David Bowie: Ein Held an allen Tagen
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Musiklegende David Bowie starb am 10. Januar 2016.
© Quelle: dpa
Hannover. Er war der Mann, der vom Himmel fiel. Und das gerade rechtzeitig, als die Popmusik Anfang der Siebzigerjahre ein wenig absehbar und langweilig zu werden begann. Ein feingliedriger Brite in seinen frühen Zwanzigern erschien da in den Musikmagazinen, knochig, beunruhigend schön und doch sehr sehr fremdartig.
David Bowie, gelernter Pantomime aus Brixton, begriff das Wort „Star“ im Doppelsinn, inszenierte sich fortan in immer neuen Verkleidungen und Persönlichkeiten. Wie ein außerirdisches Wesen, das wieder und wieder in hinreißender Vergeblichkeit versucht, als Mensch durchzugehen. Das dabei aber hoffnungslos aus der Masse heraussticht: androgyn, charismatisch, unnahbar, einzigartig.
18 Monate Kampf gegen den Krebs
Bowies berühmteste Band hieß entsprechend Spiders from Mars, sein erster Hit war 1969 die Ballade „Space Oddity“ über den Raumfahrer Tom, der es nicht zur Erde zurückschaffte. Er sang als Bühnenfigur Ziggy Stardust vom „Starman“, fragte „Is there Life on Mars?“, spielte in Nicolas Roegs Film „The Man who fell to Earth“ ein Alien und verkündete zuletzt auf seinem erschienenen neuen Album zu einem Science-Fiction-Video, er sei „no Pop-Star!“
Nur drei Tage später, zur späten Frühstückszeit, summten dann die Eilmeldungen in den Smartphones und Computern auf: „David Bowie ist tot“. Ein Schock. Niemand hatte etwas geahnt von seinem 18 Monate währenden Kampf gegen den Krebs.
Bowies Musik war immer anders
David Bowies Musik war immer anders und besonders, war schräg, spannend, aufsehenerregend. Geprägt war der 1947 als David Robert Jones geborene Musiker und Sänger von Rock’n’Roll, Musicals und Jazz, von Rhythm’n’Blues und Soul sowie von dem Verspielten und Psychedelischen, das die Beatles in den Pop gebracht hatten: „Come on and buy my Toys“ hieß ein folkiger Song von seinem ersten Album, das 1967 noch mit wenig Begleitfurore erschienen war.
Und Musik war fortan Bowies Hauptspielzeug (er war auch Schauspieler und Maler), mit dem das schönste Spiel zu spielen war – das der Überraschungen. Der Pioniergeist der Sechzigerjahre lebte in diesem dünnen, blonden Mann fort. Und so erwartete man jede seiner Singles, jedes seiner Alben, auch in seinen hochkommerziellen Achtzigerjahren, mit Vorfreude. Wissend, dass das Nächste niemals so sein würde wie das Vorherige, dass da einer seinen Hörer herausfordern, überwältigen, durchaus auch befremden und vor den Kopf stoßen wollte.
Seine erste Nummer Eins
Wer anders als Bowie hätte die Krone des Glamrock hingeworfen, als wäre sie ein alter Hut. 1975 geschah das. Da war Rock schon eine extrem vorsichtige Musik geworden. Die meisten großen Bands verharrten bei ihren Sounds, erfüllten Erwartungen, um nur nicht vom Olymp abzurutschen. Bowie war auf der „Diamond Dogs“-Tour im Sommer 1974 noch der König der exaltierten Stimmen und der blasierten Riffs gewesen.
Das Album „Young Americans“ war im Frühjahr 1975 voller Rhythmus, Chorgesänge und David Sanborns smoothem Saxofon. Plastic Soul nannte der amüsierte Bowie seine Variante der Black Music. Die exaltierte Stimme des Thin White Duke erklang zum funkigen „Fame“ (bei dem ihm Ex-Beatle John Lennon als Duettpartner assistierte). Und die vielen, die Bowie ob dieses Stilbruchs kreativen Selbstmord prophezeit hatten, staunten nicht schlecht. Der Song wurde sein erfolgreichster bis dato, seine erste Nummer Eins in den Billboard-Charts. Die Welt tanzte jetzt zu Bowie-Songs.
David Bowie in Berlin
1977 passierte das Gleiche wieder. Fort Berlin war damals die engste und spannendste Stadt der Welt. Bowie war 30 und mittendrin, nahm in der Mauerstadt in den Hansa-Studios seine Alben auf. Und machte jetzt Maschinenmusik, schickte zudem diesen unglaublichen New-Wave-Song über eine Mauerliebe in den Äther, mit neonkühlem Sehnsuchtssynthesizer und Oszillatoren, dazu dem Feedback von Robert Fripps Gitarre: „We can be Heroes just for one Day“ sang Bowie. Und er sang es auch auf Deutsch: „Dann sind wir Helden für einen Tag.“
Es ging um die romantische Vorstellung vom Aufsteigen, Strahlen, Verlöschen, Unvergesslichwerden in einem einzigen großartigen Moment. Um den einen Tag, den besten, der alle vorherigen wettmacht. Und danach keinen mehr, bitte!
Superstar und Stadionrocker
Und dann kommt eben doch der nächste und nächste und nächste … endlos. Davon erzählte „The Next Day“, das Comebackalbum von 2013 nach fast zehn Jahren Kreativpause. Bowie hatte dafür das alte Cover von „Heroes“ einfach mit einem weißen Etikett zugeklebt. Das machte Sinn. Es ging jetzt um die nicht eingelösten Versprechen des Lebens, das lange, langsame Verlöschen, das der höchsten Euphorie folgt.
Dazwischen war Bowie ein Superstar und Stadionrocker gewesen, hatte mit „Let’s Dance“ und „China Girl“ die Discos der Welt erobert, hatte Duette mit Queen, Tina Turner, Mick Jagger und dem Jazzgitarristen Pat Metheny eingespielt, und war mit der Band Tin Machine in eine künstlerische Krise gestürzt. Hatte sich nach einem Herzinfarkt 2004 von der Bühne abgemeldet. Und sang nun in dem Song „The Stars (are out Tonight)“ die Zeile „Ich hoffe, sie leben für immer“. Ein Lied, das nach Strafe und Verdammnis für die eigene Kaste klang. Und nach dem Beginn eines großen Alterswerks. Das kurz ausfiel.
Ein schwer zu akzeptierender Tod
Ganz am Ende hatte er auch wieder die Nase ganz vorn, als er mit „Blackstar“ seinen „Abschied vom Rock’n’Roll“ nahm, wie die deutsche Ausgabe des Musikmagazins „Rolling Stone“ titelte. „Blackstar“ hatte Bowie mit Jazzmusikern eingespielt, also nannte man es mangels Begriff in der ersten Hilflosigkeit Jazz. „Etwas geschah, an dem Tag, als er starb“, raunt Bowie im Titelsong, dessen Zeilen nun ganz anders gelesen werden. „Seine Seele erhob sich und trat zur Seite. Jemand anderes nahm seinen Platz ein.“
Jemand anderes ist aber nicht auszumachen. Und so ist es noch schwerer zu akzeptieren, dass David Bowie tot sein soll. Man will sich anderes vorstellen. Dass der Mann, der vom Himmel fiel, nur für eine Zeit wieder dorthin zurück gekehrt ist.
Von RND/Matthias Halbig