Stimmungstracker: Lässt sich das eigene Glück wirklich messen?

Lässt sich Glück messen – möglicherweise sogar per App?

Lässt sich Glück messen – möglicherweise sogar per App?

Glück ist für den US-Amerikaner Hugo Huyer ein Datensatz an Zahlen. Der Coach für psychische Gesundheit registriert seit sechs Jahren jeden Tag sein Wohlbefinden. Am Ende eines Tages zieht er Bilanz und gibt auf einer Skala von eins bis zehn an, wie glücklich er war. Mit einer Software legt er zudem Statistiken zu seiner Stimmung an. Huyers Credo: “Was gemessen werden kann, das kann man auch managen.” Auf seiner Homepage berichtet er von seinen Erfahrungen und ermutigt andere, es ihm gleichzutun.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Stimmungstracker immer beliebter

Haben wir zunächst akribisch unsere Schritte mit Fitnessarmbändern vermessen und per App jede zu uns genommene Kalorie gezählt, erreicht der Trend zur Optimierung mehr und mehr unsere Innenwelt. Glück, eigentlich ein subjektives Gefühl, wird in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer objektiven Zahl, die es zu steigern gilt.

Stimmungstracker, mit deren Hilfe man sein Wohlbefinden erfassen kann, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Es gibt sie als Apps, die über Fragebögen den aktuellen Gemütszustand der Nutzer abfragen. Aber auch in Form von Apps oder von am Körper getragenen Geräten, die versuchen, über körperliche Signale wie die Pulsrate Rückschlüsse auf den emotionalen Zustand der Person zu ziehen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

App misst nur die Grundemotionen

Doch beide Varianten haben ihre Schwächen. “Misst eine App körperliche Aspekte wie etwa die Pulsrate, kann das für ganz unterschiedliche Gefühle stehen”, sagt die Berliner Psychologin Judith Mangelsdorf, Institutsleiterin der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie. Ein hoher Puls könne für Angst stehen, wenn viel von dem Stresshormon Cortisol ausgeschüttet werde. Er könne aber auch genauso freudige Erregung bedeuten.

Menschen sind nicht alle gut darin, unterschiedliche emotionale Zustände zu unterscheiden und in Worte zu fassen.

Judith Mangelsdorf, Psychologin aus Berlin

Apps hingegen, die per Selbstauskunft die Zufriedenheit erfassen, kämpfen mit anderen Problemen. “Denn Menschen sind nicht alle gut darin, unterschiedliche emotionale Zustände zu unterscheiden und in Worte zu fassen”, so die Psychologin.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Apps möglichst einfache Kategorien für Emotionen zur Auswahl vorgeben: Die Nutzer sollen sich etwa entscheiden, ob sie Angst, Stress oder Gelassenheit verspüren. “Oft handelt es sich nur um Grundemotionen”, sagt Mangelsdorf. Doch die würden den verschiedenen Gefühlsschattierungen nicht immer gerecht. “Außerdem verhindert eine solche Vorgabe von einfachen Emotionen, wirklich in sich zu gehen und über seine Gefühle zu reflektieren.”

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Wohlbefinden der Nutzer auf Trab bringen

Gleichwohl wollen Apps nicht nur unser Wohlbefinden erfassen, sie wollen es auch positiv beeinflussen. Ein Beispiel ist Happify, eine App des gleichnamigen New Yorker Unternehmens: Verschiedene psychologische Übungen sollen hier das Wohlbefinden der Nutzer auf Trab bringen. Bei einer Aufgabe werden die User digital gebeten, drei gute Dinge zu nennen, die ihnen heute widerfahren und für die sie dankbar sind.

Wie gut eine solche Optimierung funktioniert, hat der Informatiker Andrew Schwartz von der Stony Brook University in New York auf die Probe gestellt. Er wertete die Daten von 150.000 Happify-Usern aus. Ergebnis: Im Verlauf von acht Wochen verbesserte sich das Wohlbefinden der untersuchten Nutzer im Schnitt um 27 Prozent.

Findet sich dann eine Verbesserung des Wohlbefindens, ist unklar, ob das mit der App selbst zusammenhängt oder damit, dass man eben ganz allgemein an seinem Wohlbefinden arbeitet.

Judith Mangelsdorf, Psychologin


Das klingt zunächst durchaus beachtlich. Doch es ist unklar, ob solche Verbesserungen tatsächlich auf das Konto der Apps gehen. Denn sie werden ja von Menschen heruntergeladen, die beschließen, an ihrem Glücksempfinden zu arbeiten. “Findet sich dann eine Verbesserung des Wohlbefindens, ist unklar, ob das mit der App selbst zusammenhängt”, sagt Judith Mangelsdorf, „oder damit, dass man eben ganz allgemein an seinem Wohlbefinden arbeitet.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mehr zum Thema

 

Klar ist hingegen: Die Optimierung der Gefühle per App klappt meist nur in dem Zeitraum, in dem diese genutzt wird. Schaut man sich das Wohlbefinden von Usern sechs Monate später an, fallen die Menschen wieder auf ihr altes Glücksniveau zurück. “Entscheidend ist damit letztlich, ob mich die App dauerhaft motiviert, sie zu nutzen oder neue Verhaltensgewohnheiten auszubilden”, meint Mangelsdorf. “Man braucht rund zwei Monate, um eine neue Gewohnheit auszubilden, und dann lassen sich auch dauerhaftere Effekte erzielen.”

Raus aus dem Hamsterrad des Alltags

Alles in allem lassen sich also Glück und Wohlbefinden nach dem derzeitigen Stand zumindest bis zu einem gewissen Grad messen und optimieren. Doch was bringt uns das letztlich? Judith Mangelsdorf wägt das Für und Wider ab. “Im Vergleich dazu, sich überhaupt nicht mit seinen Gefühlen und was diese beeinflusst auseinanderzusetzen, ist eine App in jedem Fall besser als nichts”, meint die Psychologin. Schließlich sei es in unserer schnelllebigen Zeit ein Problem, dass wir uns oft überhaupt keine Zeit nähmen, einmal innezuhalten.

Apps könnten uns immerhin in regelmäßigen Abständen dazu anhalten, unser Tun und Treiben zu unterbrechen und auf uns selbst zu schauen. Sich zu fragen: “Wie geht es mir gerade? Wie kann ich mich vielleicht etwas besser fühlen?” Das sei besser, als einfach immer weiter im Hamsterrad des Alltags zu laufen, so Mangelsdorf. “Für eine differenzierte und nachhaltige Beschäftigung mit den eigenen Gefühlen braucht es aber mehr als Apps.”

Einigen Befunden zufolge werden Menschen, die nach der Optimierung ihres Glücks streben, sogar unglücklicher, weil sie sich immer an dem hohen Standard messen.

Maike Luhmann, Psychologin von der Ruhr-Universität Bochum

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Für die Psychologin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum geht es um die Frage, ob das Streben nach Glück überhaupt gelingen oder sogar nach hinten losgehen kann. “Einigen Befunden zufolge werden Menschen, die nach der Optimierung ihres Glücks streben, sogar unglücklicher, weil sie sich immer an dem hohen Standard messen”, sagt Luhmann.

Andere Studien hingegen würden in die andere Richtung weisen: Menschen, die aktiv etwas für ihr Glück in Form von Glückstrainings tun, können damit auch glücklicher werden: “Insgesamt scheinen die Vorteile zu überwiegen, ein zu großer Druck bei der Selbstoptimierung kann aber auch kontraproduktiv sein.”

Mehr aus Gesundheit

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken