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Kann ich auch mein gesundes Kind impfen lassen? Antworten zur Impfempfehlung der Stiko

Eine Ärztin impft in einer Kinderarztpraxis ein Mädchen.

Eine Ärztin impft in einer Kinderarztpraxis ein Mädchen.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat den Weg für die Impfung der Fünf- bis Elfjährigen freigemacht und eine Empfehlung für den Impfstoff von Biontech/Pfizer ausgesprochen. Bislang konnten Kinder in der Regel nicht durch die Impfung vor dem Coronavirus geschützt werden. Wem wird die Impfung nun explizit empfohlen und wann ist mit ersten Dosen zu rechnen? Das Wichtigste im Überblick – für Eltern, die am Ende entscheiden, ob das eigene Kind geimpft wird.

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1. Wem empfiehlt die Stiko die Impfung?

Die Stiko empfiehlt die Impfung für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren mit verschiedenen Vorerkrankungen. Auch wenn viel Kontakt zu Hochbetagten und Menschen mit Immunschwäche besteht, die sich nicht ausreichend über eine Impfung schützen können, ist eine Impfung laut dem Gremium ratsam. Bei individuellem Wunsch können auch Kinder ohne Vorerkrankung geimpft werden – nach ärztlicher Aufklärung über Risiken und Nutzen.

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Das Robert Koch-Institut listet in einem epidemiologischen Bulletin folgende Grunderkrankungen auf, die mit einem erhöhten Risiko für schweres Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen einhergehen:

  • Adipositas (Body Mass Index oberhalb der 97. Perzentile)
  • Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Immunsuppression
  • Angeborene zyanotische Herzfehler und Einkammerherzen nach Fontan-Operation
  • Chronische Lungenerkrankungen mit einer stark anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion – ein gut eingestelltes Asthma bronchiale ist damit nicht gemeint
  • Chronische Niereninsuffizienz
  • Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen
  • Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt
  • Schwere Herzinsuffizienz
  • Schwere pulmonale Hypertonie
  • Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung
  • Trisomie 21
  • Tumorerkrankungen

2. Wieso spricht die Stiko keine generelle Empfehlung aus?

Es gibt zwar keinen direkten Hinweis auf ein Risiko der Impfung in dieser Altersgruppe, aber es gibt eben auch keine ausreichend sichere Datenbasis, um die Sicherheit abschließend zu bewerten.

Thomas Mertens,

Stiko-Vorsitzender

Vordergründiges Ziel ist es laut Stiko, schwere Covid-Verläufe und Todesfälle in dieser Altersgruppe zu verhindern. Zwar sei die Inzidenz sehr hoch, „sodass man davon ausgehen kann, dass ohne Impfung ein Großteil der Fünf- bis Elfjährigen mittelfristig infiziert werden wird, allerdings verlaufen die meisten Infektionen asymptomatisch“, schreibt das Gremium in seiner Empfehlung. Derzeit bestehe für Kinder ohne Vorerkrankungen in dieser Altersgruppe aber nur ein geringes Risiko für eine schwere Erkrankung, Hospitalisierung und Intensivbehandlung.

Hinzu komme, dass das Risiko seltener Nebenwirkungen wegen eingeschränkter Datenlage derzeit nicht eingeschätzt werden kann. „Die Datengrundlage für eine generelle Empfehlung ist im Augenblick aus Sicht der Stiko nicht gegeben“, sagte der Vorsitzende und Virologe Thomas Mertens. „Es gibt zwar keinen direkten Hinweis auf ein Risiko der Impfung in dieser Altersgruppe, aber es gibt eben auch keine ausreichend sichere Datenbasis, um die Sicherheit abschließend zu bewerten.“ Sobald weitere Daten zur Sicherheit des Impfstoffs in dieser Altersgruppe oder andere relevante Erkenntnisse vorliegen, würden diese umgehend geprüft und die Empfehlung gegebenenfalls angepasst, kündigte die Stiko an.

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Dass der Impfstoff aber auf Datengrundlage der Zulassungsstudie von Biontech auch bei den Fünf- bis Elfjährigen wirksam, sicher und verträglich ist, hält die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) fest, die das Mittel EU-weit zugelassen hat. Kinder erkrankten zwar nur höchst selten an Covid-19. Doch, so sagen die EMA-Experten, auch sie könnten im Einzelfall schwer krank werden. Die Vorzüge der Impfung seien daher höher zu bewerten als mögliche Risiken.

3. Wie wird der Impfstoff verabreicht – und welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?

Der von Biontech/Pfizer entwickelte Impfstoff für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren soll als Grundimmunisierung mit zwei Dosen im Abstand von drei bis sechs Wochen in den Oberarmmuskel verabreicht werden. Die Dosierung ist niedriger als bei den über Zwölfjährigen: statt 30 Mikrogramm enthält eine Dosis zehn Mikrogramm.

Die häufigsten Nebenwirkungen bei Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren ähneln laut Europäischer Arzneimittelbehörde denen bei den über Zwölfjährigen. Dazu gehören Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Schüttelfrost. „Diese Wirkungen sind in der Regel leicht bis mittelschwer und bessern sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung“, heißt es in einer Mitteilung zur EU-weiten Zulassung. Grundlage für diese Aussage sind Daten aus der Zulassungsstudie von Biontech.

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4. Wann kommt der Impfstoff – und wie viel gibt es?

