Neue Alben von den Prinzen, Crowded House, No Angels, Garbage und anderen

Hört, ihr Kinder, gebt fein Acht, der Trump hat lauter Mist gemacht: Shirley Manson zieht auf dem neuen Garbage-Album „No Gods, No Masters“ gegen die Herrschaft der alten weißen Männer zu Felde.

Hört, ihr Kinder, gebt fein Acht, der Trump hat lauter Mist gemacht: Shirley Manson zieht auf dem neuen Garbage-Album „No Gods, No Masters“ gegen die Herrschaft der alten weißen Männer zu Felde.

So langsam wärmt die Sonne diesen Frühling also doch noch. Die Albumveröffentlichungen sind dennoch eher geprägt von Krisenbewusstsein, dunklen Stimmungen, sorgenvollen Blicken in eine unsicher scheinende Zukunft. Da ist es schön, wenn Jerry Douglas für John Hiatt seine Dobro-Gitarre hüpfen lässt oder die Leipziger Prinzen aus dem Miesepetern ausscheren. Eins ihrer neuen Lieder heißt „Geliebte Zukunft“ und eben die wird umarmt: „Schön, dass es dich gibt“. Dito, liebe Prinzen, erwidert da gerührt die Zukunft.

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Chris Eckman flüstert magische, dunkle Short Storys

Sein Licht scheint wieder. Mit einer Stimme wie Herbstlaub und Krähenflügel, flüsternd zur Gitarre, beschwört Chris Eckman den „Early Snow“ herauf, der seine Welt früh erstarren lässt und der lange bleibt. Eine dunkle Geschichte breitet der frühere Walkabouts-Sänger auf seinem neuen Soloalbum vor dem Hörer aus, es ist die Geschichte von einem desperaten, einsamen Mann, der in einem verfluchten Dorf irgendwo auf ein Lebenszeichen aus seiner Vergangenheit wartet. Unter den Fittichen des Elektrokomponisten Alastair McNeill gibt es auf „Where the Spirit Rests“ sieben dieser magischen, geseufzten Short Storys. Die Ingredienzen: Akustikgitarre, Chuck Johnsons wie träumende Steelgitarre, ein Kontrabass und ein tastendes Schlagzeug, zuweilen das Piano von Chris Cacavas. Erzählt wird von der Sehnsucht heimzukehren („The Curving Track“) oder vom Drang, aufzubrechen („Cabin Fever“), der einen nachts weckt und nicht mehr schlafen lässt, was von der belgischen Violinistin Catherine Graindorge mit grauen Soundwolken erfüllt wird.

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Eine Sternstunde der Traurigkeiten, die Eckman da in seiner langjährigen Wahlheimat Ljubljana eingespielt hat. Ein Album über den Wunsch nach Aufgehobensein, nach Zuflucht und Ausruhen in Zeiten der Unruhen, Krisen eines Planeten, der nach langem Missbrauch seiner Gastfreundschaft ungastlich wird. All das ergibt eine Geisterstunde der Zukunft. Perfekte Melancholie von einem der besten US-Songwriter, der mit den Walkabouts, im Duett mit Carla Torgerson oder solo seit den Achtzigerjahren, schon zahllose perfekte musikalische Melancholien erschaffen hat. Am Ende dieser Ambient Americana stehen der Hoffnungsschein des Sommers und die Sternschnuppen, die im August fallen. Und ganz schnell, bevor auch diese Textzeile verglüht, wünscht man sich was.

Chris Eckman – „Where the Spirit Rests“ (Glitterhouse)

Die zauberhaften Verbeugungen der Kira Skov

„Dusty Kate“ heißt der Song, aber die „staubige Käthe“, die die Dänin Kira Skov gemeinsam mit ihrer Landsfrau Mette Lindberg aufs Tapet bringt, ist keine Räuberbraut, auch keine einsam und fern von Gott vergrabene Unglückliche, auch wenn der Auftakt des Stücks Erinnerungen an die „Murder Ballads“ von Nick Cave, speziell an „Where the Wild Roses Grow“ wach werden lässt. Der Song ist eine Verbeugung vor zwei britischen Kolleginnen – Dusty Springfield und Kate Bush. Und er entfaltet seinen Zauber, wenn Lindberg in Koketterie, Melancholie und Stimmlage Bushs verfällt. Die 44-jährige Dänin Skov (Kira & The Kindred Spirits) hat im Lockdown eine Duettplatte aufgenommen, eines der schönsten Alben des Jahres. Es enthält 14 filigrane Gewebe aus Folk und Pop mit gelegentlichen Stippvisiten beim Jazz.

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Wen sie auch anrief, der war dabei: Internationale Gäste wie Jenny Wilson, Will Oldham alias Bonnie „Prince“ Billy (gleich zweimal vertreten), Mark Lanegan oder John Parish wechseln mit heimischen Größen wie Marie Fisker und Stine Gron. Skovs „Spirit Tree“ ist dabei sowohl ein Stammbaum der musikalischen Wahlverwandtschaften als auch ihrer Vorbilder und ihrer Haltung. Das choralhafte „We Won’t Go Quietly“ ist der Black-Lives-Matter-Bewegung gewidmet, das tanzbare „Horses“ ist von Martin Luther King inspiriert. „Idea of Love“ könnte ein verlorener Johnny-Cash-Song sein, „In the End“ ein Leonard-Cohen-Outtake. Und wenn sie Dylan Thomas und Jack Kerouac über die Liebe parlieren lässt, Cohen, Hemingway, Whitman und Hermann Hesse in sich spürt, hat der Song alles, was Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ hatte: „A hustle here, and a hustle there …“

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Kira Skov – „Spirit Tree“ (Stunt Records)

Gary Numan spricht für den Planeten

Inspiriert von David Bowies Sci-Fi-Alias Ziggy Stardust und dessen elektronischen Berlin-Alben und dem Sound der Düsseldorfer Kraftwerk trat 1979 der 21-jährige Gary Newman ins Scheinwerferlicht und lieferte mit dem zweiten Album seiner Band Tubeway Army Musik, die klang wie Pop vom anderen Planeten. „Replicas“ war damals so fremd wie 2016 Bowies „Blackstar“ – das Album ein Meilenstein des Synthpop, die Single „Are ‚Friends‘ Electric?“ ein Klassiker bis heute. In der Folge war der Londoner hauptsächlich in seiner Heimat erfolgreich, in Deutschland hatte nur noch seine erste Solosingle „Cars“ Chartsberührung. Indes wurde er ein Musiker für Musiker, wertgeschätzt von Kolleginnen und Kollegen von Bowie bis Kanye West, von Prince über Trent Reznor bis Lady Gaga.

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„Intruder“ heißt sein neues Album, der Geist der „elektrischen Freunde“ durchdringt nicht nur den Titelsong mit seinem hymnenhaften Refrain. Längst gehören auch Gitarren zur Instrumentierung, die Beats sind zentnerschwer, es finden sich nicht zum ersten Mal Einflüsse orientalischer Musik. Von „Betrayed“ bis „When You Fall“ versendet Numan ein Dutzend Mal Drama, bedrohliche Sounds, Melodien, die sich oft genug im Gehörgang festsetzen. Und er lässt dabei seine Stimme in bowiesken Bögen exaltieren. Der Kreis schließt sich, Numans Weltsicht ist fatalistisch wie eh und je, sein Lockdownthema ist der Klimawandel, dem zu begegnen unzweifelhaft unser Jahrhundert bestimmen wird. Die Dringlichkeit ist offensichtlich, ausgehend von einer Idee seiner damals elfjährigen Tochter spricht er für den verlorenen blauen Planeten, der zurückschlägt, sieht den unausweichlichen Doomsday im wütenden „I Am Screaming“ oder der Pianoballade „A Black Sun“: „Ich heule unter einer schwarzen Sonne / und jedes Lied bleibt ungesungen“. Nie war der grandiose Außenseiter so relevant.

