Nach Covid-19-Infektion: Kann ein Reha-Aufenthalt helfen?
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Viele Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankt sind, haben Folgeerkrankungen.
© Quelle: Roland Weihrauch/dpa
“Als ich aus dem Krankenhaus gekommen bin, war ich eigentlich ein Pflegefall.” Wenn Marlene Maier (Name von der Redaktion geändert) über ihre Covid-19-Erkrankung spricht, kann man die Strapazen, die sie hinter sich hat, deutlich in ihrer Stimme hören. Vier Wochen auf der Intensivstation, 17 Tage im Koma - Maier hatte es sehr schwer erwischt. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob sie die Infektion überleben würde. Doch Maier hat überlebt und muss sich jetzt einer neuen Herausforderung stellen: gesund werden.
Etwa 167.300 Menschen gelten laut RKI (Stand 3. Juni, 0 Uhr) als genesen. Doch „genesen” ist in diesem Zusammenhang ein trügerisches Wort. Es bedeutet eigentlich nur: Die ehemals positiv Getesteten haben keine Covid-19-Symptome mehr, das Virus wurde bei ihnen nicht mehr nachgewiesen. Dabei kann die Erkrankung ganz unterschiedlich verlaufen.
Manche merken sie gar nicht, bei anderen ist sie mit einer schweren Grippe vergleichbar, manche müssen ins Krankenhaus und einige sogar auf die Intensivstation. Wie es diesen Menschen nach der akuten Erkrankung geht, welche Einschränkungen sie haben, mit welchen Folgen sie kämpfen, welche Unterstützung sie brauchen, das alles ist - wie so oft bei Corona - noch gar nicht klar.
Fertige Konzepte gibt es noch nicht
“Wir beginnen gerade erst, die akute Phase von Covid-19 zu verstehen, über die Reha-Phase gibt es noch gar keine richtigen Daten”, erklärt Rembert Koczulla, Chefarzt am Fachzentrum für Pneumologie der Schön Klinik in Schönau am Königssee und Lehrstuhlinhaber der einzigen pneumologischen Rehabilitationstselle in Deutschland an der Philipps Universität Marburg. “Aus dieser Not heraus haben wir selbst Konzepte erstellt.”
Die Schön Klinik ist eine der ersten, die mit der Reha-Behandlung von Covid-19-Patienten begonnen hat. Koczulla greift dafür auf seine Erfahrungen mit Patienten mit anderen schweren Lungenerkrankungen zurück - und auf die Erkenntnisse, die man während der Sars-Epidemie 2002/03 gewonnen hat. Jetzt müssen er und seine Kollegen prüfen, welche Teile davon auf die Covid-19-Reha-Patienten übertragbar sind und die Konzepte in Studien erproben. Von den Ergebnissen, so hoffen die Ärzte, können auch Reha-Patienten anderswo profitieren.
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Rembert Koczulla ist Chefarzt des Fachzentrums für Pneumologie an der Schön Klinik Berchtesgadener Land.
© Quelle: Schön Klinik
Drei Wochen Reha reichen wohl nicht
Schon jetzt aber zeichnet sich ab: Die üblichen drei Wochen Reha reichen im Fall der schwer betroffenen Covid-19-Patienten möglicherweise nicht. “Wir sehen, dass die Patienten viele verschiedene Einschränkungen haben”, sagt Koczulla. Man weiß inzwischen, dass das Coronavirus nicht nur ein einziges Organ befällt, sondern im ganzen Körper Schaden anrichtet.
Allen voran ist natürlich die Lunge stark betroffen: In einigen Fällen - wenn Patienten zum Beispiel nicht mehr selbst atmen konnten - bleibt die Lunge auch hinterher durch die Entzündungen schwer geschädigt. “Um es ganz einfach zu sagen: Die Lunge ist vernarbt und dieses Gewebe erfüllt nicht mehr die gleiche Funktion", sagt Koczulla.
