E-Paper

Zwischen Lockdown und Lockern: Wie ist die Corona-Lage in Deutschland?

Ein verwittertes AHA-Plakat hängt in der Fußgängerzone von Zweibrücken. Die Stadt hat aktuell den geringsten Corona-Inzidenzwert.

Ein verwittertes AHA-Plakat hängt in der Fußgängerzone von Zweibrücken. Die Stadt hat aktuell den geringsten Corona-Inzidenzwert.

Es zeichnet sich ab, dass bei den Beratungen zwischen Bund und Landesministern am kommenden Mittwoch nicht mit einem Schlag alle geltenden Corona-Regeln wieder gelockert werden können. Auch eine allmähliche Lockerung der Maßnahmen, wie sie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für geboten hält, ist mit dem von der Politik formulierten Ziel erst dann möglich, wenn die Anzahl der Corona-Infektionen gering genug ist. Aber ist sie das schon?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Messen lässt sich das beispielsweise daran, wie gut auftretende Infektionscluster durch die Gesundheitsämter wieder schnell getestet, nachverfolgt und isoliert werden können. In Zahlen festgelegt ist das bislang anhand der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz, also 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche.

„Die Zahlen sind ermutigend, es gibt bei den Neuinfektionen einen spürbaren Trend nach unten. Aber man kann noch nicht abschließend sagen, wo wir am 14. Februar stehen“, prognostizierte Spahn an diesem Donnerstag bereits gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Was zeigen diese „ermutigenden“ Zahlen im Einzelnen? Hat Deutschland die Infektionslage wieder ein gutes Stück besser im Griff?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Der Corona Newsletter "Die Pandemie und wir" vom RND.

Die Pandemie und wir

Der neue Alltag mit Corona: In unserem Newsletter ordnen wir die Nachrichten der Woche, erklären die Wissenschaft und geben Tipps für das Leben in der Krise – jeden Donnerstag.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Corona-Neuinfektionen, Tote, Dunkelziffer

Nach einem starken Anstieg der Fallzahlen Anfang Dezember, einem Rückgang während der Weihnachtsfeiertage und einem erneuten Anstieg in der ersten Januarwoche sinkt die von den Gesundheitsämtern täglich registrierte absolute Zahl der Neuinfektionen seitdem „leicht“, heißt es im aktuellen Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Mittwoch. Zum Vergleich: Am 14. Januar wurden dem RKI noch 25.164 bestätigte Infektionen mit Sars-CoV-2 gemeldet, am 4. Februar waren es noch 14.211.

Auch die vom RKI errechnete Positivquote bei den durchgeführten Tests ist in den letzten Wochen gefallen. In der letzten Januarwoche betrug sie 8,5 Prozent, in der ersten Januarwoche lag sie noch bei 12,8. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass auch die Dunkelziffer in der Bevölkerung wieder niedriger wird. Denn je höher die Positivquote bei gleichzeitig hoher Fallzahl ausfällt, desto höher wird auch die Anzahl unentdeckter Corona-Infizierter geschätzt.

Seit Pandemiebeginn wurden in Deutschland 59.742 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus festgestellt. Die Zahl täglich übermittelter Todesfälle ist auch im Moment weiterhin auf hohem Niveau, allerdings nicht mehr so hoch wie noch Mitte Januar, als täglich mehr als 1000 Tote gemeldet wurden. An diesem Donnerstag beispielsweise wurden 786 Todesfälle registriert. Ältere Personen sind weiterhin sehr häufig von Covid-19 und schweren Verläufen betroffen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

7-Tage-Inzidenz: Mehr Landkreise unterhalb der 50

Nach wie vor ist eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als „sehr hoch“ ein. Allerdings gibt es eine positive Entwicklung: In den meisten Bundesländern sind weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen zu verzeichnen. Diese Zahl macht das Infektionsgeschehen auf der Grundlage der bestätigten Fälle auf regionaler Ebene sichtbar und ein Stück weit vergleichbar.

Die Deutschlandkarte mit gekennzeichneten Inzidenzen in den einzelnen Landkreisen färbt sich vielerorts langsam wieder von dunkelrot (ein Zeichen für eine sehr hohe Inzidenz) in Richtung orange, und mancherorts sogar schon hellgelb (Signal für eine Inzidenz von unter 50). Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgt das Ziel, die Sieben-Tage-Inzidenz auf unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zu senken.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz beträgt an diesem Donnerstag 80,7. Anfang Januar lag diese noch weit über 100. Schon mehr als 30 Kreise und Städte sind auf der Deutschlandkarte in der hellgelben Kategorie eingefärbt – und haben damit das vorläufige Lockdown-Ziel erreicht. 350 von 412 Kreise wiesen laut Situationsbericht vom Mittwoch aber noch eine hohe Sieben-Tage-Inzidenz oberhalb der kritischen Marke von 50 auf. In 122 Kreisen sind es mehr als 100 Fälle auf 100.000 Einwohner, in fünf Kreisen sind es sogar 250 bis 500 Fälle.

Das Infektionsgeschehen bezeichnen Virologen und Epidemiologen aber weiterhin als „dynamisch“ und „diffus“. In Bremen und im Saarland stieg die Sieben-Tages-Inzidenz in den letzten Tagen beispielsweise wieder leicht an. „Ob neue Virusvarianten dabei eine Rolle spielen, wird derzeit noch untersucht“, heißt es seitens des RKI. Aktuell liege die Sieben-Tages-Inzidenz in den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Hessen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über dem Gesamtdurchschnitt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Wo gibt es Ausbrüche und Hotspots?

Bundesweit gibt es in verschiedenen Kreisen Ausbrüche, die nach den an das RKI übermittelten Daten aktuell vor allem in Zusammenhang mit Alten- und Pflegeheimen, privaten Haushalten und dem beruflichen Umfeld stehen. Zusätzlich findet in zahlreichen Kreisen eine diffuse Ausbreitung von Sars-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung statt. Allerdings besteht weiterhin das Problem, dass zum Infektionsumfeld oft wenig bekannt ist. Die Infektionsketten können derzeit noch nicht eindeutig nachvollzogen werden. Auch das genaue Infektionsumfeld lässt sich häufig nicht ermitteln.

R-Wert noch nicht niedrig genug

Der vom RKI ermittelte R-Wert ist Ausdruck des Gleichgewichts zwischen dem infektionsvermeidenden Verhalten der Bevölkerung und der Infektiosität des Virus selbst. Diese Kennziffer gibt an, wie effektiv die Maßnahmen in der Summe wirken, etwa durch Kontaktbeschränkungen, Maske tragen, Kontaktnachverfolgung, Abstand halten. Anders als die Zahl der Neuinfektionen berechnet sich die Reproduktionszahl nicht tagesaktuell, sondern mit Blick auf den Status von vor anderthalb bis zwei Wochen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Eine Faustregel besagt: Befindet sich dieser Schätzwert stabil unterhalb der Marke von eins, sinken auch die Fallzahlen. Am Donnerstag lag der R-Wert beispielsweise bei rund 0,8. Da der R-Wert aktuell aber nur leicht unterhalb der kritischen Marke liegt, ist laut RKI bei gleichbleibendem Niveau nach wie vor mit einer weiterhin hohen Zahl von täglichen Neuinfektionen zu rechnen. Modellrechnungen etwa der Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation haben ergeben, dass erst ein R-Wert von 0,7 eine nachhaltige Viruskontrolle möglich mache.

Die Mutationen erschweren Lockerungen

Allerdings stehen die Berechnungen und Prognosen durch den R-Wert derzeit auf wackligem Boden. Denn die ansteckenderen Virusvarianten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien verbreiten sich bereits in Deutschland. Durch sie könnte auch der R-Wert um eins hinfällig werden, weil sich das Virus weitaus schneller von Mensch zu Mensch verbreiten kann – und dadurch auch die Anstrengungen zur Eindämmung durch Maßnahmen verstärkt werden müssen. Experten gehen auch davon aus, dass eine umso schnellere Ausbreitung der Mutationen droht, je früher es Lockerungen beim Lockdown gibt.

Experten gehen davon aus, dass die Mutanten bereits weiter verbreitet sind als bekannt. Allein in Köln wurden bis Dienstag 114 Fälle der mutierten britischen Virusvariante und 52 Fälle der südafrikanischen Variante nachgewiesen, wie eine Sprecherin am Mittwoch mitteilte. Bundesweit gibt es seit Tagen immer wieder Meldungen über Nachweise von Varianten – zuletzt beispielsweise in der Altmark in Sachsen-Anhalt, im sächsischen Vogtlandkreis, in Cottbus, im Landkreis Elbe-Elster, in Delmenhorst, in den Kreisen Mainz-Bingen, Rhein-Hunsrück, Germersheim und Trier-Saarburg. Anfang kommender Woche soll es eine offizielle Übersicht über die tatsächliche Ausbreitung dieser Mutationen geben, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin hervorhob.

Lage auf der Intensivstation entspannt sich etwas

Ziel des Teil-Lockdowns ist auch sicherzustellen, dass alle schwerer an Covid-19 Erkrankten in den Krankenhäusern behandelt werden können. Wer schwer an Covid-19 erkrankt, ist in vielen Fällen auf eine wochenlange Betreuung im Krankenhaus angewiesen. Deshalb kommt es bei der Beurteilung der Maßnahmen auch darauf an, wie es um die Kapazitäten von Intensivbetten, Geräten und Personal bestellt ist.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wertet tagesaktuell Daten aus den Kliniken bundesweit aus. Demnach sind am 4. Februar 4178 Covid-19-Patienten deutschlandweit in intensivmedizinischer Behandlung, 2300 von ihnen werden invasiv beatmet. Von 22.729 zur Verfügung stehenden Betten sind 4335 belegt. Zum Vergleich: Am 4. Januar waren noch 5744 Covid-19-Patienten auf Intensivstation. Der Patientenzustrom ist also weniger geworden, aber immer noch auf hohem Niveau.

2,5 Prozent Geimpfte gegen Covid-19 in Deutschland

Durch Impfungen gegen Covid-19 könnte die Pandemie irgendwann zum Stillstand kommen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Der Virologe Christian Drosten rechnete im Gespräch mit dem NDR diese Woche nicht damit, dass vor Ostern überhaupt ein nennenswerter Effekt durch die Impfungen bei der Pandemiedynamik in Deutschland feststellbar ist.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Aber die Zahlen zeigen: Es geht voran. Die Impfungen laufen nun seit 40 Tagen. Stand 4. Februar haben in Deutschland 2.091.689 Personen die erste Impfdosis erhalten. Das sind 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. 756.333 Menschen haben bereits die zweite Dosis verabreicht bekommen. Wegen Impfstoffknappheit werden Impfungen derzeit noch prioritär bestimmten Gruppen angeboten. Laut Impfdashboard hatten 47,1 Prozent der Geimpften eine berufliche Indikation, 34,4 Prozent ein Alter über 80, 30,9 Prozent der Geimpften waren Pflegeheimbewohner und 3,7 Prozent Personen mit Vorerkrankungen.

Mehr aus Gesundheit

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken