Wann ist eine Booster-Impfung sinnvoll – und für wen?
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Eine Frau in Israel erhält die dritte Dosis des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer. Angesichts steigender Infektionszahlen hat Israel als erstes Land damit begonnen, Menschen über 60 Jahren zum dritten Mal gegen das Coronavirus zu impfen.
© Quelle: Maya Alleruzzo/AP/dpa
Wie sinnvoll ist eine Booster-Impfung bei zweimalig gegen Covid-19 Geimpften? Weil die Antikörperspiegel im Blut Geimpfter nach einigen Monaten immer mehr fallen und vermehrt Infektionen Geimpfter beobachtet wurden, gehen viele Experten und Expertinnen von einem allmählich nachlassenden Impfschutz aus. Dieser reicht aber meist noch aus, um vor schweren Verläufen zu schützen.
Christine Dahlke, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung klinische Infektionsimmunologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), betonte auf einer Veranstaltung des Science Media Center, dass bei einem absinkenden Spiegel von Antikörpern im Blut nicht zwangsläufig der Impfschutz aufgehoben sei. „Selbst wenn das Level an Antikörpern so niedrig ist, dass es nicht messbar ist, heißt das nicht, dass Sie nicht geschützt sind“, so die Wissenschaftlerin. Es bestehe dann vielleicht die Möglichkeit, sich zu infizieren. Aber eine schwere Erkrankung könne meist noch durch die sogenannten Gedächtniszellen verhindert werden, die nach Kontakt mit dem Erreger in kurzer Zeit neue Antikörper produzieren könnten.
Aus demselben Grund hält Dahlke es auch nicht für nötig, alle mit Astrazeneca Geimpften nochmals mit Biontech-Vakzinen zu impfen. Diese hätten zwar tendenziell niedrigere Antikörperspiegel im Blut, seien aber wohl durch ihre Gedächtniszellen vor einer schweren Erkrankung geschützt.
Weiterhin Schutz vor schweren Verläufen
Dahlke sieht Booster-Impfungen aber als mögliche Alternative zur Entwicklung neuer, an Varianten des Virus angepasste Impfungen. So ließen sich durch eine Booster-Impfung höhere Antikörperspiegel über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten. Und grundsätzlich kämen Geimpfte mit hohem Antikörperspiegel auch besser mit Varianten des Virus zurecht.
Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung am Berliner Universitätsklinikum Charité, erwartet, dass nicht nur bei immunsupprimierten Geimpften, sondern auch bei Senioren und Seniorinnen der Impfschutz schneller nachlässt. Diese Personengruppe hätte auf die zweite Impfung bereits schlechter angesprochen als Jüngere mit gesundem Immunsystem. Daher werde man auch in diesen Gruppen wahrscheinlich schneller einen Abfall der Antikörpertiter sehen, sagte Sander. Er wies darauf hin, dass bei den Geimpften auch sechs Monate nach der zweiten Dosis vermutlich noch ein hoher Schutz vor schweren Erkrankungen bestehe, wie Daten aus Israel gezeigt hatten. Selbst wenn dieser aber nur leicht absinke, könne sich das jedoch in den höheren Altersgruppen schon spürbar auf die Zahl der schweren Verläufe auswirken.
Infektionen Geimpfter seien bei nachlassendem Impfschutz in jedem Fall häufiger zu erwarten: „Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass ein vollständig geimpfter Mensch kein Virus mehr übertragen kann“, sagte Sander. Daten aus Israel hätten ebenfalls gezeigt, dass einige Geimpfte dabei recht hohe Viruslasten aufweisen und den Erreger daher auch an andere weitergeben könnten. Daher seien Vorsichtsmaßnahmen wie das Tragen einer Maske auch für Geimpfte vorerst weiterhin sinnvoll. Dass eine Booster-Impfung zu stärkeren Nebenwirkungen oder Impfreaktionen führen könne, sei nicht vollständig auszuschließen, er mache sich aber „keine Sorgen“, da vor allem bei Hochbetagten die Verträglichkeit der Impfungen gut sei. Natürlich müsse man dies aber überwachen.
Dritte Impfdosis ethisches Dilemma
Maike Hofmann, Arbeitsgruppenleiterin im translational experimental immunology lab am Universitätsklinikum Freiburg, sagte, es fehle ein Parameter, um zu bestimmen, wie gut ein Geimpfter zu einem bestimmten Zeitpunkt noch vor einer schweren Erkrankung geschützt sei. Das bloße Infektionsrisiko sei dabei weniger wichtig. Alle drei Experten gehen davon aus, dass eine Auffrischungsimpfung irgendwann benötigt wird, glauben aber nicht, dass diese in halbjährlichen Abständen wiederholt werden muss, sondern im besten Fall erst nach mehreren Jahren.
Aber ist eine dritte Impfung in reichen Ländern vertretbar, während in vielen ärmeren Regionen Risikogruppen noch nicht einmal Zugang zu einer Impfdosis hatten? Aus diesem Grund hatte sich die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits gegen eine dreimalige Impfung ausgesprochen und gefordert, Impfstoffe stattdessen ärmeren Ländern zukommen zu lassen. Auch Sander räumte ein, dass viele Ländern noch kaum Zugang zu Impfungen hätten: „Dass es sich dann um ethisches Dilemma handelt, wenn wir hier weite Teile impfen können und uns vielleicht sogar für eine dritte Impfung entscheiden, ist vollkommen klar.“
Die obersten Gesundheitsbehörden in den USA halten eine Booster-Impfung derzeit nicht für nötig, da vollständig Geimpfte nach wie vor gut vor schweren Verläufen geschützt seien. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte vor Kurzem mitgeteilt, es sei „derzeit noch zu früh“, um sagen, ob und wann eine weitere Booster-Impfung benötigt werde.