Liebe bereichert – Neues von Beyoncé und Jay-Z
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Die Dame mit dem geheimnisvollen Lächeln blickt auf sie herab: Beyoncé und Jay-Z drehten im Louvre. Szene aus dem Video zu „Apeshit“.
© Quelle: Ricky Saiz
London/Los Angeles. Liebe kommt ganz plötzlich, sie geht oft auch wieder ganz schnell – aber manchmal blickt sie noch einmal hinter sich und kann nicht anders als umzukehren. Beyoncé und Jay-Z hatten ihre schwere Zeit miteinander.
Der Gatte war nicht treu, Beyoncé hat über ihre Herzensmitternacht 2016 das wunderbare Album „Lemonade“ gemacht. Er hat sich 2017 mit dem Büßeralbum „4:44“ bei ihr entschuldigt. Und 2018 ist alles wieder gut. „Everything Is Love – Alles ist Liebe“ heißt das gemeinsame Album, das jetzt – zum Streamen und zum Downloaden – exklusiv bei Tidal erschienen ist, dem Streamingdienst, bei dem die beiden Carters Anteilseigner sind.
Das Album „Everything is Love“ kam über Nacht
Überraschend. Über Nacht. Wie schon die beiden anderen. Am Ende ihrer zweiten London-Show der gemeinsamen „On The Run II“-Tour kündigte Beyoncé der Menge am vorigen Sonnabend im Abschlussjubel eine Überraschung an. Nachdem sie die Bühne verlassen hatte, lief das Video zur neuen Single, gefolgt von den Worten „Album Out Now“.
„Apeshit“ hieß der Song zum Film – also „Affenscheiße“: ein Trap-Stück mit schleppendem Hip-Hop-Rhythmus, elektronischen Klängen, Gesang und einem Rap, der stakkatohaft wird. „Ich kann nicht glauben, dass wirs geschafft haben / das ist etwas, wofür wir dankbar sind“, singt Beyoncé, begleitet von dem Migos-Rapper Quavo.
Und Jay-Z ruft einige Lebensmomente ab, etwa als er wie ein „fuckin‘ Beatle“ durch Liverpool gerannt ist. Es geht ums Erreichte, märchenhaft reich und an der Spitze zu sein – gemeinsam. Und warum „Apeshit“? „Hast du je gesehen, wie das (Carter-)Publikum durchdreht“, wird gefragt. Oder wie es auf Vulgär-Englisch heißt: „Have you ever seen the crowd going apeshit?“
Jay-Z und das Glück, noch am Leben zu sein
Selbstbewusst. Das Video dazu wurde im Louvre gedreht, es ist also kunstvoll im eigentlichen Wortsinn. Zwei Superstars am Superort. Ein Selbstläufer ist „Everything Is Love“ wie es ein Album-Doppel von Madonna mit Michael Jackson gewesen wäre. Nur ist es eben noch viel intimer.
Und therapeutischer. Liebe, Entzweiung und Neuliebe werden nicht wie meist über bunte Blätter oder soziale Medien sondern über die Musik kommuniziert. Und zwar nicht einseitig wie bei Dylan, Prince oder jüngst Lykke Li, sondern im Song-Dialog mit dem Partner. Auch wenn Beyoncé Knowles-Carter hier deutlich öfter zu hören ist als Shawn Corey „Jay-Z“ Carter.
Vor allem in zwei Songs geht es um Herzensding, Augenbling und Schubidu. Im eröffnenden „Summertime“ werden „Pläne geschmiedet, in den Armen des/der jeweils anderen zu liegen“. Und im abschließenden „LoveHappy“ gibt Beyoncé den Hinweis an den einst ungetreuen Gemahl, dass in Sachen Seitensprung Wiederholungen ausgeschlossen sind: „Du kannst von Glück reden, dass ich dich nicht umgebracht habe.“ „All right, all right!“, kürzt der einsichtige Ehemann ab, bevor Beyoncé den Namen Becky aussprechen kann, ihren Sammelnamen für Jay-Z‘ Affären.
Vom Reichtum der Ur-Ur-Ur-Enkel
Gelegentlich geht es auf diesem Album - das mehr ein Hip-Hop- als ein Soulalbum ist, das bei „Nice“ auch seinen Jazzmoment hat, und bei „Heard about Us“ an den Westcoastrock der Siebzigerjahre erinnert - auch um wirklich Wichtiges: Um den alltäglichen Rassismus in Amerika, um die Gewalt weißer Polizisten gegen Schwarze, um die Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre. All das klingt an.
Aber selbst wenn es um völlig Unwichtiges geht, wie darum, wie toll alles für die Carter-Family läuft, muss man doch zumindest zugeben, dass es Witz hat, wenn Beyoncé rappt; „Meine Ur-Ur-Ur-Enkel sind schon jetzt reich / das sind eine Menge brauner Kinder für eure Forbes-Liste.“ Natürlich sind die Nachfahren das auch dank dieses Albums. Nie war es so wahr, dass sich zwei Eheleute, indem sie sich dem anderen mitteilen, einander bereichern. Alles ist Liebe. Und Liebe ist klingende Münze.
Noch ist keine CD erschienen, noch nicht einmal ein Veröffentlichungsdatum für physische Tonträger ist benannt, aber immerhin gibt es ein Cover. Es ist ein Motiv aus dem Video zu „Apeshit“: Zwei von Beyoncés Tänzern sind da zu sehen. Eine Frau bürstet einem Mann den Afro, im Hintergrund lächelt Leonardo DaVincis „Mona Lisa“.
Das Cover erzählt von der fürsorglichen Liebe
Gezeigt wird hier „jene Art von Liebe, die dir eine Tasse Tee macht“, wie es die Countrysängerin Gretchen Peters erst vor ein paar Wochen auf ihrem neuen Album besang. Die beste, weil fürsorgliche, hilfreiche Liebe. Hoffen wir, dass die Sonne jetzt dauerhaft auf Beyoncé und Jay-Z scheint.
Falls aber nicht, dann bekommen wir immerhin wieder so ein Bombending wie „Lemonade“. Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach eine tolle Platte draus. Und wenn es Kirschen sind, dann eben eine passable wie „Everything Is Love“.
The Carters: „Everything Is Love (streambar bei Tidal)
Von Matthias Halbig / RND