Jan Böhmermann: „Mit Glamour die Welt retten, das wär’ schon okay“
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Jan Böhmermann geht mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld auf Tour.
© Quelle: picture alliance/dpa
Leipzig. Jan Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld gehen wieder auf Tour – mehr als ein Dutzend Auftritte sind ab Anfang Januar in ganz Deutschland geplant.
Ihr Tourposter ist eine Hommage an das Kinoplakat von „Avengers: Endgame“. Wollen Sie die Welt in Superheldenmanier retten?
Ach, superheldenmäßig die Welt retten, das muss nicht sein. Aber mit Glamour die Welt retten, das wär‘ schon okay. Es ist ja zugleich auch eine „Star Wars“-Hommage, mit Lorenz Rhode, unserem musikalischen Mastermind, als dunklem Sith-Lord im Hintergrund. Und ein Hauch „Starlight Express“ ist ebenfalls dabei.
Trotzdem: Sehen Sie sich manchmal als medialer Superheld angesichts dessen, was Sie und Ihr Team vom „ZDF Magazin Royale“ wöchentlich aufdecken – und welche Wellen das schlägt?
Nö, dann könnte man ja gar nicht mehr richtig zur Arbeit gehen. Es ist ein normaler Bürojob, bei dem einmal pro Woche 199 Leute reinkommen und klatschen. Viel Zeit zur Reflexion haben wir gar nicht, und das ist auch gut so. Wenn man zu viel nachdenkt, fängt man irgendwann an, den Drachen zu jagen. Diese Freiheit, dass man sich in einer Woche um das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik kümmert, in der nächsten über Wein schimpft und dann wieder gar nichts Inhaltliches macht, sondern nur Musikerinnen und Musiker einlädt – das möchten wir wahnsinnig gerne beibehalten. Unser Anspruch ist es, einfach eine unterhaltsame halbe Stunde zu gestalten. Das entlastet.
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Das Tourposter der „Ehrenfeld Intergalaktik“-Tour.
© Quelle: Joseph Strauch & Erik Heise
Bei der Tour geht’s ums Herz
Eines Ihrer letzten großen Themen war die Generalkritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Konnten Sie sich das nur deshalb leisten, weil Sie so eine Größe innerhalb dieses Systems sind?
Es hilft natürlich, dass ich kein frischgebackener Volontär mehr bin, aber man muss auch sagen: Der oft behauptete und gerühmte Meinungspluralismus im ZDF und in der ARD, den gibt es tatsächlich. Da hat sich niemand ängstlich am Sessel festgekrallt, als wir uns des Themas angenommen haben. Im Gegenteil, wir haben wenige Sendungen gehabt, bei denen wir uns so wenig mit redaktionellen Anmerkungen des ZDF rumschlagen mussten, wie diese. Das Kernteam des „ZDF Magazin Royale“ ist schon jahrelang beim ÖRR und weiß, was scheiße läuft. Klar war es überraschend, dass Intendantinnen auf Senderkosten zu Charityveranstaltungen fliegen, obwohl da nichts Redaktionelles zu erledigen ist, bei so einem Ritter-Event in London. Aber dass Freie schlecht bezahlt werden, dass technische Stellen outgesourct werden, dass die Sender den politischen Druck von Rechtskonservativen und -populisten aus Angst und Unvermögen heraus mit Defensive beantworten, das ist nichts Neues. Das mal gebündelt zu artikulieren, hat auch für tolles Feedback von vielen Kolleginnen und Kollegen gesorgt. Der ehrlichste Anstoß der Kritik muss von außen kommen, und die ehrlichste Veränderung von innen.
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Nun gehen Sie während der Winterpause des Magazins auf Tour mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. Gönnen Sie sich auch mal eine richtige Pause?
Die Sommerpause ist immer sehr ausgedehnt und lang. Und diese Tour ist ja nicht nur Arbeit, sondern auch Ausgleich. Die Sendung ist sehr kopflastig, die Tour hat eher einen ganzheitlichen Ansatz: Da geht’s ums Herz, ums Transportieren von Emotionen. Natürlich sind Songs dabei, die inhaltlich interessant sind, aber Musikperformances live vor Tausenden Leuten mit einer tollen Show – das ist in erster Linie ein Gefühl und deshalb wichtig als Ausgleich für uns.
Also gibt’s weniger Konfrontation mit der harten Realität, sondern vor allem Eskapismus?
Genau – der Glitzer, der auf dem Plakat zu sehen ist, ist auch Programm. Das heißt nicht, dass es doof wird, aber ich finde es wichtig, auch mal den Glamour rauszulassen.
„Wichtig für die Musik selbst“
Und was steht so auf der Setlist?
Eine Mischung aus mühsam angespartem Material aus zehn Jahren. Viele Songs aus der Show werden ja nur einmal gespielt oder sind vorproduziert. Für „Ich hab Polizei“ mussten wir zum Beispiel erstmal ein Arrangement schreiben, um das auf die Bühne zu bringen. Dass wir die Songs häufiger spielen und live performen, ist auch einfach wichtig für die Musik selbst.
Sachsen liegt Ihnen ja bekanntlich sehr am Herzen, aber warum ist Leipzig die einzige Tourstation in den neuen Bundesländern?
Berlin ist ja auch in den neuen Bundesländern, und wir hätten noch wahnsinnig gern in Rostock gespielt. Am Ende war es aber eine Frage der Route und der Verfügbarkeit der Hallen, sodass wir es nicht aus ideologischen oder politischen, sondern aus rein praktischen Gründen nicht hinbekommen haben. Das passiert leider manchmal. Wenn man gerne in Erfurt spielen will, die Halle dort aber nur frei ist, während man gerade in Zürich ist, muss man abwägen, ob man die CO₂-Bilanz von sieben abgeholzten Wäldern dafür riskieren will, einen solchen Umweg zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass wir das nicht nachholen.
Werden Sie den Stopp dort auch gleich dafür nutzen, mal bei der Leipziger Polizei anzuklopfen, um zu fragen, ob es was Neues hinsichtlich der Hasskommentaranzeige vom vergangenen Jahr gibt?
Ja, und auch, um mal zu schauen, wo mein geklautes Fahrrad ist.
Im Ernst?
Das behaupte ich jetzt einfach mal, stellvertretend für alle in Leipzig, denen das passiert ist und deren Räder dann online verkauft wurden. Das ist auch so ein schwieriger Fall. Aber da gilt letztlich das Gleiche wie beim ÖRR: Man muss die Polizei nicht abschaffen, sondern schauen, was schlecht läuft, und es offen ansprechen. Strukturen müssen gewartet werden, genau wie ein Wasserwerfer. Da muss eben mal ein Ölwechsel gemacht oder das Wasser ausgetauscht werden. So muss man sich die Institution Polizei auch vorstellen. Die haben ja schließlich staatliche Gewalt und Waffen verliehen bekommen, und entsprechend müssen sie es sich auch gefallen lassen, dass man da mal kritisch draufguckt.
Weil Sie das auch in Ihrer Sendung gerne spielen, zum Schluss noch eine Runde „Entscheide dich“: Lieber Elon Musk als deutscher Bundespräsident oder Olaf Scholz als Twitter-CEO?
(denkt nach) Lieber Elon Musk als Bundespräsident, einfach wegen des disruptiven Moments und weil man durch das entstehende Chaos viel positive Veränderung drumherum schaffen würde, während die Leute abgelenkt von dem irren Egomanen Elon Musk aufgeregt schreiend durch die Gegend laufen.