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Gary Numan – „Intruder“ (BMG)

Gary Louris und das Verschwinden der Bisons

Ein Mann mit Liedern wie orangefarbene Abendsonnen ist seit je Numans Namensvetter Gary Louris. Sein im Alleingang im heimischen Kämmerlein eingespieltes zweites Soloalbum heißt „Jump for Joy“ (nach „Vagabonds“ von 2008) und der in Ohio geborene Sänger tut auch in Lockdownzeiten, was er in den nunmehr 36 Jahren des Bestehens seiner Band The Jayhawks konnte wie kaum ein anderer: Er liefert Melodien aus, die ihm die kuscheligsten der Wohlfühlmusen in ihrer besten Stimmung zugeflüstert haben müssen. Zum Rootsrock der frühen Tage und dem Folkpop von „Tomorrow the Green Grass“ hat sich längst eine Liebe zum Pop der Sixties gesellt, der viele seiner Americanastücke in Beatles-Farben tunkt. Louris spielt aber auch mit Vokoderklängen („New Normal“) und das meiste hier klingt überhaupt nicht nach Kemenate Recording Studios. „In Between Days“ erinnert an eine Tom-Petty-Nummer, die Jeff Lynne mit ein bisschen ELO gewürzt hat. „Follow“ ist einer der happiesten Happy-go-lucky-Songs seit „There’s a Kind of Hush“ von Herman’s Hermits.

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Liebe, Erinnerungen, Vergänglichkeit sind die Themen. Im achtminütigen Epos „Dead Man’s Burden“ wird Louris dann auch düster, vergleicht die Menschen in ihrer Flüchtigkeit mit Seifenblasen und prophezeit: „Wir werden verschwinden wie der Bison verschwunden ist“ – das alles mit Queen-artigem Gitarrensolo und zitternden Synthstreichern. In „White Squirrel“ umarmt er mit einer Stimme, die – wie Wilco-Chef Jeff Tweedy auf dem Cover-Sticker versichert – „die eines Engels“ ist, alle, die sich im Abseits und einsam fühlen: „No, you’re not alone“.

Gary Louris – „Jump for Joy“ (Sham/Thirty Tigers)

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Justin Sullivan und die Schemen der Sklavenschiffe

Man kann heute schon fast froh sein, wenn einer von den Spätgeborenen schon mal den Klassiker der britischen Postpunkband New Model Army gehört hat. Den meisten aber ist selbst „51st State“ ein nie gehörtes Lied – ein Hinweis darauf, dass Gary Louris mit seinen Zeilen zur Vergänglichkeit recht hat. Unwissen lässt sich freilich immer in Wissen verwandeln. Und Justin Sullivan, den New-Model-Army-Sänger, seit je ein unbezwingbarer musikalischer Streiter für Planet, Umwelt, Klima, Gerechtigkeit, sollte man kennenlernen. Wie Louris hat Sullivan im Lockdown sein erst zweites Soloalbum eingespielt. Harfenist Tom Moth von Florence & The Machine und Bassist Jon Thorne von Lamb sind nur zwei der Musiker, die den spartanischen Akustikgitarrensound Sullivans dezent illuminieren.

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Dessen Stimme steht im Vordergrund dieses shantyhaften Folkalbums – schmirgelnd-rau, seufzend und beschwörend. Einer, dem man einfach zuhören muss, der hier Geschichten erzählt von Rassismus und Ausgrenzung, und dass man die „geisterhaften Schemen der Sklavenschiffe noch immer auf den Meeren segeln sehen“ kann („Akistan“), vom Raubbau an der Natur in Brasilien („Sao Polo“) oder von illustren Erinnerungen an eine Reise nach New Orleans („Ride“). Sullivan liefert keine Erklärungen – die meisten dieser Short Storys bewahren die Geheimnisse ihres Ursprungs. Einzig das wogende „Amundsen“ rekapituliert eine bekannte Geschichte: Aus der Sicht des norwegischen Polarforschers wird das gewonnene Rennen zum Südpol von 1911 dramatisch wiedergegeben, bis hin zu intensiven Reflektionen über den tödlich gescheiterten Konkurrenten Scott. Creepy!

