„Interessiert nicht wirklich jemanden mehr“: Virologin Ciesek warnt vor steigenden Corona-Zahlen

Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Frankfurt am Main, ist besorgt über die steigenden Corona-Zahlen.

Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Frankfurt am Main, ist besorgt über die steigenden Corona-Zahlen.

Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek warnt davor, die aktuelle Corona-Lage in Deutschland zu unterschätzen. Dabei hebt sie vor allem drei Faktoren hervor: „Mir macht im Moment Sorge, dass der Anstieg der Neuinfektionen mit einer schon sehr hohen Belegung auf Intensivstationen von derzeit ungefähr 1600 Patienten zusammenfällt, die dort zum großen Teil schon länger liegen“, sagte sie am Dienstag im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. Und drittens: Auch die zunehmenden Ausbrüche in medizinischen Einrichtungen sowie Alten- und Pflegeheimen seien besorgniserregend. Im Vergleich zum Herbst 2020 stehe man aktuell sogar schlechter da.

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Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patientinnen und -Pa­tien­ten je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen am Dienstag mit 2,95 an. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg erneut und lag laut RKI am Mittwochmorgen bei 118,0. Die Zahl der Neuinfektionen ist den Meldungen der Gesundheitsämter zufolge auf 23.212 angestiegen.

„Gewohnheitseffekt“ bei den Zahlen

Obwohl diese Entwicklungen alarmierend sind, beobachtet Ciesek eine gewisse Gleichgültigkeit in der Bevölkerung gegenüber den Zahlen. „Ich habe das Gefühl, dass es im Moment nicht wirklich jemanden mehr interessiert, weil ein ‚Gewohnheitseffekt‘ eingetreten ist – man gewöhnt sich an diese Zahlen“, sagte sie.

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Im Kampf gegen die Pandemie rät Ciesek dazu, weiterhin auf die Impfungen zu setzen. In Israel sehe man: Die vierte Corona-Welle sei dort durch eine „Boosterimpfung für alle“ gebrochen worden. Die Corona-Vakzine reduzierten für alle das individuelle Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Dennoch komme es aktuell auch vermehrt zu Impfdurchbrüchen – vor allem bei Menschen über 60 Jahren, bei denen die Impfung schon länger her ist. Nach etwa drei Monaten könnten sich laut Ciesek auch Geimpfte infizieren, vor allem mit der besonders ansteckenden Delta-Variante.

Doch dies sei kein Grund, sich nicht impfen zu lassen. „Das Argument, nur weil ich nicht hundert Prozent Sicherheit oder Schutz bekomme, mache ich es gar nicht, finde ich ein ziemlich schlechtes Argument, weil man in der Medizin fast nie hundert Prozent erreicht“, sagte Ciesek. Geimpfte könnten zwar das Virus weiterverbreiten, hätten aber immer noch einen hohen Schutz vor einen schweren Krankheitsverlauf.

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Negativbeispiel Rumänien

Der Impfeffekt habe sich vor allem hinsichtlich der Zahl der tödlichen Krankheitsverläufe bemerkbar gemacht: „Im Vergleich zum Vorjahr sterben deutlich weniger Menschen an einer Infektion, wenn sie geimpft sind“, sagte Ciesek.

Im Podcast erläuterte sie den Nutzen der Impfung am Negativbeispiel Rumänien: Das osteuropäische Land hat eine Impfquote von 35 Prozent und verzeichnet Inzidenzen von teils über 1000, beispielsweise in der Hauptstadt Bukarest. Teils würden in Rumänien 450 bis 500 Menschen täglich an oder mit Covid-19 sterben. Das entspräche in Deutschland gut 2000 Tote pro Tag, sagt Ciesek.

Ciesek: Wieder lokale Engpässe in Krankenhäusern

Das aktuelle Infektionsgeschehen könne nicht in allen Aspekten mit der Lage im Vorjahr verglichen werden. Jedoch sehe man „jetzt einen deutlichen Anstieg aller Parameter“, betont Ciesek. Die Zahl der mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegten Betten auf den Intensivstationen wächst aktuell um etwa 15 Prozent pro Woche – Tendenz steigend.

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Ciesek rechnet damit, dass es in den kommenden Wochen und Monaten erneut zu lokalen Engpässen in Krankenhäusern kommen wird, besonders bei „Maximalversorgern“ wie Unikliniken. Es könne sein, dass andere nötige Operationen verschoben werden müssen.

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