E-Paper
Porträt

Auf der Suche nach versteckten Imperativen

Kaddi Cutz tritt seit 2010 bei verschiedenen Poetry Slams auf. In Dresden hat sie sogar einen eigenen Wettbewerb auf die Beine gestellt.

Kaddi Cutz tritt seit 2010 bei verschiedenen Poetry Slams auf. In Dresden hat sie sogar einen eigenen Wettbewerb auf die Beine gestellt.

Dresden. „Wann kann ich endlich mal das machen, worauf ich wirklich Lust habe?“, fragt Kaddi Cutz, Dresdner Stadtmeisterin im Poetry Slam, auf der Bühne eines Wettbewerbs in Österreich. Die Antwort darauf hat sie prompt parat: „Ich bin nicht sicher, worauf ich wirklich Lust habe“. Ein Problem, was sicherlich viele Menschen, vor allem in den Zwanzigern und frühen Dreißigern, kennen werden. Die 36-Jährige greift solche Probleme in ihren Texten auf.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Doch nicht nur das: Thematisch gibt es für Cutz keine Grenzen. „Ich habe auch schon über Fußball geschrieben, obwohl ich damit gar nichts am Hut habe. Ein Textauftrag für einen Themen-Slam über Luther fiel mir aber schon schwerer, weil es thematisch eher Neuland war“, erzählt sie. Ihre Texte liest sie bei Poetry Slams – übersetzt kann man sie auch Poesiewettstreite nennen – vor. Und das ziemlich erfolgreich. Seit Juni ist sie Stadtmeisterin und tourte in den vergangenen Jahren zu Slams durch ganz Deutschland.

Erster Auftritt im Altenheim

Angefangen hat alles mit den Prahlereien eines Freundes aus der Heimat, welche sich in Seelze bei Hannover befindet. „Als er mich 2009 besuchte, erzählte er mir, er würde jetzt Poetry Slam machen und quer durch Deutschland touren“, erinnert sich Cutz und dachte damals insgeheim: „Das will ich auch“. Einige Zeit später organisierte der Freund und Altenpfleger einen Poetry Slam im Altenheim. Super Gelegenheit, dachte sich Kaddi Cutz: „Wenn mein Text scheiße ist, erinnert sich wenigstens keiner an ihn“. Dachte sie. Denn statt dementer alter Menschen saßen jede Menge junge Leute im Publikum. Und diese befanden ihren Text als gut. Und so begann im Mai 2010 ihre Karriere auf den Slam-Bühnen Deutschlands.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Dabei sah es anfangs gar nicht nach Erfolg aus: „Nach meinem ersten halben Jahr Slam habe ich lange keine Texte geschrieben. Ich dachte schon, ach wieder so ein ’Hobby’. Aber irgendwann fing ich wieder an und dann lief es“, erzählt sie. Denn Texte für ein Poetry Slam zu schreiben, ist gar nicht so einfach, wie es klingen mag. In der Szene gibt es strikte Regeln. Die kreativen Zeilen müssen natürlich selbst geschrieben sein. Werden Zitate eingebaut, müssen diese kenntlich gemacht werden. Auf den deutschen Bühnen haben Poetry Slammer in der Regel zwischen fünf und sieben Minuten Zeit. „Das, was du sagen willst, muss in dieser Zeit beim Publikum ankommen. Wenn du es nicht schaffst, sie innerhalb der ersten Minute abzuholen, hast du meist verloren“, erklärt Cutz die Schwierigkeit. Auch wenn sie schon einige Auftritte hinter sich hat, wird die Aufregung nicht weniger. „Es war anfangs schon eine Überwindung, auf die Bühne zu gehen. Immerhin stellst du dich der direkten Kritik durch das Publikum“; weiß die Wahldresdnerin.

Von der stillen Schülerin zur Lehrerin

Mit ihrem Werdegang in der Poetry-Slam-Szene hat sie es vor allem ihren Lehrern aus Schulzeiten gezeigt. „Sie haben mit prophezeit, dass ich nie vor vielen Leuten sprechen könne“, erinnert sie sich. Sie sei schon sehr still im Unterricht gewesen, gibt sie zu. Dieses Frage-Antwort-Schema sei einfach nicht ihr Ding gewesen. „Referate liefen dagegen immer gut. Die habe ich mir immer so aufgeschrieben, wie ich sie sprechen wollte. Hat keiner gemerkt“, schmunzelt Cutz.

Heute ist sie hin und wieder selbst der Lehrer. Und zwar in ihren Workshops für Poetry Slam, kreatives Schreiben und Bühnenpoesie an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Hier entdeckt sie immer wieder Parallelen zu ihrer Schulzeit. „Viele Schüler trauen sich oft selbst nicht viel zu. Kein Wunder, denn sie bekommen immer wieder gesagt, sie seien in Deutsch schlecht. Allerdings bezieht sich das oft eher auf Rechtschreibung und Grammatik. Und das ist eben nicht alles“, sagt Cutz und beobachtet immer wieder: „Genau solche Teilnehmer hauen am Ende meist die besten Beiträge raus“.

“Es ging ein Ruck durch die Szene“

Die studierte Sozialpädagogin macht das Poetry Slammen immer mehr zu ihrem Hauptberuf. Denn dazu zählt bei Kaddi Cutz inzwischen viel mehr als nur auf der Bühne zu stehen und Texte vorzutragen. In Dresden hat sie einen eigenen Poetry Slam ins Leben gerufen, die „Geschichten übern Gartenzaun“. Dieser findet immer am vierten Mittwoch der ungeraden Monate statt und feiert am kommenden Mittwoch bereits seinen siebten Geburtstag. Auch zwei Bücher zählen zu den Referenzen der 36-Jährigen. In „Voll viel Geräusch“ (2014) und „Warum ich meistens keinen Freund habe – und wenn, dann nur kurz“ (2017) schreibt sie über postpubertierende Männer, Dates mit Ronnys und viele weitere Geschichten, nicht nur aus ihrem Leben. Denn Zuhören und im Alltag die Ohren spitzen, verhelfen Kaddi Cutz in der Regel zu ihren Texten. Und diese können einem dann schon mal auf dem abendlichen Heimweg einfallen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Doch nicht immer geht es nur um Dates, Beziehungsdramen und nervende Mütter. Die politischen Debatten der vergangenen Monate haben auch in ihrer Lyrik Spuren hinterlassen, besonders im zweiten Buch. „Man hat gemerkt, dass ein Ruck durch die Szene ging“, erinnert sie sich. So werden Leser und Zuhörer hin und wieder mit Dresdner Montagen und Kandidaten für einen hypothetischen Lutz-Bachmann-Preis konfrontiert. Politik, Luther und Fußball hin oder her, am liebsten mag Cutz die im Alltag versteckten Imperative, Stichwort(e): Penne mit Lachs in Sahnesoße.

Premiere zur Schlössernacht

Die Zeit des ständigen Tourens durch die Bundesrepublik ist inzwischen vorbei. Hin und wieder beteiligt sich Cutz an Poetry Slams in anderen Städten, doch in Dresden hat sie mittlerweile genug zu tun. In den kommenden Wochen wird sie sich vorrangig mit dem Thema Sucht auseinandersetzen. Denn am 11. August findet die Veranstaltung „Suchtfaktor – Poetry Slam trifft Kulturjahr Sucht“ vor der Scheune statt. Erstmal jedoch geht es mit Bollerwagen im Gepäck erstmals zur Dresdner Schlössernacht am Sonnabend. Wer dort den Texten von Kaddi Cutz und weiteren Poetry Slammern lauschen möchte, sollte auf den Wegen die Augen (und Ohren) offen halten.

www.kaddicutz.de

Von Lisa-Marie Leuteritz

DNN

Mehr aus Kultur regional

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken