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Die Außenseiterrolle im deutschen Kino genoss er weidlich

Der letzte Rebell: Filmemacher Klaus Lemke ist gestorben

Ein Schild als Lebensmotto: Klaus Lemke stellt seinen Film „Champagner für die Augen – Gift für den Rest“ beim Filmfest München vor.

Ein Schild als Lebensmotto: Klaus Lemke stellt seinen Film „Champagner für die Augen – Gift für den Rest“ beim Filmfest München vor.

Beim Filmfest München Ende Juni hatte gerade noch sein letzter Film Premiere: „Champagner für die Augen – Gift für den Rest“ hieß er und war montiert aus Szenen seiner eigenen Werke, eine Liebeserklärung an das München der Siebzigerjahre. Der körperlich schon erkennbar geschwächte Klaus Lemke stellte ihn selbst vor und hielt dabei ein Schild hoch, auf dem stand: „Kunst kommt von küssen.“ Das war typischer Klaus-Lemke-Witz mit einem Hauch Provokation.

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Gewissermaßen hat sich Klaus Lemke damit seinen eigenen Abschiedsgruß entboten. Am Donnerstag ist einer der letzten Rebellen des deutschen Films im Alter von 81 Jahren gestorben.

Kreativ ohne „Staatsknete“

Lemke war immer ein Außenseiter im deutschen Kino – und genoss diese Situation in hohem Maße. Auf nichts schimpfte er so gern wie die deutsche Filmförderung: „Alles ist von Staatsknete zu Tode subventioniert“, gehörte zu seinen Lieblingssätzen. Erst ohne Unterstützung könne echte Kreativität entstehen. Seinen gerade aktuellen Film finanzierte er mit der Fernsehgage des vorigen. Lustvoll zelebrierte er unter der Schiebermütze seine Unabhängigkeit.

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Mit Handkamera zog Lemke mehr als ein halbes Jahrhundert los und drehte mit Laiendarstellerinnen und -darstellern, die ihm über den Weg liefen und oft mehr oder weniger sich selbst spielten. Ein ausgefeiltes Drehbuch brauchte er nicht. So entstanden halb dokumentarische Spielfilme, die viel Wirklichkeit atmeten. Zum Kultfilm – hier stimmt dieser überstrapazierte Begriff einmal – avancierte „Rocker“ (1972), eine Liebeserklärung an den Hamburger Kiez, in dem sich Halbstarke und Verlierer tummelten.

Leichtigkeit und Anstrengungslosigkeit

Überhaupt faszinierte ihn das halbseidene Milieu. In Lemkes Arbeiten ging es vorrangig um Sex, hübsche Frauen und Verbrechen. Vor allem aber war da eine Leichtigkeit und Anstrengungslosigkeit, wie sie das deutsche Kino sonst kaum kennt – und die er sich von der französischen Nouvelle Vague und dem US-Kino abgeschaut hatte.

Besonders München-Schwabing hat Lemke in Filmen wie „Idole“ oder „Amore“ verewigt. Das Schwabinger Kino Türkendolch diente ihm gewissermaßen als Wohnzimmer – und dort saßen auch Rudolf Thome, Werner Enke und May Spils. Genauso drehte er die Hauptstadttragikomödie „Berlin für Helden“, den Fuerteventura-Film „3 Kreuze für einen Bestseller“ und die St.-Pauli-Ballade „Dancing with Devils“. Seine letzten Filme trugen so schöne Titel wie „Bad Girl Avenue“ oder „Ein Callgirl für Geister“.

Quasi nebenbei entdeckte Lemke Schauspielerinnen und Schauspieler wie Iris Berben, Dolly Dollar und Wolfgang Fierek. Berben schrieb im Rückblick über den Moment des Kennenlernens: „In der Maxvorstadt, in der Flipperkneipe Bungalow, habe ich ihn getroffen damals, als 18-jähriges Mädel, das elf Jahre Internat hinter sich hatte. Ich fühlte mich wie weggesperrt in der Hölle und war voller Gier auf das Leben. Er hat mich dann mitgenommen auf eine Spielwiese, auf der wir mit ein paar anderen wilde und schöne Dinge gemacht haben.“

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Lemke wurde 1940 in Landsberg an der Warthe, heute Gorzów Wielkopolski geboren. Ende des Zweiten Weltkriegs flüchtete er mit Mutter und Schwester in den Westen. In Düsseldorf wuchs er auf, machte Abitur, studierte ein paar Semester Philosophie und Kunstgeschichte in Freiburg und hielt sich zunächst mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Seine Liebe aber gehörte dem Kino. Ohne dieses war ein Leben für ihn kaum vorstellbar.

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