Pop 2020: Neues von Paul Weller, Willie Nelson, Will Ferrell

Wird das der Beitrag zum Contest? Will Ferrell als Lars Ericksson und Rachel McAdams als Sigrit Ericksdottir singen in einer der witzigsten Szenen des Films "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga" den Song vom "Volcano Man".

Wird das der Beitrag zum Contest? Will Ferrell als Lars Ericksson und Rachel McAdams als Sigrit Ericksdottir singen in einer der witzigsten Szenen des Films "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga" den Song vom "Volcano Man".

Will Ferrell erreicht beim “Eurovision”-Soundtrack nie den Sphärenton

Jeder, der damals schon auf der Welt und aus der Wiege war, erinnert sich an den Eurovision Song Contest 1974, damals besser bekannt als “Grand Prix” und wie es war, als Abba den Schwung des Pop in die Betulichkeit des altbacken wirkenden Schlagerwettbewerbs brachten. Der Film “Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga” erinnert daran. Lars (Will Ferrell) und Sigrit (Rachel McAdams) beginnen zu tanzen, und für Lars, der von seinem Vater, einem sturen isländischen Fischer (Pierce Brosnan), fortan für einen weibischen Kindskopf gehalten wird, steht fest: Er wird eines Tages den ESC gewinnen.

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Die Hollywood-Sicht auf das europäischste Musik-Juchei von allen wird von einem Soundtrack begleitet, der das Zeug zum Partyhit hat. All das zweitklassige ESC-Songwriting, die beliebigen Melodien mit lachhaften Lyrics, die gestandene Songwriter wie Bruce Springsteen, Jeff Tweedy, Fiona Apple oder meinethalben auch Fynn Kliemann auf den Gedanken bringen könnten, es handele sich bei ihrer und derer Kunst um zwei verschiedene Professionen, findet sich hier in Reinkultur: “Volcano Man” treibt einem die Freuden- und Fremdschämtränen ebenso in die Augen wie “Double Trouble” oder den von dem russischen Kombattanten Alexander gesungenen Disney-Abklatsch “Lion of Love”.

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Unter Kultverdacht steht das mit Quetschkommode erbrachte, anzügliche und ziemlich volkstümliche “Jo Jo, Ding Dong”, das den urwüchsigen Isländern allemal lieber ist als jeder Pharell-Williams-Hit oder pontenzieller ESC-Gewinner, den Lars’ Band “Fire Saga” draufhaben. Während Ferrell seine eher wenig erfreuliche Stimme einbringt, und den mythischen Sphärenton nie erreichen wird, wird Rachel McAdams’ Gesang mit dem der schwedischen Sängerin Molly Sandén alias My Marianne gemischt, für deren Kunst man sich denn auch umgehend zu interessieren beginnt.

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Soundtrack – “Eurovision Song Contest – The Story of Fire Saga” (Sony)

Die Punks von Fleks liefern allerhand Finessen

“Ich habe all meine Zeit verschwendet”, streckt Sänger Martin Resatz (auf englisch) die Waffen. Erkenntnis eines Lebens mit den Medien, speziell dem Fernsehen: Von Teenagerhysterie über Ernüchterung bis hin zur radikalen Absage führt die musikalische Auseinandersetzung auf “Color TV”, dem heute erschienenen Debütalbum der Wiener Punks Fleks. Fleks haben nicht nur was zu sagen, sie haben auch allerhand zu musizieren. Und so ist die musikalische Grundstimmung hier zwar zweifellos Punk - mit missmutigen Bässen à la Stranglers etwa in “Don’t Play This Song” und über die Platte verteilten kratzenden, twangenden, sich schnäuzendem Punkgitarren.

Aber was das Trio allein schon an Klangwechseln im eröffnenden Titelsong “Color TV” unterbringt, macht sie zu so etwas wie den Progrockern unter den Punks, schließlich ist “Color TV” so etwas wie ein Konzeptalbum in einem Zeitalter, das das Format Album generell gern auf den Müll der Musikgeschichte werfen würde. Saxofone werden hier gehört, Keyboards sowieso. “Street Lights” beginnt tatsächlich bluesig, aber dann nadelt die Gitarre bald schon wie eine alte verlässliche Singer-Nähmaschine. “Sunburn” beginnt mit einem trägeren Reggae-Offbeat, um mit Hauruck zum rasanteren Ska überzuwechseln.

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Sänger/Gitarrist Resatz, Bassist/Gitarrist Max Leitgeb und Schlagzeuger/Percussionist Fabian Edelbacher sind maximal flexibel, was den Sound ihrer Band betrifft, es finden sich stellenweise auch Nu Metal- und Grungeanklänge und eine Affinität zur Melodie, die das Trio halstief im Pop verortet. Der Gesang reicht von zähnefletschend bis sacht. Und wenn nach “End of Broadcast” und dem “Movie Theme” das Fleks-Fernsehen endet, will man nicht umschalten sondern ganz flott eine Wiederholung. Wer in Sachen Alpennachbarn Wanda sagt und Bilderbuch sagt, muss auch Fleks sagen. Kein Klacks, das!

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Fleks – “ColorTV” (Dachshund Records)

Paul Weller und die gute alte Horizontorange

Hallo Paul Weller, allen Hörern kann man es nicht recht machen, aber eins ist bei Ihnen und Ihrem jeweils neuen Werk gewährleistet: die Überraschung. Geht es wieder mal experimenteller zu, dann entdecken die Kritiker im alten Beatles-Fan Weller einen im Geiste der Liverpooler Popkönige, die ja neben dem Hitmachen auch stets versuchten, die Nase musikalisch vorn zu haben. Entdecken Sie dann wieder Rock, Pop und den guten alten melodiefeinen Song, dann ist die inzwischen auch schon grau gewordene Masse ihrer Fans versöhnt, denkt an die späten Poppunks von The Jam und ihre “Sound Affects”, an die vornehmen Style Council und an Ihre Solojahre als Rocker.

“On Sunset” – “bei Sonnenuntergang” – heißt Ihr 15. Studioalleingang und, nein, die Songwritersonne steht noch steil über Ihnen, Paul Weller, ist noch weit davon entfernt, die große melancholische Horizontorange zu werden. Hier sind Sie in ganzer Größe – ohrgängige Lieder zwischen Gitarre und Piano, die mal ein wenig wagemutiger ausufern, meist aber straight rocken, poppen und auch mal Elektronik bliepen lassen. Sie haben uns ein Album geschenkt, das von den glitzernden Synthesizerklängen und den Pluckerbeats von “Earth Beat” bis zur absoluten, streicherverzierten Poplässigkeit von “Village” reicht.

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“Keine einzige Sachen die ich ändern würde, wenn ich könnte / ich bin glücklich hier in meiner Nachbarschaft”, singen Sie in “Village”. Und das ist die Bilanz eines 62-Jährigen, der so viel für die Musik getan hat, dass er sich ein wenig Zufriedenheit leisten kann. Ja, es geht um das Älterwerden in diesem Kompendium des Vertrauten, aber wir wetten, nach diesem Ausbund an formidablem Pop kommt wieder etwas, mit dem Sie Haken schlagen, uns lange Nasen machen, Irritationen schaffen. Sie sind schließlich Paul Weller!

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Paul Weller – “On Sunset” (Polydor/Universal)

Willie Nelson und die Romantik der späten Tage

87 Jahre alt ist Willie Nelson und dass sich der Texaner auf seinem werweißwievielten (die Angaben reichen vom 70. Bis hin zum 92.) Studioalbum neuerlich mit den letzten Dingen befasst, erscheint nur natürlich. “Das erste Mal, als er sie sah, wusste er, dass sich alles verändert hatte”, singt er zu Gitarre und Mundharmonika im Opener und Titelsong “First Rose of Spring” und es ist mehr ein Sprechen, bevor das Heraufbeschwören einer versunkenen Lieben dann in einen tastenden Westernswing mit schimmernden Steelgitarren und einem träumerischen Twang übergeht. Es sind Rückblicke auf das lange Leben dieses großen Outlaws, der sich der musikalischen und inhaltlichen Konservatismus der Countrymusik zeitlebens verweigerte und immer offen war für einen Joint und gute Einflüsse, der sein Haar lang trug wie ein Hippie und sich Indianerzöpfe flocht.

