Das Leben ist ein Pferdehof: der Neowestern „Concrete Cowboy“
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Szene aus „Concrete Cowboy“.
© Quelle: Aaron Ricketts
Die Mutter hat seine Sachen in zwei Müllbeutel gesteckt, den Teenagersohn ins Auto verfrachtet und ist mit ihm von Detroit nach Philadelphia gefahren. Mitten in der Nacht steht Cole (Caleb McLaughlin) im Haus des Vaters, den er schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Das Sofa, auf dem er schlafen soll, ist verdreckt. Hinten in der Küche stapelt sich dreckiges Geschirr. Und aus dem Wohnzimmer wiehert plötzlich ein Pferd. Vater Harp (Idris Elba) hält sich nicht mit Erklärungen auf.
Für ihn und seine Nachbarn gehören Pferde zum urbanen Alltag im Norden Philadelphias. Die afroamerikanische Reitercommunity, die in der Fletcher Street einen der letzten innerstädtischen Pferdeställe betreibt, sieht sich in der Tradition schwarzer Cowboys. Rund ein Viertel der berittenen Viehtreiber zwischen 1860 und 1880 waren afrikanischer Herkunft. Im Western und in den weißgewaschenen Geschichtsbüchern tauchen sie nicht auf.
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Viele der schwarzen Cowboys ließen sich später als Pferdehändler am Rande der Städte nieder, bis die Automobile einzogen. In der Fletcher Street stehen heute noch parkende Kleinwagen und angebundene Pferde nebeneinander.
Abends sitzen Harp und seine Freunde am Lagerfeuer. Hinter ihnen eine Betonwand mit Graffitis. Sie trinken, rauchen und erzählen sich Reitergeschichten, die Generationen zurückreichen. Die Arbeit mit den Tieren hat viele vor dem Abstieg in die Kriminalität bewahrt. „Hier werden nicht nur Pferde zugeritten“ sagt Nessie (Lorraine Toussaint). Sie ist die Matriarchin der Ställe, die schon bald der Gentrifizierung weichen sollen.
Schnelles Geld oder Stall ausmisten
Cole weiß, dass sie von ihm spricht. Wiederholt war der 15‑Jährige in Schlägereien verwickelt und ist gerade wieder von der Schule geflogen. Aber auch das Leben in der Fletcher Street ist kein Ponyhof. Sein Freund Smush (Jharrel Jerome) zieht ihn in Drogengeschäfte und träumt davon, eine Farm zu kaufen. Hier das schnelle Geld, dort den Stall ausmisten: Cole muss sich entscheiden, welchen Weg er gehen und ob er sich mit seinem wortkargen Vater versöhnen will.
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Die Antwort fällt in Ricky Staubs Regiedebüt „Concrete Cowboy“ wenig überraschend aus. Die Annäherung zwischen Vater und Sohn ist nicht das Spannungsmoment dieses urbanen Westerns, sondern das Eintauchen in eine Staunen machende Subkultur. Wenn die Betoncowboys durch die urbanen Ghettolandschaften reiten oder sich neben der Straße ein Wettrennen mit dem Schulbus liefern, dann sind das Bilder von lyrischer Schönheit. Der amerikanische Freiheitsmythos hatte schon immer seine Heimat auf dem Rücken eines Pferdes.
„Luther“-Star Idris Elba sieht im Sattel verdammt cool aus und würde John Wayne locker in die Tasche stecken. Am Ende kommen die echten Cowboys aus der Fletcher Street ins Bild, von denen einige an der Produktion mitgewirkt haben – charismatische Gesichter, in die sich die Härten des Lebens und das Glück des Reitens eingeschrieben haben.
„Concrete Cowboys“, bei Netflix, von Ricky Staub, mit Idris Elba, Caleb McLaughlin, Lorraine Toussaint, 111 Minuten