Überlebenden werden die Toten beneiden.“
Das englischsprachige Eclectic Theatre im Theaterhaus Rudi ist also auf der Höhe der Zeit mit der Uraufführung des Stückes seines früheren Gruppenmitglieds Walter, die es von der Laien-Kompagnie zu einem „richtigen“ Theater geschafft hat und heute in Erlangen arbeitet. Aber auch das vorangestellte „Heaven on Earth“, von Theater-Chef Michael Halstead bereits in den 90ern geschrieben, erscheint durchaus aktuell, vor allem sehr passend zu Walters Thema. Denn seine Bearbeitung von Dostojewskis „Der Großinquisitor“ verlegt die Erzählzeit von der Spanischen Inquisition ebenfalls in eine Zukunft; eine „glückliche“ Zukunft, in der die Religion des Kapitalismus endgültig sämtliche anderen Überzeugungen und Ideologien abgelöst hat und die Menschen nichts weiter wollen, als stetig weiter ihrer Habgier frönen. Da erscheint eine Jesus-Inkarnation, wenn sie vor dem „Museum des Aberglaubens“ – früher Kathedrale genannt – auftaucht, natürlich als ein Fremdkörper, zumal schon der Auftritt im Lendenschurz anzeigt, dass sie dem Konsum abhold ist. Das Stück fordert vor allem Stefan Leithold als Befrager einiges ab, denn es besteht aus einem einzigen langen Monolog. Roland Kienscherf hingegen als „Man“ muss über die Körperbeherrschung verfügen, in dem kühlen Theaterraum lange Minuten quasi regungslos auf einem Stuhl zu sitzen.