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Dass Nelson seiner Liebe “bis ans Ende folgt”, singt er in der Ballade “Blue Star” zu den Nylonklängen seiner Martin-N-20-Akustikgitarre Trigger und spitzt die Romantik noch zu: “Wenn wir den strahlenden Himmel erreichen / werde ich der blaue Stern zu deiner Rechten sein.” Jeden anderen aus den Nashville-Legionen würde man des Kitsches, des Schlagers zeihen, aber die weiche, kreidige, angewitterte Stimme Nelsons schafft die Gratwanderung ebenso mühelos wie in der schunkelnden, maunzenden Ausbrecherhumoreske “I’ll Break out Again Tonight” oder in der traurigen Bitte um mehr Leben in der wunderschönen Coverversion von Toby Keiths “Don’t Let The Old Man In”.

Jazzig wird Nelson in “Just Bummin’ Around”, und dass er es auch noch in gemäßigtem Rockabillytempo kann, zeigt er in “I’m The Only Hell My Mama Ever Raised”. Am schönsten sind die traurigsten Lieder: “Love Just Laughed (And Then Love Cried)” und Charles Aznavours “Yesterday (When I Was Young)”. Man weiß, dass man den Countryrebellen eines Tages vermissen wird wie man Waylon Jennings und Johnny Cash immer noch vermisst, und bittet um mehr Zeit für noch mehr Platten, noch 70 oder gern auch 92.

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Willie Nelson – “First Rose of Spring” (Legacy/Sony)

Will Hoge, die Liebe, der Hass und die Zukunft

Rau und politisch war Will Hoges letztes Album. Mit einem Schuss punkiger Energie machte der Mann aus Tennessee auf “My American Dream” seiner Sorge um die Demokratie in seinem Land Luft. Alles Worte gegen Trump, den Mauerbauer, Spalter, Wahrheitsverdreher, der ungestraft mexikanische Kinder unauffindbar von ihren Eltern trennen ließ. Auf die Akustikgitarre, zu deren Klängen er seinen Folkblues “Thoughts and Prayers” herausbellte, hätte er durchaus “this guitar kills populists” schreiben können, in Anlehnung an Woody Guthries berühmtes Anti-Faschisten-Instrument.

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Das Nachfolgewerk “Tiny Little Movies” ist wieder etwas beruhigter, persönlicher, intimer - der 47-Jährige Americana-Meister aus Nashville liefert von den ersten geschrammelten Akkorden des Midtemporockers “Midway Motel” bis zum Verhallen des letztes Akkords der Ballade “All The Pretty Horses” Umarmungen und Wärme. Naja, nicht ganz, denn mit “The Overthrow” rockt er das Haus dann doch rechtschaffen - mit einem Räsonnieren über derzeitige Veränderungen in der Welt, die gegen Hass und Dummheit aller Art gerichtet sind, einer Verneigung vor der kommenden Generation. Und der “Con Man Blues” ist eine punkige Attacke gegen alle, die die Armen und Ungebildeten Amerikas Tag für Tag (politisch und monetär) über den Tisch ziehen.

Die restlichen, durchweg traumhaft schönen Americanastücke meist mittleren Tempos handeln von den Jungen, die die Alten in den kleinen Städten zurücklassen (“Even The River Runs Out of This Town)”, von den Menschen die weniger geben als sie nehmen (”Is This All That You Wanted Me For”) und der Neigung, sich irgendwann mit dem Leben zu arrangieren (”Maybe this is OK”). Höhepunkt ist das sechsminütige, schmerzhafte “My Worst” mit mächtigem Frauenchor und gleich zwei Gitarrensoli, in dem Hoge vom ewigen Ringen mit dem bösen Geist in sich singt, der stets die verletzt, die er am meisten liebt. Ein Rockgospel von “Knockin’ On Heavens Door”-Kaliber. Muss man erstmal schreiben!

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Will Hoge - “Tiny Little Movies” (Thirty Tigers)


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