Justin Sullivan – „Surrounded“ (Attack Attack Records)

John Hiatt, eine Meisterdobro und der „elektrische“ Cadillac

Mit dem Tenor von John Hiatt kann man ja schon lange Karotten und Härteres raspeln. Und die Dobro von Jerry Douglas klingt so, dass man dazu Whisky sippen möchte, und zwar im Wald von Lynchburg, Tennessee. Was die beiden Senioren der Populärmusik zusammen fabrizieren, hat Witz und Drive, angefangen vom „Long Black Cadillac“ der inzwischen „electric“ ist. Dass der als „sie“ personifizierte Schlitten „tausend Meilen mit einer Ladung schafft“, schwärmt Hiatt im Opener, und die lieblichen Twangs von Douglas’ Dobro schwimmen um seine Zeilen wie ein besonders kecker Delfin ums Schiff. Alles wunderbar munter und rustikal, was die beiden da mit Douglas’ versierter Band im RCA-Studio B von Nashville eingespielt haben.

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Eine Telefonzelle in Mississippi in der Mitte der Nacht wird besungen, der Sänger redet mit dem Operator, die „dimes“ gehen ihm aus – der Stoff aus dem die Songs der alten Zeiten waren – von Chuck Berrys „Memphis, Tennessee“ bis Moon Martins „Rolene“. Blues ist die Gangart, balladesk und in Midtempo. Wobei der „Keen Rambler“ direkt aus den Rock-’n’-Roll-Werkstätten Berrys stammen könnte und natürlich alles eine countryeske Färbung annimmt (die indes nie aufdringlich wird).

Dabei achtet Hiatt, auch mit 68 noch einer der besten Songwriter Amerikas, darauf, dass das Material herausragend ist. Die Melodien sind lieblich, die Worte beschwören Szenen, Düfte, Welten herauf – ob in „The Music Is Hot“ oder in „All the Lilacs in Ohio“. Und wenn er in „Light of The Burning Sun“ erzählt, wie sein Bruder war, der Suizid beging, wovon er träumte, dass er avocadofarbene Küchen im Mittleren Westen verkaufte, malt Douglas’ Dobro ihm dazu ein Epitaph in Regenbogentönen.

John Hiatt with The Jerry Douglas Band – „Leftover Feelings“ (New West Records)

Del Amitri bietet besten Achtziger-Gitarrenpop

Dass man nicht zurückgehen kann, meint Justin Currie und man fragt sich – könnte er’s doch, was er in „You Can’t Go Back“ verneint, hätte der Sänger von Del Amitri in den vergangenen 18 Jahren vielleicht ein paar Alben mehr mit seiner Band aufgenommen? War das ewige Pausieren einer der „Fatal Mistakes“ von denen der Albumtitel kündet? Hört man dieses Comeback durch, möchte man ihn glatt durchs Wurmloch schicken, ins Jahr 2002, als die Schotten den Vorgänger „Can You Do Me Good?“ aufnahmen – um sich’s nochmal durch den Kopf gehen zu lassen. Der Nachfolger, eher Nachzügler, ist vorzüglich – ein Nesthäkchen besten Gitarrenpops für all die, für die die Achtzigerjahre nie aufgehört haben. Die Lieder klingen nach „Oldies but Goldies“, die man bisher noch nicht kannte.

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In „You Can’t Go Back“, mit dem das Album eröffnet, verhandelt Currie aber nicht etwa den Scheideweg der Band, sondern einer alten Beziehung, wie es überhaupt oft um Persönliches geht, um Zusammengehörigkeit („Musicians and Beer“) oder die Endlichkeitsbekümmernisse des verdüsterten Frontmanns („I’m so Scared of Dying“). Mit einer bezwingenden Volltreffermelodie à la Tom Petty watschen Del Amitri den Brexit ab („Close Your Eyes and Think of England“), begeben sich mit „All Hail Blind Love“ in Richtung Folk, mit „Lonely“ Richtung Americana und schaffen mit dem Achtminüter „Nation of Caners“, eine Hymne, die sich mählich auftürmt wie ein üppiger Kumulushimmel. Wir freuen uns aufs nächste Album. Es nicht aufzunehmen, wäre – nun ja – ein fataler Fehler.

