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Reise ins Herz des tibetischen Hochlandes

Hochmütige Katze: die außergewöhnliche Kinodoku „Der Schneeleopard“

Zwei Männer im Schnee: Vincent Munier (l.), verantwortlich für Regie, Kamera, Buch und Idee, und Sylvain Tesson, Autor des Buchs „Der Schneeleopard“, arbeiteten zusammen an der Dokumentation.

Zwei Männer im Schnee: Vincent Munier (l.), verantwortlich für Regie, Kamera, Buch und Idee, und Sylvain Tesson, Autor des Buchs „Der Schneeleopard“, arbeiteten zusammen an der Dokumentation.

Es ist beinahe schon Besessenheit, die den preisgekrönten Wildlife-Fotografen Vincent Munier antreibt, sich auf die Spur des mysteriösen Schneeleoparden zu setzen. Erstmals 2011 versuchte er, diese vom Aussterben bedrohte Großkatze zu finden. Er verbrachte Monate in den Bergen Tibets, entdeckte ein paar Spuren, und das war‘s.

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Aber er ließ nicht locker. Bei der achten Reise – erst nur für Fotos, dann auch für ein Buch – entschied sich Munier, mit einem kleinen Team einen Film zu drehen. Er tat sich mit Sylvain Tesson zusammen, einem Reiseschriftsteller. Gemeinsam brachen sie auf ins Herz des tibetischen Hochlandes.

Das Resultat ihrer Expedition: ein atemberaubendes und poetisches Kinoerlebnis, unterlegt mit Nick Caves und Warren Ellis’ melancholischer Musik. Die Perspektive der beiden Abenteurer ergänzen sich: Munier mit seiner Suche nach Bildern, Tesson als Meister der Sprache. Ob sie am Ende den scheuen Schneeleoparden wirklich treffen, wird mit der Zeit zur Nebensache bei dieser kontemplativen Reise.

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Während Munier in der Einsamkeit seine Batterien auflädt, ist für Tesson die Ruhe ein Art Selbsterfahrung, um dem nervigen menschlichen „Puppentheater“ zu entkommen. Er erlebt ungewohnte Entschleunigung. Die Begegnung mit Tieren empfindet er als Verjüngungskur.

Geduldig liegen die Franzosen bei Eiseskälte auf der Lauer, suchen im Schneesturm auch mal Schutz in einer Höhle, unterhalten sich im Flüsterton, um die Tiere nicht zu stören, die sich ab und an zeigen – wilde Yaks, Wölfe, eine Bärenmutter mit ihren zwei Jungen, Antilopen, Geier, Kleinviecher.

Manche Bilder erinnern an märchenhafte Scherenschnitte, wenn sich die Tiersilhouetten vor bizarren Felsformationen oder am Horizont abzeichnen. Noch ist die Natur hier nicht aus dem Gleichgewicht, noch hat sie sich der Mensch nicht „unter den Nagel gerissen“, wie Munier sagt. Aber es ist auch die Angst zu spüren, dass dieses unberührte Paradies bald verschwinden könnte.

„Der Schneeleopard“ ist keine übliche Dokumentation, in der Tiere beobachtet und ihr Verhalten erklärt werden. Hier geht es zwischen Kunst und Philosophie um existenzielle Fragen, um das Verhältnis Mensch und Natur. Die beiden Männer reflektieren ihren eigenen Stellenwert in der Wildnis, lassen sich auf Flora und Fauna ein und lernen, neu zu sehen. Manchmal fragt man sich, wer beobachtet hier eigentlich wen?

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Die Aufnahmen von Co-Regisseurin und Kamerafrau Marie Amiguet bringen beides zusammen, eine erhabene Landschaft mit der Bedeutungslosigkeit des Homo sapiens. Wenn an einem der letzten Tage der majestätische Schneeleopard endlich auftaucht und sich Mensch und Tier taxieren, ist das ein magischer Moment. Fasziniert schauen die Männer ins „hochmütige Katzengesicht“. Und was macht das Objekt der Begierde? Gähnt ausgiebig und trollt sich.

„Der Schneeleopard“, Regie: Marie Amiguet und Vincent Munier, 92 Minuten, FSK 0

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