Wie krank macht Omikron – und was bedeutet das für die Winterwelle?
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Ein Patient liegt in einem Zimmer auf einer Corona-Intensivstation.
© Quelle: Fabian Strauch/dpa
Es ist die große Hoffnung: Die neue Variante, die sich innerhalb kürzester Zeit weltweit rasant ausbreitet und den Impfschutz deutlich herabsetzt, könnte zumindest in einer Hinsicht weniger aggressiv sein als bisher. Omikron könnte weniger krank machen als Delta.
Allerdings weiß im Moment niemand, ob das wirklich so ist. Und selbst wenn sich der Verdacht in den kommenden Monaten bestätigen sollte, bringt die Variante „eine neue Dimension“ in das Pandemiegeschehen, wie es der neue Expertenrat in seiner ersten Stellungnahme beschreibt. Heißt also: Selbst im Best-Case-Szenario gäbe es keine Entwarnung für die kommenden Monate. Die Corona-Lage werde auf jeden Fall „enorm herausfordernd“ und erfordere ein „gemeinsames und zeitnahes handeln“, so die Experten.
Omikron und die ungeahnte Winterwelle
Denn alle Modellierungen zeigen: Mit Omikron kommt eine sehr starke Infektionswelle auf Deutschland zu – und damit auch eine enorme Belastung für die Gesundheitssysteme. Selbst, wenn Menschen im Schnitt weniger schwer erkranken als bei bisherigen Varianten. Zwar sinken hierzulande aktuell noch die Inzidenzen. Das sei aber kein Zeichen der Entspannung, betont der Expertenrat. Vielmehr sei im neuen Jahr mit einer „explosionsartigen Verbreitung“ des Coronavirus zu rechnen. In kürzester Zeit könnten durch Omikron deutlich mehr Menschen infiziert werden – auch Geimpfte und Genesene.
Allein durch diese Dynamik wird es hierzulande „zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle“ kommen, wie es das Robert Koch-Institut (RKI) in seiner aktuellen Risikobewertung einschätzt. Und: „In Deutschland ist aufgrund der vergleichsweise großen Impflücke, die insbesondere bei Erwachsenen besteht, mit einer sehr hohen Krankheitslast durch Omikron zu rechnen“, schreibt der Expertenrat. Es sei bislang nicht davon auszugehen, „dass im Vergleich zur Delta-Variante Menschen ohne Immunschutz einen milderen Krankheitsverlauf aufweisen werden“.
Aufgrund des gleichzeitigen, extremen Patientenaufkommens ist eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser zu erwarten – selbst für den wenig wahrscheinlichen Fall einer deutlich abgeschwächten Krankheitsschwere im Vergleich zur Delta-Variante.
Aus der ersten Stellungnahme des Expertenrats
Wenn es darum geht, einzuschätzen, wie sich die Krankheitslast bei der Omikron-Variante auf das Pandemiegeschehen auswirkt, geht es also nicht um die Frage, ob die Winterwelle überhaupt kommt. Denn das ist unausweichlich. „Aufgrund des gleichzeitigen, extremen Patientenaufkommens ist eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser zu erwarten – selbst für den wenig wahrscheinlichen Fall einer deutlich abgeschwächten Krankheitsschwere im Vergleich zur Delta-Variante“, betont der Expertenrat.
Es geht also darum, wie wahrscheinlich es ist, dass das absolute Worst-Case-Szenario eintritt, wenn Omikron zusätzlich zu den bereits erwiesenen für die Infektionsdynamik problematischen Eigenschaften auch noch mehr krank machen würde. Angesichts von Daten aus Großbritannien könne das laut dem Modellierer Dirk Brockmann auf Deutschland übertragen bedeuten: Rund 30 Millionen Corona-Infizierte im Zeitraum bis April, mit täglich 3000 bis 5000 Hospitalisierten. So erklärte es der am RKI und an der Berliner Humboldt-Universität ansässige Wissenschaftler vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Science Media Center.
Südafrika-Berichte: Übertragbar auf Europa?
Wie hoch das Krankheitsrisiko individuell für Geimpfte, Genesene wie auch nicht geimpfte Menschen bei dieser Variante konkret ausfällt, kann man aber noch nicht sagen. Nachdem Omikron Ende November im südlichen Afrika entdeckt wurde, waren es zunächst frühe Klinikdaten aus der Provinz Gauteng, die darauf hoffen ließen, dass Infektionen im Schnitt harmloser verlaufen. Anekdotische Krankenhausberichte zeigten, dass Patienten und Patientinnen mit Omikron dort mildere und kürzere Covid-19-Verläufe hatten als noch bei Delta.