Del Amitri – „Fatal Mistakes“ (Cooking Vinyl)

Crowded House – pandemische Spuren im perfekten Pop

Meist dudelt ein Sender „Weather with You“ oder „Don’t Dream It’s Over“ und das war’s – und dann bricht es einem fast das Herz, wenn das alles sein soll, was von Crowded House, einer der besten Bands, die in den Achtzigerjahren gegründet wurden, übrig geblieben ist. Gott sei Dank ist längst das „Ich mach mir mein Radio selbst“-Zeitalter von Spotify und Konsorten angebrochen, sodass man von „Weather“ und „Dream“ zu „Dreamers Are Waiting“ vordringen kann, dem siebten Studioalbum der von Mitbegründer Neil Finn geführten Band, in der noch Bassist Nick Seymour, Keyboarder Mitchell Froom (ja, der war früher CH-Produzent!) und Finns Söhne Elroy (Schlagzeug) und Liam (Gitarre) spielen.

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Gäbe es ein heutzutage musikaffineres Radio, das weder Formel noch Alter der Musiker vor Qualität setzte, dann wäre der Opener „Bad Times Good“ dort in der Heavy Rotation, denn der Song filzt sich nicht nur per Melodie ins Ohr, sondern berückt dazu mit einem coolen Taktwechsel. Auch „Playing with Fire“ hat (theoretisch) Chartsappeal, dabei klafft jedoch eine Lücke zwischen „positiver“ Musik und „negativem“ Inhalt. Der Ich-Erzähler räsoniert hier übers Lebensende, Corona schimmert durch – oha – damit möchte der Rundfunk das Frühstück der Hörer lieber nicht belasten.

Auch „To the Island“ bietet moderate Electric-Light-Orchestra-Pracht, auch hier sind aber pandemische Textpartikel auszumachen. Dann versucht’s halt mit „Love Isn’t Hard at All“ (positive Botschaft), „Deeper Down“ (einer der Ohrthriller des Jahres), „Show Me the Way“ (Hoffnung trifft auf großes Songwriting). Jeff Tweedy würde die Gesänge wohl als „Stimmen von Engeln“ beschreiben. Mehr Wohlgefühl auf einer einzigen Scheibe kann man nicht bekommen.

Crowded House – „Dreamers Are Waiting“ (Universal)

Garbage gegen die Herrschaft der weißen Männer

„No Gods No Masters“ – der Albumtitel ist eine Absage an alle Autoritäten nach all dem autoritären Quatsch, den unsere Zeiten, wider alle unseligen Erfahrungen der Vergangenheit aufzufahren haben. Autoritäres Treiben verhindert sowohl die Rettung des Regenwalds im Kleinen als auch die Rettung des Planeten insgesamt. Überall sprießen solipsistische Potentaten, die nur sich und ihre Zeit kennen, die weder die kommenden Generationen im Blick haben, noch andersdenkende Zeitgenossen dulden. Kein Wunder, dass Shirley Manson wütend ist, dass das (wie bei Crowded House) siebte Album ihrer Band Garbage Zorn versendet. „Die Menschen, die die Welt regieren / haben einen beschissenen Schlamassel angerichtet“, zürnt Manson im kräftigen Opener „The Men Who Rule the World“.

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Die Botschaft der neuen Songs ist die, dass der Neubeginn Veränderung fordert, dass Veränderung Taten braucht und dass Musik ihr Scherflein beitragen kann und sollte. Garbage kommen mit Synthesizern und Gitarren („Wolves“), sie haben fiebernde Rhythmen („The Creeps“) und funkige Vibes und klingen damit nicht groß anders als in den Neunzigern, in denen sie berühmt wurden. Aber sie haben #MeToo auf dem Zettel, Black Lives Matter und den Klimawandel auch, sie sind speziell stinksauer auf all das, was unter dem Ex-Präsidenten Trump verhagelt und versäumt wurde. Aus der Empörung über Krisenblindheit und Gier haben sie ihr erstes politisches Album geschaffen, Protestsongs wie „Time Will Destroy Everything“, „A Woman Destroyed“ und „Destroying Angels“, gegossen in einen punkigen Rock mit Rhythm-’n’-Blues- und Elektroreminiszenzen. Und auf der Deluxeedition geben sie mit Bowie („Starman“) und Patti Smith („Because the Night“) ihre Roots preis. An Mut mangelt es Garbage nicht, nun braucht es nur noch Ohren.

