USA, Brasilien, Russland und Co.: So verläuft die Pandemie in den neuen Corona-Hotspots
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In Brasilien wütet das Coronavirus: Auf dem Friedhof Nossa Senhora Aparecida in Manaus werden Tote in Massengräbern beerdigt.
© Quelle: Lucas Silva/dpa
Das Coronavirus hinterlässt weltweit eine Spur der Verwüstung. In mittlerweile mehr als 180 Ländern wurde der Sars-CoV-2-Erreger nachgewiesen – und sorgt mal für schwache, mal für stärkere Nachwehen. Die Zahl der Infizierten, Toten und Genesenen variiert täglich und damit auch das weltweite Pandemie-Geschehen.
USA, Brasilien und Russland haben die meisten Infizierten
Meldeten zu Beginn der Covid-19-Pandemie noch China, Italien und Spanien die meisten Infizierten, so sind es jetzt die USA, Brasilien und Russland. Auch im Vereinigten Königreich, in der Türkei, in Indien und im Iran ist die Zahl der Corona-Infizierten auf mehr als 100.000 gestiegen. Teilweise sind die hohen Zahlen natürlich durch die große Anzahl an Einwohnern des Landes begründet, aber auch relativ zu der Einwohnerzahl lassen sich dramatische Entwicklungen erkennen. Doch wie genau sieht die Situation in den neuen Corona-Hotspots derzeit aus?
USA
In den USA haben sich nach Angaben des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) mehr als 1,6 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Rund 97.000 Menschen sind dem Krankheitserreger bereits zum Opfer gefallen. 29 Bundesstaaten haben mittlerweile mehr als 10.000 positive Fälle gemeldet, unter anderem Kalifornien, Illinois, Florida und Texas.
Monatelang war das öffentliche Leben in den Vereinigten Staaten zum Erliegen gekommen. Dieser Stillstand hat auch nachträglich noch verheerende Folgen für die Wirtschaft: Mehr als 33 Millionen Menschen haben ihren Job verloren. Inzwischen wurden in den US-Bundesstaaten viele Restriktionen wieder gelockert.
Trump will Schulen schneller öffnen
Mit Nachdruck hatte Donald Trump die Wiedereröffnung der Wirtschaft vorangetrieben. Auf Twitter schrieb der US-Präsident am Sonntag: „Fälle, Zahlen und Todesfälle gehen im ganzen Land zurück!” Auch für eine schnelle Öffnung der Schulen sprach sich Trump aus.
Experten hingegen warnen vor einem zu schnellen Neustart. Die Koordinatorin der Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses, Deborah Birx, sagte am Sonntag dem Sender ABC, es sei weiter dringend geboten, Abstandsregeln einzuhalten und auf Zusammenkünfte von mehr als zehn Personen möglichst zu verzichten. Es gebe viele Fälle, in denen das Virus von Menschen, die keine Symptome zeigten, weitergereicht werde. Deshalb müssten proaktive Corona-Tests im Land ausgebaut werden.
USA verbietet Einreise aus Brasilien
Am Sonntag kündigte das Weiße Haus zudem an, dass Brasilianer und Ausländer, die sich in den zwei Wochen vor einer geplanten Einreise in Brasilien aufgehalten haben, nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Die Regelung gilt ab Freitag und ist zeitlich nicht begrenzt. Ausgenommen davon sind unter anderem US-Bürger, deren Familienangehörige, Menschen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung und Diplomaten. „Die Maßnahme wird dabei helfen, sicherzustellen, dass Ausländer, die in Brasilien waren, keine Quelle neuer Infektionen in unserem Land werden“, erklärte die Sprecherin von Präsident Donald Trump, Kayleigh McEnany.
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Angesichts der rasant steigenden Zahl von Corona-Infektionen in Brasilien hat die US-Regierung weitgehende Einreisebeschränkungen für Menschen aus dem südamerikanischen Land erlassen.