Die Auslieferung erster Impfstoffdosen für Kinder findet voraussichtlich ab dem 13. Dezember statt. Der Bund rechnet damit, dass Deutschland in der Erstlieferung rund zwei Millionen Dosen erhalten wird, sagte Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn vor wenigen Wochen. Damit werde man bei rund 4,5 Millionen Kindern in dieser Altersklasse die Erstnachfrage gut beantworten können. Weitere Lieferungen seien in den ersten Monaten des neuen Jahres zu erwarten. Zudem könnte bald auch die EMA-Zulassung eines zweiten Impfstoffs für Kinder folgen – vom Hersteller Moderna.

Eltern können sich für Termine und Rückfragen an Kinderarzt oder Kinderärztin wenden. Wer dort nicht weiterkommt, kann auch bei der kostenlosen Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anrufen und nach Terminen fragen. Eine weitere Anlaufstelle ist das vom Bundesgesundheitsministerium betriebene Portal „zusammengegencorona.de“. Dort gibt es zum Beispiel eine interaktive Deutschlandkarte, in der man Links, Telefonnummern sowie konkrete Impfangebote findet.

5. Kann auch mit dem Impfstoff für über Zwölfjährige geimpft werden?

Diese Konzentration kann nicht in der Durchstechflasche des Impfstoffs für Erwachsene zubereitet werden, weil nicht genug Volumen für die entsprechende Verdünnung vorhanden ist.

Biontech-Mitteilung

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Der Kinderimpfstoff von Biontech basiert auf einer neuer Formulierung, die durch entsprechende Verdünnung so angepasst wird, dass eine Dosis von zehn Mikrogramm verabreicht werden kann. Sie ermöglicht zudem eine längere Lagerung des Impfstoffs von bis zu zehn Wochen im Kühlschrank. Die EMA-Zulassung für Kinder gilt für diese Version. „Diese Konzentration kann nicht in der Durchstechflasche des Impfstoffs für Erwachsene zubereitet werden, weil nicht genug Volumen für die entsprechende Verdünnung vorhanden ist“, teilte das Unternehmen Biontech auf Anfrage mit.

Würden Ärzte und Ärztinnen Fünf- bis Elfjährige mit den Ampullen ab zwölf Jahren impfen und die Dosierung entsprechend anpassen, wäre das nach Angaben von Biontech eine sogenannte „Off-Label“-Anwendung – also eine Nutzung außerhalb der behördlichen Zulassung. Grundsätzlich ist Ärztinnen und Ärzten in Deutschland eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln erlaubt. Das bedingt aber besondere Dokumentations- und Aufklärungspflichten des impfenden Arztes beziehungsweise der Ärztin. Oft haften dann die Eltern für das Risiko.

Das Unternehmen verweist zudem auf potenzielle Risiken. Eine Injektion einer Impfdosis von mehr als 0,2 Milliliter könne unter Umständen zu größeren Abweichungen in der Konzentration des Impfstoffes in der Spritze und damit den Geimpften führen. Die Folge könnte eine Über- oder Unterdosierung sein, so das Unternehmen. Eine separate Bereitstellung der Kinderimpfstoffe unterstütze hingegen die größtmögliche Prozesssicherheit bei der Impfung von Kindern. „Daher sind separate Durchstechflaschen notwendig“, sagt Biontech.

6. Was ist der Unterschied zwischen EMA-Zulassung und Stiko-Empfehlung?

Das System der Zulassung durch die EMA und der Empfehlung durch die Stiko ist Standard bei allen Impfungen. Die EMA ist zunächst dafür zuständig, die Daten aus der Studie des Herstellers zu prüfen – und den Impfstoff für die EU grundsätzlich zuzulassen. Das Gremium wägt ab, ob die Impfung für die einzelne Person wirksam, sicher und verträglich ist und ob es eine ausreichende pharmazeutische Qualität gibt.

Die Stiko hingegen ent­wickelt Impf­em­pfehl­ungen speziell für Deutsch­land und be­rück­sichtigt dabei nicht nur den Nutzen für das ge­impfte Indivi­duum, sondern für die ge­samte Be­völke­rung. Das Gremium orientiert sich dabei an den Kriterien der evi­denz­basierten Me­dizin und analysiert neben den Daten aus der Zulassungsstudie alle zur Verfügung stehende Fachliteratur. Dazu zählen auch Beobachtungsdaten zu potenziellen Nebenwirkungen aus anderen Ländern, wo bereits geimpft wird.

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Die Stiko versteht sich dabei als unabhängiges Expertengremium und wird vom Robert Koch-Institut koordiniert. Die Fachleute analysieren neben dem individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnis auch die Effekte auf das Infektionsgeschehen und für die Impfstrategie in Deutschland. Außer­dem ent­wickelt die Stiko Kriterien zur Ab­grenzung einer üblichen Impf­reaktion von einer über das übliche Aus­maß einer Impf­reaktion hin­aus­gehenden ge­sund­heitlichen Schädigung – also Nebenwirkungen. Die Empfehlung kann sich deshalb auch mit der Zeit verändern, wenn sich die Datenlage verändert.

7. Impfen auch andere Länder Kinder gegen Covid-19?

Neben dem Start in den EU-Mitgliedsstaaten wurden in den USA bereits seit Ende Oktober rund drei Millionen Fünf- bis Elfjährige mit dem Impfstoff von Biontech geimpft. Auch in Israel und Kanada sind die Impfungen angelaufen. Österreich hat ebenfalls nachgezogen. Alle Arzneimittelbehörden kamen zu dem Schluss, dass der individuelle Nutzen der Impfung die möglichen Risiken überwiege, auch wenn Covid-19 bei jüngeren Kindern in der überwiegenden Zahl der Infektionen milde verläuft.

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