Schnelltests und kleinere Klassen: Virologen fordern bessere Pandemiestrategien für Schulen
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Schnelltests könnten nach Auffassung von Virologen in Schulen dazu beitragen, wieder schrittweise Normalität herzustellen.
© Quelle: izusek/iStock_1225027812/Wort &
Dem Herbst und dem Winter kommen in diesem Jahr eine besondere Bedeutung zu. Mehrere Virologen und Pandemieexperten warnten schon vor Monaten, eine zweite Infektionswelle in der kalten Jahreszeit müsse unbedingt verhindert werden. So auch der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten. Bereits im Juni sprach er im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ davon, wie dafür gesorgt werden könne, dass es „im Herbst und Winter nicht erneut zu Riesenausbrüchen kommt“, und wie auch ein neues, wirksames Konzept für Schulen dazu beitragen könne.
Virologen fordern neue Konzepte für Schulen
Das wichtigste Mittel, um auch weiterhin Präsenzunterricht gewährleisten zu können, ist laut Drosten die Teststrategie. Ziel müsse es sein, dass im Infektionsfall Einzelner nicht gesamte Schulen unter Quarantäne gestellt werden, sondern „höchstens einzelne Klassen“, erklärte der Virologe. Bisher setzen die Schulen lediglich auf Abstandsregeln, häufiges Lüften, eine Maskenpflicht auf den Gängen und zuweilen auch im Unterricht. Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass weitere und andere Maßnahmen notwendig sind, um einen möglichst normalen Schulbetrieb zu organisieren.
Auch die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf sieht Handlungsbedarf. „Wir haben noch mehrere Monate in der aktuellen Situation vor uns“, schreibt sie bei Twitter. „Wenn die Schulen offen bleiben sollen, dann braucht es schnell konsequente Konzepte.“ Denn gegen eine Fortsetzung des Präsenzunterrichts spräche bei bundesweit niedriger Inzidenz aus virologischer Sicht nichts, sagte sie in den ARD-„Tagesthemen“.
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Die Pandemie und wir
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Schnelltests könnten Schulschließungen verhindern
Doch um Schulschließungen wegen einzelner Infektionsfälle zu vermeiden, sei eine bessere Teststrategie notwendig. Auf Twitter verweist die Virologin auf vorliegende Daten zu Schnelltests mittels Rachenabstrich, die eine Chance für Schulen in der Pandemiezeit sein könnten. „Es wäre möglich, dies an den Schulen einzusetzen, um schnell und kindgerecht milde und asymptomatische Fälle zu erkennen und auch Lehrer bevorzugt zu testen“, so Eckerle.
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Denn nur durch regelmäßige Corona-Tests könnten Schulcluster und Kontakte schnell identifiziert werden, erklärt Eckerle. Zudem seien die Testergebnisse wertvolle Daten, mithilfe derer man bewerten könne, welche Schutzmaßnahmen in welcher Altersgruppe und bei welcher Inzidenz funktionieren.
Virologen empfehlen Unterricht in Kleingruppen
Bereits im August warnten mehrere Wissenschaftler, darunter Charité-Virologe Christian Drosten, Helmholtz-Forscherin Melanie Brinkmann und Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, in einer gemeinsamen Stellungnahme vor einem erhöhten Corona-Infektionsrisiko an Schulen. „Fehlende Präventions- und Kontrollmaßnahmen könnten in kurzer Zeit zu Ausbrüchen führen, die dann erneute Schulschließungen erzwingen“, heißt es in dem Papier der Gesellschaft für Virologie.
Die Experten stellten jedoch verschiedene Maßnahmen vor, um das Übertragungsrisiko an Schulen zu minimieren. So lautet ein Vorschlag, die Klassengrößen abhängig von der Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Dabei sollten in Bezug auf die Schulklassen „aus virologischer Sicht feste Kleingruppen definiert werden mit möglichst geringer Durchmischung der Gruppen im Schulalltag“.
Zudem sprachen sich die Virologen für das „konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts“ sowie „pragmatische Lösungen für einen verbesserten Luftaustausch“ in den Schulen aus. Besonders in Hinblick auf den Anstieg der Infektionszahlen zum Jahresende plädieren die Experten zu einer Verlängerung der Weihnachtsferien im neuen Jahr, da es über Weihnachten durch Familienfeiern zu einer weiteren Zunahme der Infektionsrisiken kommen könne.
Kinder spielen in Pandemie entscheidende Rolle
Dabei betonen die Virologen, dass Kinder – anders als zuerst angenommen – in der Pandemie sehr wohl eine entscheidende Rolle spielen. Es habe sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass sich die Viruslast bei Kindern nicht von der Viruslast Erwachsener unterscheidet. Eine schwedische Studie konnte sogar nachweisen, dass Kinder häufiger Kontakt mit dem Coronavirus haben als Erwachsene. „Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen“, heißt es in der Stellungnahme. „Eine Unterschätzung der Übertragungsgefahren an Schulen wäre kontraproduktiv für das kindliche Wohlergehen und die Erholung der Wirtschaft.“
Klar sei, dass viele infizierte Kinder ein wenig ausgeprägtes Krankheitsbild oder gar keine Symptome zeigten, betonte auch Isabella Eckerle in den „Tagesthemen“. Doch bei hohen Infektionszahlen, wie sie momentan vorliegen, lassen sich auch Infektionen an den Schulen nicht verhindern. „Das spiegelt einfach das Gesamtgeschehen in der Bevölkerung wider“, so Eckerle. Daher müsse jetzt genau hingeschaut werden, wie viele Infektionen aus den Schulen herausgetragen werden.
Nach einem Treffen am Montag hatten Bund und Länder ihre Entscheidung über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie und neue Maßnahmen für den Schulbetrieb auf kommende Woche vertagt.