Dieter Wedel – der gefallene Herrscher
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Regisseur Dieter Wedel, aufgenommen bei einem Komparsencasting für die Zwingerfestspiele im Staatsschauspiel.
© Quelle: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa
Als der Tod von Dieter Wedel am 20. Juli bekannt wurde, hatten viele eigentlich eine ganz andere Nachricht zu seinem Namen erwartet. Das Landgericht München I hatte nach 14 Monaten endlich mitteilen wollen, ob es zu einem Prozess gegen den TV- und Theatermacher wegen Vorwürfen sexueller Gewalt kommt. Stattdessen tat das Gericht kund, dass Wedel schon am 13. Juli in einem Hamburger Krankenhaus gestorben sei – „nach langer, schwerer Krankheit“. Das Verfahren werde eingestellt.
Sexvorwürfe beendeten die Karriere des Theater- und TV-Manns Wedel
Die Vorwürfe, die im Zuge der #MeToo-Debatte ab 2018 durch Schauspielerinnen in Berichten im „Zeitmagazin“ und „Die Zeit“ geäußert wurden und die bis in die Siebzigerjahre zurückreichten, beendeten die Karriere eines leidenschaftlichen Inszenierers, der 1942 in Frankfurt am Main geboren wurde und schon 1957 als Schüler sein erstes Theaterstück auf die Bühne gebracht hatte – „Massada“ im Kurhaus von Bad Nauheim, jenem hessischen Städtchen, in dem Wedel als Sohn eines Lederwarenfabrikanten und einer Pianistin aufwuchs.
Das Cäsar in seinem vollen Namen Dieter Karl Cäsar Wedel schlug früh durch – ein Drang zu herrschen war stets festzustellen bei dem Mann mit dem rötlichen Haar, er kam, sah und siegte. Als Student der Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin leitete Wedel schnell die dortige Studentenbühne. Nachdem er 1967 vom Hörspiel bei Radio Bremen zum Fernsehspiel beim NDR gewechselt war, wurde er dort flugs zum „Hausregisseur“ des Senders. Schon seine zweite TV-Arbeit „Gedenktag“ (1970) über den Arbeiteraufstand 1953 in der DDR brachte vortreffliche Quoten und Kritiken.
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Deutsche Seele packte Wedel in den Siebzigerjahren in zwei erfolgreiche Dreiteiler. In „Einmal im Leben“ (1972) und „Alle Jahre wieder“ (1976) zeigte er die fiktive Familie Semmeling zunächst als Häuslebauer, dann als Pauschalurlauber. Witzig und scharfsinnig waren die Einblicke ins Leben der Wohlstandsteutonen. 27 Millionen waren dabei – ein traumhafter Publikumsanteil von 68 Prozent.
Ende der Achtzigerjahre: Die Zeit der „Wedel-Brocken“ beginnt
Mit „Wilder Westen inclusive“ (1988) begann die Zeit der „dicken Wedel-Brocken“, budgetschwerer, stargeschmückter und höchst unterhaltsamer TV-Mehrteiler über Familie sowie Finanz- und Unterwelt. „Der große Bellheim“ (1992), „Der Schattenmann“ (1995) und „Der König von St. Pauli“ (1998) waren Wedels größte „Hits“, Schauspieler wie Mario Adorf oder Heinz Hoenig waren feste Größen in seinem Team. Und ähnlich wie bei Alfred Hitchcock sprach man in den Neunzigern in Vorfreude vom „neuen Wedel“.
Wedels Führungsstil galt als impulsiv und rüde, als Regisseur sei er jemand, „der sich einer Sache total verschreibt“, sagte der Theatermusiker Jörg Gollasch 2018 im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Den Schauspieler Paulus Manker, seinen „Luther“, entließ Wedel 2017 einen Tag vor Beginn seiner dritten Bad Hersfelder Festspiele. Worauf der Geschasste ihn mit einem „nordkoreanischen Diktator“ verglich, der Angst und Schrecken unter seinem Ensemble verbreite. Wedel bedauerte kurz darauf Härten und verletzende Kritik. Nach den gegen ihn erhobenen Vergewaltigungs- und Sexvorwürfen trat er am 22. Januar 2018 vom Intendantenamt zurück.
Schauspielerin Tempel hofft, dass mehr Frauen „ihre Geschichte erzählen“
Seine Mandantin sei „völlig perplex“ vom Tod des Regisseurs, sagte der Anwalt der Schauspielerin Jany Tempel (52), deren – von Wedel bestrittener – Vorwurf, sie sei von ihm 1996 in einem Münchner Hotel vergewaltigt worden, zur Anklageerhebung im März 2021 geführt hatte. Weil sich die Entscheidung über den Prozess so lange hinzog, war Tempel Ende Juni 2022 in einen Hungerstreik getreten. Sie hoffe nun, so der Anwalt, dass sich mehr Frauen trauen „und ihre Geschichte erzählen“. Wedels Angehörigen – der Regisseur hat sechs Kinder von sechs Frauen (darunter einen Sohn mit der 2019 verstorbenen Schauspielerin Hannelore Elsner) und ist mit der Filmproduzentin Uschi Wolters verheiratet – sprach er dennoch Mitgefühl aus.
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