Unsicherheit über tatsächliche Quote: Wie werden Corona-Impfungen gezählt?
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Bei der Interpretation von Impfquotendaten gibt es laut Robert-Koch-Institut (RKI) eine „gewisse Untersicherheit“.
© Quelle: Luise Evers/dpa
229 Tage nach dem Start der Corona-Impfkampagne laufen die Impfungen in Deutschland weiter. Mehr als 46 Millionen Menschen und somit 55,6 Prozent der Gesamtbevölkerung sind inzwischen vollständig gegen Covid-19 geimpft. 62,7 Prozent (52.108.008 Menschen) der Bevölkerung hat mindestens eine Impfdosis erhalten. Das sind zumindest die Zahlen, die aus dem Covid-19-Impfdashboard (Stand 11. August, 14.30 Uhr) hervorgehen und auf Daten des sogenannten Digitalen Impfquotenmonitorings (DIM) des Robert-Koch-Instituts (RKI) basieren.
Das RKI vermutet jedoch nun, dass die Meldungen im Dim die tatsächlichen Impfquoten unterschätzen, wie aus einem aktuellen Report hervorgeht. Was hat es damit auf sich? Fragen und Antworten zur Erfassung der Corona-Impfquoten:
Wie werden Corona-Impfungen in Deutschland gezählt?
Wie viele Menschen mindestens einmal oder vollständig geimpft sind, wird im sogenannten Dim erfasst. Autorisiertes Personal der Impfzentren, Krankenhäuser, mobilen Impfteams sowie der Betriebsmedizinerinnen und -mediziner können über diese Webanwendung die Daten eingeben und täglich an die Bundesdruckerei übermitteln, wie das RKI informiert. Außerdem fließen die Daten der Ärztinnen und Ärzte ein, die diese an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) übermitteln. Auch Privatärztinnen und Privatärzte leiten ihre Daten über eine eigene Plattform weiter. All diese zusammengerechneten Zahlen und Impfquoten können Bürgerinnen und Bürger unter anderem auf dem Covid-19-Impfdashboard des Bundesgesundheitsministerium abrufen.
Wie werden Erst-, Zweit- und vollständige Impfungen erfasst?
Jede verabreichte Impfdosis wird einzeln gezählt. Die Zahl der insgesamt verabreichten Impfungen entspricht somit nicht der Anzahl der vollständig geimpften Menschen. Denn um als vollständig geimpft zu gelten, müssen Menschen in Deutschland bei den hier zugelassenen Vakzinen der Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca eine zweite Impfdosis erhalten haben. Daher erfasst das Dim neben den Erstimpfungen separat die Zahl der vollständig Geimpften.
Eine Besonderheit gibt es beim Impfstoff vom Hersteller Johnson & Johnson: Da Menschen nur eine Dosis das Vakzins erhalten, wird die erste und einzige Impfung sowohl als Erstimpfung als auch als vollständige Impfung gezählt. Das gleiche Prinzip gilt für Genesene, bei denen ebenfalls nur eine Dosis zum vollständigen Impfschutz reicht. Somit entspricht auch die Zahl der vollständig Geimpften nicht der der Zweitimpfungen.
Warum sieht das RKI eine „gewisse Unsicherheit“ bei der Interpretation der Impfquoten?
Neben dem Dim gibt es noch eine weitere RKI-Erhebung namens Covimo, für die Impfquoten anhand von Befragungen hochgerechnet werden. Die Daten aus der jüngsten Erhebung legen nahe, dass die Meldungen im Dim die Impfquoten vermutlich unterschätzen. Denn in der Erhebung von Ende Juni bis Mitte Juli unter rund 1000 Erwachsenen fiel die Quote der mindestens einmal Geimpften „um einiges höher“ aus, besonders in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen: Während in der Befragung 79 Prozent angaben, geimpft zu sein, waren es laut Meldesystem 59 Prozent. Aufgrund dieser Diskrepanz gebe es laut RKI bei der Interpretation von Impfquotendaten eine „gewisse Untersicherheit“. Die Autoren des Reports schreiben, die tatsächliche Impfquote liege voraussichtlich zwischen den Werten beider Quellen.
Wie ist die Diskrepanz zwischen den Daten des Meldesystems und den der Befragung zu erklären?
Das RKI führt in seinem Report verschiedene Erklärungsansätze an. Ein Punkt ist die Erfassung der Impfungen mit Johnson & Johnson, bei denen nur eine Dosis für den vollen Schutz vorgesehen ist. Vertragsärzte meldeten diese Immunisierungen ausschließlich als zweite Impfdosen, zudem sei keine Zuordnung von Impfstoff und Altersgruppe möglich, erläutert das RKI. Im Report heißt es darüber hinaus, dass bisher nur etwa die Hälfte der beim Meldesystem registrierten Betriebsärzte Impfungen über die Webanwendung meldeten. „Dies könnte ein Hinweis auf eine Untererfassung der Impfquoten durch Dim sein.“
Die RKI-Fachleute diskutieren weitere denkbare Einflussfaktoren: etwa potenzielle Verzerrungen in der Befragung, die zu einer Überschätzung der Quote führen könnten. So sei etwa anzunehmen, dass Menschen, die Impfungen befürworten, eher mitmachen als Verweigerer. Auch Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse hätten nicht an den Interviews teilnehmen können. Für beide Aspekte geben die Autoren aber zu bedenken, dass dann auch bei den vollständig Geimpften eine größere Abweichung zwischen den Quellen hätte auftreten müssen.
Was bedeutet diese Diskrepanz zwischen den Daten nun für die Interpretation der Impfquoten?
Da die Covimo-Erhebung andere Impfquoten ermittelt hat, könnten vor allem unter jungen Erwachsenen und Erwachsenen im mittleren Alter schon mehr Menschen eine erste Impfung erhalten haben als offiziell im Dim verzeichnet. Inzwischen ist in den Dim-Daten daher ein Hinweis zu finden, dass die Impfquoten der mindestens einmal geimpften Erwachsenen nach Altersgruppe „systematisch zu niedrig ausgewiesen“ werden. Die Zahl der vollständig Geimpften ist hingegen schätzungsweise nicht betroffen: „In Bezug auf die Impfquoten zu vollständig Geimpften lag hingegen kein wesentlicher Unterschied vor“, heißt es im Report.
RND/bk/dpa