Wer sind eigentlich die Ungeimpften – und wie erreicht man sie noch?

Niedersachsen, Vechta: Eine junge Frau bekommt vom mobilen Team des Impfzentrums ihre erste Corona-Schutzimpfung verabreicht. Aktionen wie das Impfen auf der Kirmes stehen bei der Aktionswoche #HierWirdGeimpft im Fokus.

Eine junge Frau wird beim Kirmesbesuch während der Aktionswoche #HierWirdGeimpft von einem mobilen Team des Impfzentrums gegen Covid-19 geimpft.

Es braucht mehr Tempo bei den Impfungen. Ohne höhere Quote drohe ein „fulminanter Verlauf“ der vierten Welle, warnt RKI-Chef Lothar Wieler. Aktuell sind rund 62 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Die politische Antwort: Unter dem Motto „HierWirdGeimpft“ hat der Bund am Montag eine Aktionswoche eingeläutet, bei der sich Menschen ohne Termin und kostenfrei gegen Corona impfen lassen können – etwa in Bibliotheken, Baumärkten oder Einkaufszentren. Fachleute haben allerdings Zweifel, ob solche aufsuchenden Angebote allein ausreichen.

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Sie fordern zusätzlich bessere Informationen zur Covid-19-Impfung, bei der die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen mehr in den Blick genommen werden. „Die aufsuchende Arbeit ist sicherlich eine gute Idee. Sie muss aber kombiniert werden mit guter und aktiver Aufklärung“, betonte die Professorin für Gesundheitskommunikation Cornelia Betsch bei einem Gespräch mit dem Science Media Center (SMC).

Die Unsicheren: Sprachbarrieren, Schwangerschaft, Kinderwunsch

An der Universität Erfurt leitet die Wissenschaftlerin seit Pandemiebeginn die repräsentative Cosmo-Umfrage, bei der Menschen hierzulande regelmäßig zur Impfbereitschaft befragt werden. Unter den befragten Ungeimpften gaben rund 20 Prozent an, grundsätzlich impfbereit zu sein. „Diese Gruppe ist sehr gut durch Aktionen wie die Impfwoche erreichbar“, sagt Betsch. Wichtig sei aber, dass auch Menschen, deren erste Sprache nicht Deutsch sei, gut verständlich informiert würden.

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24 Prozent der befragten Ungeimpften fühlten sich eher unsicher und zögerten, ob sie sich nun impfen lassen wollen oder nicht. Dazu zählten beispielsweise Schwangere, Stillende und Frauen mit Kinderwunsch sowie Eltern von Minderjährigen. Es gebe jetzt die Chance, diese Gruppen, die sich noch uninformiert fühlten, gezielter anzusprechen. „Die meisten Unentschlossenen wollen im individuellen Gespräch von Ärzten informiert werden“, betont Betsch. „Ich weiß, das verlangt viel ab, aber wir haben jetzt Zeitdruck.“

Lange fehlten ausreichend Daten, aber inzwischen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) sowohl für alle Zwölf- bis 17-Jährigen als auch für alle Schwangeren, Stillenden und Frauen im gebärfähigen Alter die Impfung gegen Covid-19. Dass sich die wissenschaftlichen Einschätzungen zur Impfung für diese Bevölkerungsgruppen immer wieder veränderten, habe zu Verunsicherungen geführt, kritisiert Betsch.

Deshalb empfehle sie, dass jetzt Gynäkologinnen und Gynäkologen aktiv auf ungeimpfte Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch zugehen. Medizinstudierende könnten auch gezielt an Schulen gehen und über die Impfung informieren. Es sei auch sehr wichtig, dass die medizinischen Fachgesellschaften einfach formulierte Informationen zu Risiken und Nutzen an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte liefern, um gezielt dem „Universum an Falschinformationen“ entgegenzutreten.

Die Verweigerer: keine Impfung als politisches Statement

Wie will man in Zukunft motivieren, wenn man auf Druck setzt?

Dr. Felix Rebitschek,

Wissenschaftlicher Leiter des Harding-Zentrums für Risikokompetenz

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56 Prozent der Ungeimpften zählten der Umfrage zufolge zu den Verweigerern. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland machten diejenigen mit ablehnender Haltung dann 10 Prozent aus. Laut Cosmo-Umfrage äußerten sie oft starke Sicherheitsbedenken bezüglich der Impfung und schätzten das Risiko durch das Virus selbst als niedriger ein. Die Ablehnung der Impfung sei für einige auch eine Möglichkeit, die politische Unzufriedenheit auszudrücken. Das Vertrauen in die Politik sei angesichts des Wahlkampfes im Moment eher gering. Deshalb sei es wichtig, die Impfdebatte „raus aus dieser politischen Arena wieder mehr zu einem Gesundheitskontext“ zu bekommen, betonte Betsch.

Als Absender von Informationen müssten Ärzteschaft, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fokus stehen – und nicht Politikerinnen und Politiker. „Es muss klar sein: Impfen ist eine wichtige Gesundheitsentscheidung, keine politische Entscheidung oder politisches Statement“, betonte Betsch. Die 2-G-Regel, also dass nur Geimpfte und Genesene Zugang zu bestimmten öffentlichen Bereichen haben, könne eine höhere Impfquote zwar leicht befördern, führe aber auch dazu, dass sich Ärger unter Ungeimpften breitmacht.

Dr. Felix Rebitschek, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Potsdam, hat Zweifel, ob ein erhöhter Druck auf Ungeimpfte durch die 2-G-Regel auf lange Sicht die zielführende Strategie ist. Mit Blick auf mögliche Auffrischungsimpfungen und weitere Pandemien in der Zukunft sei es kritisch zu sehen, wenn die Menschen die Impfung jetzt nicht als eine individuelle Risiko-Nutzen-Entscheidung erlebten.

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„Wie will man in Zukunft motivieren, wenn man auf Druck setzt?“, gab Rebitschek im SMC-Gespräch zu bedenken. Er spreche sich stattdessen dafür aus, jetzt Arbeitgeberverbände, Vereine und Gewerkschaften stärker an der Impfkampagne zu beteiligen. Sie könnten beispielsweise Ärztinnen und Ärzte vor Ort einladen und mit Informationsangeboten unentschlossene sowie die Impfung ablehnende Menschen erreichen.

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