Garbage – „No Gods No Masters“ (Stunvolume/BMG)

Die Prinzen beschwören die „geliebte Zukunft“

Ja, auch die Prinzen kommentieren den Zeitenlauf. Zu humorloser Wut reicht’s bei ihnen nicht, zu heiterer Nachdenklichkeit schon. Im Titelsong ihres neuen Albums „Krone der Schöpfung“ treten sie für die vom Menschen geschundene Natur ein. Die noch recht höfliche Refrainfrage: „Manchmal frag ich mich, sind wir selbst nicht das Problem?“ haben andere Bands freilich längst klipp und klar beantwortet.

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Aber Schwarzsehen ist nix für die Leipziger Poproyals, sie beschwören lieber zum 30-jährigen Bestehen in einem prinzentypischen Stück Schunkelpop die „Geliebte Zukunft“ als den „Ort der Träume“ und sind bereit für alles, was kommt. Die Zukunft mache aus Kohle Diamanten und aus Kriegen Frieden, so versichern Sebastian Krumbiegel, Tobias Künzel und Konsorten in bester A-cappella-Manier und sehen das Morgen weit optimistischer an als viele Kollegen: „Schön, dass es dich gibt.“

Vielleicht endet ja irgendwann auch die Cancel Culture: Die bekommt in „Dürfen darf man alles“ ebenso ihr Fettchen weg wie Querdenker und Aluhüte. Gefeiert wird das Jubiläum dann noch mit ein paar Gästen, die Gestriges der Prinzen heutig machen: Deine Freunde rappen mit bei der Neuauflage von „Alles nur geklaut“, Eko Fresh und MoTrip zu „Millionär 2021“ und die reformierten Doofen (Wigald Boning und Olli Dittrich) stehen ihnen bei der Offbeat-Polka-Version von „(Du musst) Ein Schwein sein“ zur Seite.

Die Prinzen – „Krone der Schöpfung“ (Warner Music)

No Angels lassen den süßen Vogel Jugend flattern

Natürlich will man den süßen Vogel Jugend zurückhaben. Und wer bringt ihn besser zurück als die Teeniebands, die man damals liebte. Schief ging das bei den Teens (die halt erkennbar keine mehr waren), aber recht gelungen war die Rückkehr von Take That. No Angels, Sieger der ersten „Popstars“-Staffel sind jetzt auch wieder zurück. Und die Auftaktsingle „Daylight in My Eyes“ war 2001 ja auch ein richtig doller Popsong. Mit dessen Neuaufnahme (alle Nichtengel separat, aus bekannten Gründen) beginnt das Comeback, das auch andere Updates aufbietet – etwa das abbaeske „When The Angels Sing“ oder die „Rivers of Joy“, die nochmal gospelig zum Stampfbeat fließen (vielleicht regnet’s ja auch Männer). Mit „All Cried Out“ und „There Must Be An Angel“ bekommen auch ihre Coverversionen der Songs von Alison Moyet und Eurythmics ihre No-Angels-Celebration-Version.

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Das meiste hier sind olle No-Angels-Kamellen mit frischen Beats und starken Gesangsaufnahmen, eine knappe Handvoll Lieder (vier, um genau zu sein) künden aber auch davon, dass das Wiederandocken an die Musikszene zukunftsgerichtet ist. Die Neulinge unter den Songs fallen zwar- bis auf die Ballade „Love You for Eternity“ - nicht groß auf in der üppigen 20-Song-Liste, was in erster Linie für eine stimmige Produktion spricht. Die Fans von damals hören den Flügelschlag des süßen Vogels wie den eines Phoenix. Und mit vier von fünf Gründungsmitgliedern (nur Vanessa Petruo ist nicht dabei) sind No Angels originaler als selbst die Rolling Stones.

No Angels – „20“ (BMG)

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