© Quelle: Elaine Thompson/AP/dpa
Wegen der Ausbreitung des Erregers hatte Trump bereits strikte Einreisestopps für Ausländer aus China, dem europäischen Schengenraum, Großbritannien und Irland verhängt. Auch Reisen über die amerikanische Grenze zu Kanada im Norden und Mexiko im Süden sind wegen der Pandemie vorübergehend teilweise eingeschränkt. Die US-Regierung werde zudem die Lage in anderen lateinamerikanischen Staaten genau beobachten, sagte Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O’Brien am Sonntag dem Fernsehsender CBS.
Brasilien
Brasilien gehört zu den neueren Corona-Hotspots. Nach Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums haben sich mehr als 363.000 Menschen mit dem Sars-CoV-2-Erreger infiziert, knapp 23.000 sind an dem Virus verstorben.
Vor allem die indigene Bevölkerung leidet unter der Corona-Pandemie. Unter den etwa 900.000 Indigenen seien bislang 980 Infektionen bestätigt, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker am Montag in Göttingen. Es habe unter ihnen mindestens 125 Todesfälle durch Covid-19 gegeben. Die Sterberate liege bei 12,6 Prozent – sie sei damit fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südamerikanischen Landes.
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Die Coronavirus-Pandemie trifft in Brasilien vor allem die indigene Bevölkerung.
© Quelle: Felipe Dana/AP/dpa
Für den Nothilfe-Koordinator der Weltgesundheitsorganisation, Michael Ryan, ist Südamerika das „neue Epizentrum der Krankheit” geworden. Grund dafür dürfte auch die Gesundheitspolitik des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro sein. Er hatte die Bedrohung durch das Coronavirus heruntergespielt, lediglich von einem „Grippchen“ gesprochen.
Städte diskutieren über Lockerungen
In vielen brasilianischen Städten wird trotz der steten Zunahmen der Neuinfektionen über Lockerungen von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen diskutiert – die Bolsonaro anfangs noch strikt abgelehnt hatte. In Rio de Janeiro erklärte Bürgermeister Marcelo Crivella, er wolle auch nicht lebenswichtige Geschäfte wieder öffnen lassen. In São Paulo stellte die Stadtverwaltung ihre Öffnungspläne für die Wirtschaft dagegen wieder auf den Prüfstand, wie die Zeitung „Folha de S. Paulo“ berichtete. Einige brasilianische Einzelstaaten diskutierten auch strengere Auflagen.
Russland
In Russland steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder an. Alleine am vergangenen Samstag meldeten die Behörden mehr als 9400 neue Fälle. Damit haben sich laut russischem Gesundheitsministerium mehr als 353.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert – die meisten meldeten die Städte Moskau und St. Petersburg. Die Zahl der Toten liegt derzeit bei mehr als 3.600.
Die Behörden wollen nun mit Massentests auf Antikörper einen besseren Überblick über den Verlauf des Ausbruchs bekommen. Seit einer Woche wurden nach Angaben der Stadtverwaltung vom Samstag gut 50.000 Menschen getestet. Bei 12,5 Prozent von ihnen seien Antikörper festgestellt worden.
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Mitarbeiter des russischen Gesundheitswesens nehmen bei Einwohnern Blut ab, das auf Antikörper gegen Covid-19 getestet wird.
© Quelle: Gavriil Grigorov/TASS/dpa
Senioren über 65 Jahre und Corona-Patienten sind in Quarantäne
Die Zahl der Toten dürfte im Mai ernsthaft steigen.
Tatjana Golikowa, Vize-Regierungschefin
In vielen Teilen Russlands dürfen die Menschen nur noch mit Mund- und Nasenschutz sowie Handschuhen einkaufen gehen und Bus und Bahnen nutzen. Menschen über 65 Jahre und mit Vorerkrankungen dürfen die Wohnung nicht verlassen. Ähnliches gilt für Corona-Patienten, die ihre Krankheit zu Hause auskurieren. Die Behörden in den Vororten von Moskau verhängen Medienberichten zufolge bei Verstößen nicht nur Bußgelder. Betroffene müssten als Strafe auch in Kliniken arbeiten.
Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa warf am vergangenen Freitag einen ernüchternden Blick in die Zukunft: „Die Zahl der Toten dürfte im Mai ernsthaft steigen." Sie verwies darauf, dass Russland erst später als viele europäische Länder schwer von der Pandemie getroffen wurde.
Großbritannien
„Wir machen echte Fortschritte in unserem Kampf”, sagte Matt Hancock, britischer Gesundheits- und Sozialminister. „Es ist wichtig, dass wir wachsam bleiben und darüber nachdenken, was wir alle tun können, um die Ausbreitung dieses Virus zu kontrollieren.”
Ein mögliche Maßnahme will das Vereinigte Königreich ab 8. Juni einführen: eine verpflichtende 14-tägige Quarantäne für Einreisende. Am vergangenen Freitag teilte Innenminister Priti Patel mit, dass diese Regelung für alle Reisende gelte, die aus dem Ausland nach Großbritannien einreisen – ausgenommen von Irland. Alle drei Wochen soll die Angemessenheit der Maßnahme überprüft werden.
Läden und Restaurants weiterhin geschlossen
Damit reagiert Großbritannien auf die steigende Zahl von Corona-Infizierte. Das britische Gesundheitsministerium meldet derzeit knapp 260.000 positive Fälle und rund 36.800 Corona-Tote.
Nach einigem Zögern verhängte Premierminister Boris Johnson, der selbst schwer an Covid-19 erkrankte, Ende März Ausgangsbeschränkungen. Diese sollen nun nur sehr vorsichtig aufgehoben werden. Läden und Restaurants sind weiterhin geschlossen. Entsprechend fiel auch der Umsatzeinbruch beim Einzelhandel aus. Die Erlöse seien im April im Vergleich zum Vormonat um 18,1 Prozent gefallen, teilte das Statistikamt mit – so stark wie nie zuvor.
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Indien
Das indische Gesundheitsministerium meldet derzeit mehr als 138.800 Corona-Infizierte und knapp 4.020 Tote. Am stärksten von der Pandemie betroffen sind die Staaten Maharashtra, Tamil Nadu, Gujarat und Delhi.
In Indien gilt seit zwei Monaten im Zuge der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre. Diese wird jetzt jedoch langsam wieder gelockert, obwohl die Zahl der Infizierten weiter steigt. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder neue Rekordwerte an Tagesinfektionen. Alleine am vergangenen Freitag meldeten die Behörden mehr als 6000 Infektionen innerhalb eines Tages – der bislang höchste Anstieg in 24 Stunden.
Inlandflüge sind wieder erlaubt
Auch die Wanderarbeiter stellt die Pandemie vor große Herausforderungen: Millionen von ihnen haben sich hungrig und verzweifelt auf den Weg von den Städten zurück in ihre Dörfer gemacht. Denn mit den landesweiten Ausgangsbeschränkungen haben sie ihre Jobs verloren und müssen sich alleine durchschlagen.
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Millionen von Wanderarbeitern haben durch die Corona-Pandemie ihre Arbeit verloren.
© Quelle: Ajit Solanki/AP/dpa
Nach einer zweimonatigen Pause sind außerdem Inlandflüge wieder möglich. Jeder Bundesstaat hat eigene Bestimmungen – unter anderem zur Anzahl der Flugzeuge, die nun landen dürfen und zur Quarantäne-Dauer für ankommende Reisende. Die Quarantäne kann bis zu 28 Tage lang sein. Wegen solcher Bestimmungen seien in der Hauptstadt Neu Delhi mehr als 80 Flüge gestrichen worden, sagte ein Flughafensprecher am Montag.