Einen Monat später, nachdem die Omikron-Fallzahlen dort explodierten, blieben die Krankenhauseinweisungen im Land auf einem moderaten Niveau. Das Risiko, ins Krankenhaus zu müssen, war bei mit Omikron Infizierten nach vorläufigen Daten rund 29 Prozent geringer als bei vorherigen Varianten, erklärte Mitte Dezember der südafrikanische Privatversicherer „Discovery Health“. Man sei angesichts dessen „vorsichtig optimistisch“, sagte Matshidiso Moeti, die Afrika-Regionaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation. Fachleute betonen aber, dass sich die Lage im Land nicht auf andere Länder mit anderer Alters- und Immunstruktur übertragen lasse – und die Daten noch nicht von unabhängiger Seite geprüft seien.
Forschende aus Großbritannien sind da deutlich weniger hoffnungsvoll. Ein Modellierungsteam des Imperial College London kommt nach der Auswertung erster Daten aus Krankenhäusern auf der Insel Mitte Dezember zum Schluss: „Wir finden keine Evidenz (sowohl für das Risiko der Hospitalisierung als auch Symptome) dafür, dass Omikron eine andere Krankheitsschwere hat als Delta.“ Die Daten zu Krankenhauseinweisungen seien allerdings auch noch begrenzt und vorläufig.
Omikron: Auch Geimpfte zeigen deutliche Symptome
Eine Analyse zu jüngeren Omikron-Infizierten in Norwegen, die nicht älter als 61 Jahre alt waren, lässt ebenfalls vermuten, dass die Variante deutliche Symptome hervorruft – auch bei zweifach Geimpften. Ende November hatten sich in Oslo bei einer Weihnachtsfeier fast 100 Menschen angesteckt – trotz hoher Impfquote und Durchführung von Corona-Tests. Ausgelöst wurde der Ausbruch von einem Reiserückkehrer aus Südafrika.
Das Norwegian Institute of Public Health (NIPH) hat zum Ausbruch eine Studie veröffentlicht. Derzufolge waren unter den 117 Partygästen 96 Prozent zweimal gegen das Coronavirus geimpft, 81 von ihnen waren mit Omikron infiziert. 91 Prozent der positiv Getesteten litten trotz zweifacher Impfung unter Symptomen wie Husten (83 Prozent), einer verstopften Nase (78 Prozent), Müdigkeit (74 Prozent) sowie Halsschmerzen (72 Prozent), Kopfschmerzen (68 Prozent) und Fieber (54 Prozent). Die meisten stuften den Schweregrad ihrer Symptome als mittelschwer ein. „Sieht mir nicht nach einer milderen Erkrankung aus“, tweetete der Virologe Christian Drosten zur Studie. „Niemand geboostert.“
Die Frage nach dem Impfschutz
Immerhin lassen Labordaten vermuten, dass zweifach Geimpfte einen gewissen Basisschutz vor schwerem Covid-19 behalten und Geboosterte diesen noch einmal deutlich steigern können. Zwar haben mehrere Studien gezeigt, dass es im Serum von Geimpften deutlich mehr Antikörper als noch bei Delta braucht, um das Virus zu neutralisieren. Das ist vor allem relevant für das Ansteckungsrisiko. Geht es aber um die Schwere von Covid-19, spielt wahrscheinlich noch ein weiterer Teil des menschlichen Immunsystems eine wichtige Rolle: T-Zellen.
Und denen kann Omikron womöglich nicht so einfach entkommen. So hat eine noch nicht begutachtete Untersuchung von Forschenden an der Universität Kapstadt gezeigt, dass ein Großteil der T-Zell-Antwort bei der Biontech-Impfung noch gegen Omikron wirkt. Und eine Preprintstudie aus Hongkong lässt ebenfalls hoffen. Die Forschenden konnten zeigen, dass sich Virenpartikel bei mit Omikron Infizierten deutlich weniger in der Lunge manifestierten als bei vorherigen Varianten. Das könne „ein Indikator für eine geringere Schwere der Erkrankung sein“, resümieren die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Signale aus dem Labor in der Realität bestätigen. Das würde noch einmal verdeutlichen, was die beste Strategie im Kampf gegen Corona und zum Schutz vor Covid-19 bleibt: sich impfen und boostern zu lassen. Gerade der Booster treibt erwiesenermaßen die Antikörper nach oben. Und die braucht es, um von vornherein zu vermeiden, sich anzustecken.