Covid-19-Patienten, die lange auf der Intensivstation lagen, leiden auch unter einem massiven Muskelverlust, weil sie sich nicht bewegen konnten. “Bis zu einem Kilo Muskelmasse am Tag kann dabei wegschmelzen”, sagt Koczulla. Zudem scheint das Virus stark in das Gefäßsystem einzugreifen und die Gefäßwände zu verändern.
Die Folge sind Herzprobleme, Schlaganfälle oder auch neurologische Schäden wie etwa Kopfschmerzen. All diese Folgeerkrankungen treffen nach derzeitigen Erkenntnissen schwer erkrankte Patienten häufiger und schlimmer - aber auch bei leichten Verläufen könne man teilweise ähnliche Beobachtungen machen, sagt Koczulla.
Gibt es genügend Reha-Plätze?
Tatsächlich, so berichten es Rainer Glöckl und Stefan Dewey, Sprecher der Sektion „Rehabilitation, Prävention und Tabakkontrolle“ der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), nehmen die Anfragen nach einer Rehabilitation von Patienten mit milderen Krankheitsverläufen zu. Ob die Plätze reichen werden, dass lasse sich derzeit nur abschätzen. Je nachdem wie häufig Covid-19-Patienten künftig eine Reha verordnet würde, seien aber in naher Zukunft Engpässe bei den Kapazitäten denkbar. “Zumal zu berücksichtigen ist, dass der Rehabilitationsbetrieb aufgrund der gegebenen Hygienemaßnahmen nur eingeschränkt stattfinden kann.”
Aktuell besteht jedoch eher das Problem, das zu selten eine Reha verordnet wird. Eine Verordnung einer Anschlussbehandlung nach einem überstanden Covid-19-Krankenhausaufenthalt habe sich leider noch nicht etabliert. “So dass viele Betroffene ohne abschließende Beurteilung der bestehenden Einschränkungen nach Hause entlassen werden”.
Keine Garantie auf Wiederherstellung
Marlene Maier ist eine der Patienten, die gerade in Schönau am Königssee zur Reha-Behandlung ist. Nach ihrer Erkrankung musste sie vieles wieder lernen: gehen, sitzen, stehen. “Inzwischen kann ich wieder mit dem Rollator gehen – kurze Strecken, mit festhalten. Wenn ich weiter gehen muss und es anstrengend ist, dann brauche ich Sauerstoff”, erzählt sie. Ob sie wieder zurück in ihren Beruf kann, ist derzeit noch unklar.
Solche Unsicherheiten, Fragen wie: “Kann ich meinen ursprünglichen Zustand wieder erreichen?", können für manche Patienten auch zur psychischen Belastung werden. Generell haben Koczulla und seine Kollegen festgestellt, dass einige der Covid-19-Patienten an Angststörungen leiden. “Luftnot geht häufig mit Angst einher”, sagt der Mediziner. Allerdings gebe es auch Hinweise darauf, dass die Schäden, die Sars-CoV-2 an den Gefäßen anrichtet, auch das Gehirn - und somit die Angstverarbeitung - betreffen könnten.
Die Schön Klinik hat darauf reagiert: Neben den körperlichen Untersuchungen, bei denen etwa die Funktionsfähigkeit der Lunge und des Herzens getestet werden, haben die Ärzte auch die Psyche ihrer Patienten im Blick: “Dabei wird ermittelt, ob die Patienten auch psychologische Bedürfnisse haben und einen Platz in einer Angst-Gruppe oder Einzeltherapie brauchen”, sagt Koczulla.
Darüber hinaus machen die Patienten als Teil ihrer Reha zum Beispiel Ergotherapie, Kraft- und Ausdauertraining und Atemphysiotherapie, bei der das Atmen trainiert wird. “Das ist wie ein Bauchladen, aus dem man versucht, einzelne Teile herauszunehmen und individuell an den Patienten anzupassen.” Eine Garantie, dass die Patienten wieder voll hergestellt werden, kann und will Koczulla aber nicht geben. “Aber wir geben die Garantie, dass wir unser Maximalstes tun werden, um mit den Patienten daran zu arbeiten.”