Lichtforscher zum Corona-Advent: „Kerzen streicheln unsere Seele”

Schutz, Sicherheit, Vertrautheit – für Lichtforscher Oliver Stefani sind Kerzen sehr viel mehr als brennende Dochte.

Schutz, Sicherheit, Vertrautheit – für Lichtforscher Oliver Stefani sind Kerzen sehr viel mehr als brennende Dochte.

Hannover. Eine angezündete Kerze sorgt sofort für Gemütlichkeit. In ein loderndes Lagerfeuer könnte man mehrere Stunden am Stück schauen. Kerzen und Feuer haben etwas Magisches an sich, aber wieso ist das so? Lichtforscher und Leuchtmittelexperten versuchen diese Magie seit Jahrzehnten zu ergründen. Einer von ihnen ist Oliver Stefani (50). Er forscht am Zentrum für Chronobiologie an der Universität Basel und ist Geschäftsführer der Firma Chronolight, die Unternehmen beim gezielten Einsatz von Licht berät. Sein Schwerpunkt ist die Grundlagenforschung zur Lichtwirkung auf den Menschen und zur wahrgenommenen Lichtqualität.

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Romantische Dinner, Geburtstagstorten, Adventskränze – wenn wir Kerzen anzünden, ist das etwas Besonderes. Warum eigentlich?

Kerzen sind eine außergewöhnliche Beleuchtung. Man könnte sagen: Wir haben sie nicht mehr nötig und gerade deshalb brauchen wir sie. Das ist eigentlich schon der Fall seit der Erfindung der Glühbirne Ende des 19. Jahrhunderts. Kerzen sind heute keine Erhellungsinstrumente mehr, sondern vielmehr Bedeutungsträger, Symbole. Und es gibt nichts, was sie vollständig ersetzen kann.

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Als Lichtforscher beschäftigen Sie sich wissenschaftlich mit Kerzenlicht. Was ist daran anders als an anderen Lichtquellen?

Kerzen sind eigentlich Wärmestrahler, die als Abfallprodukt ein bisschen Licht abgeben. Die meiste Energie, die beim Brennen entsteht, ist Wärmeenergie. Das Licht, das Kerzen erzeugen, hat ein sehr charakteristisches Farbspektrum: sehr wenige Blauanteile, sehr hohe Rotanteile. Simpel gesagt heißt das: je höher der Blaulichtanteil, desto heller, tageslichtähnlicher, das Licht. Aktivierende Beleuchtung, wie wir sie am Morgen brauchen, hat kurzwellige Anteile kühlweißen Lichtes mit einer Farbtemperatur über 6000 Kelvin. Dagegen liegt eine Kerze bei etwa 1700 Kelvin, das ist also eine wärmere Lichtfarbe. Wir nehmen das als sanfteres Licht wahr. Dies gewährleistet die bessere Produktion des Hormons Melatonin, das uns beim Einschlafen hilft.

Kerzenlicht wirkt wie Beruhigungstee

Was macht das Kerzenlicht mit dem Betrachter?

Von der Wirkung her könnte man das so sagen: Licht mit hohen Blauanteilen, wie zum Beispiel eine LED-Leuchte, entspricht einem Espresso, es macht uns wach. Licht mit sehr geringem Blauanteil, wie zum Beispiel Kerzenlicht, wirkt da eher wie ein Beruhigungstee. Es signalisiert uns: Zeit zum Ausruhen, Entspannen. Letztlich sind es die geringen Blauanteile, die das Kerzenlicht so anziehend für uns Menschen machen. Perfekt für den Abend, wenn die innere Uhr für den Menschen Ruhe vorsieht. Aber die Lichtfarbe allein ist es nicht, die Kerzen für uns so attraktiv machen.

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Das Licht einer Flamme symbolisiert schon immer Schutz und Sicherheit.

Was ist es dann?

Da kommt noch einiges hinzu: das leichte Flackern der Flamme, der Geruch des verbrannten Wachses, und vor allem auch die Infrarotstrahlung, also die Wärme, die die Kerze erzeugt. All das schafft Gefühle von Geborgenheit und Ruhe. Anders als bei LEDs können wir in die Flamme blicken, ohne geblendet zu werden.

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Die Magie wurde noch nicht vollständig erforscht

Kann man eine Kerze imitieren?

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Nur bedingt. Es ist schon möglich, mit LEDs das Licht von Kerzen weitgehend nachzuempfinden. Manchmal ist das schon täuschend echt, wenn die Lichtfarbe, die Lichtmenge und die Dynamik, also das Flackern der Kerze in einem imaginären Luftzug, stimmen. Aber dennoch nehmen Menschen das immer noch als Imitation wahr.

Die psychologische Wirkung ist bisher nicht replizierbar. Schließlich versuchen Lichtforscher und Leuchtmittelexperten diese Magie seit Jahrzehnten zu ergründen – aber es ist noch nicht zu 100 Prozent gelungen.

Kaum eine Religion verzichtet auf Kerzen

Was sind denn die psychologischen Wirkungen?

Da bin ich als Lichtforscher nicht vom Fach, aber es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Licht wie das von Kerzen zur Kreativität anregt und auch zum Austausch mit anderen Menschen. Je wärmer und gedimmter das Licht, desto wahrscheinlicher, dass es Gespräche sind, die gegenseitiges Vertrauen und Zutrauen ermöglichen. Letztlich sind Kerzen wie winzige Lagerfeuer, um die wir uns gerne versammeln und Geselligkeit in einem überschaubaren Raum pflegen oder Geschichten lauschen.

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Das Licht einer Flamme symbolisiert schon immer Schutz und Sicherheit. Es reduziert die Angst vor der umgebenden Dunkelheit. Fast keine Religion verzichtet auf Kerzen, als Mittel zur Fokussierung und zur Selbstversenkung, als Symbol für die Hoffnung. Kerzen bilden kleine Lichtinseln im Raum, die uns magisch anziehen.

Brauchen wir jetzt, im ersten Corona-Advent, Kerzen mehr als sonst?

Ich denke, dass in einer Zeit der Unsicherheit all das, was Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, von Vorteil ist. Vor allem um Weihnachten herum, in der dunkelsten Zeit des Jahres. Deshalb haben Kerzen ja auch im Winter diese besondere Bedeutung. Das milde Licht der Kerze streichelt unsere Seelen.

Das, und der Geruch, die Wärme, wecken Erinnerungen und alte Gefühle in uns. Im Kerzenlicht fällt es sicher vielen Menschen leichter, die Mischung hinzubekommen, die jetzt so viele brauchen: die Erinnerung an schönere Zeiten und die Hoffnung auf bessere Zeiten.


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