Türkei
Für den türkischen Gesundheitsminister Fahrettin Koca ist die Ausbreitung des Coronavirus im eigenen Land wieder unter Kontrolle. Trotzdem warnte er: „Das Virus wird in dieser Gesellschaft für einen Zeitraum weiter existieren, den wir nicht vollständig kennen." Alleine schon aus dem Grund, weil sich in der Türkei laut Gesundheitsministerium mehr als 156.800 Menschen mit dem Erreger infiziert haben und rund 4.300 sogar daran verstorben sind.
Das traditionelle Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadan mussten türkische Muslime dieses Mal in den eigenen vier Wänden feiern. Vom 23. bis 26. Mai gelte wegen der Coronavirus-Pandemie im ganzen Land eine strikte Ausgangssperre, hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt. Er hoffe, dass dies die letzte Maßnahme dieser Art sei.
Türkei will wieder ausländische Touristen empfangen
Ausgehverbote hatte die Regierung in ausgewählten Provinzen in den vergangenen Wochen über Wochenenden und Feiertage verhängt. Auf längere und landesweite Ausgangssperren hatte die Türkei verzichtet, um die angeschlagene Wirtschaft nicht weiter zu belasten. Komplette Verbote galten nur gruppenweise, beispielsweise für Senioren ab 65 Jahre. Mit den Lockerungen der Maßnahmen dürfen aber auch sie an festgelegten Tagen wieder aus dem Haus – beispielsweise am Sonntag.
Die Türkei sei ab Mitte Juni zudem bereit, auch Touristen aus dem Ausland wieder zu empfangen, sagte der türkische Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydin. „Alle notwendigen Vorkehrungen werden seitens der zuständigen Behörden getroffen. Voraussichtlich wird der Flugverkehr in der ersten Juni-Woche mit Inlandsflügen beginnen und sich vor Mitte Juni schrittweise mit internationalen Flügen ausweiten.“ Mit Beginn der Auslandsflüge würden dann auch die Quarantänebestimmungen wegfallen. Stattdessen würden Reisende bei Ankunft auf Corona getestet.
Iran
Im Iran haben sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehr als 135.700 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die Zahl der Toten liegt bei rund 7.400.
Vom 30. Mai an sollen alle Beamten im Land ihre Arbeit wieder aufnehmen. Auch die Sportwettbewerbe, insbesondere die Fußballspiele der ersten und zweiten Liga, sollen ab 11. Juni weitergehen, jedoch vorerst ohne Zuschauer.
Schulen und Universitäten bleiben geschlossen
Die Hotels, Restaurants und Cafés dürfen unter strengen Vorlagen ebenso wieder öffnen. Über die neuen Öffnungszeiten der Einkaufspassagen und Foodcourts – bis jetzt nur bis von 9.30 bis 18 Uhr Ortszeit –, Freitagsgebete in Großstädten sowie die Wiedereröffnung aller Moscheen werde am nächsten Samstag entschieden, so Präsident Hassan Ruhani.
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Mit Wiedereröffnungen von Hotels, Restaurants und Cafes soll die Wirtschaft im Iran wieder angekurbelt werden.
© Quelle: Ahmad Halabisaz/XinHua/dpa
Geschlossen bleiben hingegen bis auf weiteres die Schulen und Universitäten. Nur die Prüfungen für die Abschlussklassen sowie die Aufnahmeprüfungen für die Universitäten sollen schrittweise ab Mitte Juli stattfinden.
„Das Virus sollte zwar nicht unterschätzt, damit aber auch keine Panikmache betrieben werden“, sagte Ruhani. Fakt sei, dass die Zahl der Corona-Toten im Land in den letzten Tagen erneut gesunken sei. Außerdem hätten 88 Prozent von ihnen schon im Vorfeld an Herz- und Lungenkrankheiten oder Diabetes gelitten.
Laura Beigel mit dpa