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Impffrust? Sieben Gründe, wieso Vordrängeln nicht hilft

Es geht bei der Impfung nicht nur um den eigenen Vorteil.

Es geht bei der Impfung nicht nur um den eigenen Vorteil.

Die Hoffnung auf ein normales Leben wächst, die Impfbereitschaft ist Umfragen zufolge hoch. Und damit werden auch Impfdrängler zunehmend zum Problem. Bundesweit berichten Impfzentren und Hausärzte davon, dass Menschen auf teils aggressive Art und Weise versuchen, schnellstmöglich eine Impfung gegen Covid-19 zu ergattern.

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Immerhin jeder Dritte in Deutschland hat inzwischen eine erste Impfdosis gegen Covid-19 erhalten. Heißt aber auch: Die nicht Geimpften spüren im Alltag immer deutlicher, dass sie eben noch nicht dran sind, entweder mit der Warteliste vorlieb nehmen oder sich grundsätzlich gedulden müssen. Manche auch auf unbestimmte Zeit: Kinder zum Beispiel.

Da steht nun die große Hoffnung, dass mit der steigenden Impfquote alles besser wird, sich das Virus langsam aus dem pandemiegebeutelten Alltag zurückzieht. Aber da meldet sich auch der Frust, bei denen, die noch nicht zum Club der „vollständig Geimpften“ dazugehören und das nun auch unbedingt wollen.

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Inzwischen geht es nicht mehr nur um den persönlichen Schutz, sondern auch um Freiheiten. Bei den Kontaktregeln zählt man als Geimpfter nicht mehr. Und bei einer Reise in die Nachbarländer braucht es keine Quarantäne mehr, kein Testen. Verständlich also, dass beim Vergleichen Gefühle von Neid aufkommen. Eine Mischung aus Wut, Angst und sicherlich oft auch Scham.

Plötzlich sind in der Pandemie nicht mehr alle gleichermaßen und doch auf unterschiedliche Art und Weise betroffen, geängstigt, genervt. Trotzdem gibt es aber rational betrachtet wirklich gute Gründe, die bei noch knappem Impfstoff für die Kriterien der Verteilung sprechen. Die darlegen, wieso geduldiges Warten sich am Ende für alle auszahlt. Und auch dafür, sich für jeden zu freuen, der dran ist.

1. Impfen ist ein solidarischer Akt: Jeder Geimpfte hilft allen

Es geht bei der Impfung nicht nur um den eigenen Vorteil. Es kann auch beruhigend sein zu wissen, dass vom Gegenüber kaum noch eine Gefahr ausgeht – und beide profitieren davon. Inzwischen zeigen diverse Beobachtungsstudien aus Ländern mit hoher Impfquote, also etwa Großbritannien, den USA, Israel: Geimpfte stecken nicht Geimpfte in der Regel nicht mehr an. Sie stellen in den allermeisten Fällen keine Gesundheitsgefahr mehr dar und tragen auch nicht mehr zur Verschlechterung der Infektionslage bei.

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Das ist gut für alle – denn dadurch werden auch die Infektionszahlen immer weiter sinken, was auch weitere Lockerungen und Freiheiten für alle möglich macht. Menschen, die noch nicht prioritär geimpft sind, profitieren also auch, sind bei steigender Impfquote bei Alltagsbegegnungen immer häufiger geschützt – und können sich darüber freuen.

Jeder Geimpfte ist auch ein Schritt hin zur sogenannten Herdenimmunität, also dass die unkontrollierte Verbreitung und das exponentielle Wachstum der Infektionen auch ohne Einschränkungen gestoppt ist. Modellierer, Epidemiologen und Virologen schätzen bislang, dass die pandemische Phase bei einer Immunität ab 70 Prozent Impfquote in der Bevölkerung einsetzt.

2. Ärzte, Lehrer, Supermärkte: Alle profitieren von den Prio-Gruppen

Prioritär geimpft werden nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) vor allem Menschen mit den größten Risiken für einen schweren Covid-19-Verlauf. Neben Älteren ab dem 60. Lebensjahr sind das beispielsweise auch Menschen mit Diabetes, Adipositas, Demenz. Auch soziale Faktoren und der Beruf spielen eine Rolle. All solche zuerst zu impfen macht zum einen für den persönlichen Gesundheitsschutz Sinn. Das löst aber auch Ängste bei nicht Geimpften, die nun endlich wieder unbesorgter Menschen mit Risikofaktoren begegnen können.

Und das hilft auch allen anderen: Denn weniger Schwerkranke bedeuten weniger Druck in den Krankenhäusern und dann auch weniger notwendig werdende Einschränkungen im Alltag. Es hilft auch allen, wenn nun zuerst Mitarbeiter im Lebensmitteleinzelhandel, in Schulen, ärztliches und pflegerisches Personal dran sind. Denn sie alle halten die „systemrelevanten“ Versorgungsstrukturen aufrecht. Wenn sie wegen Krankheit ausfallen, bekommt das auch die gesamte Bevölkerung zu spüren.

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3. Wer sich auf viele Wartelisten setzen lässt, blockiert die Hausärzte

Es braucht die Priorisierung, aber auch Pragmatismus und Strukturen gegen Impffrust. Natürlich kann man dem eigenen Hausarzt signalisieren, dass man Interesse hat und sich auf der Warteliste einreihen. Es wird immer wieder Fälle geben, wo am Ende des Tages Impfdosen übrig bleiben, die schnellstmöglich verbraucht werden müssen. Insbesondere dann, wenn man nach persönlicher Risiko-Nutzen-Abwägung und ärztlicher Aufklärung bereit ist, sich mit den Vakzinen von Astrazeneca und Johnson & Johnson impfen zu lassen. Die Ständige Impfkomission rät wegen seltener Nebenwirkungen bei diesen Mitteln zu einem Einsatz ab dem 60. Lebensjahr, Bund und Länder haben nun aber für mehr Flexibilität die Priorisierung für diese Impfstoffe fallen lassen. Am Ende entscheidet der Hausarzt.

Ein regelrechter Run auf gleich mehrere Arztpraxen kann aber dazu führen, dass das vereinbarte System der Impfreihenfolge überhaupt nicht mehr eingehalten wird. Wer also aktuell weiß, dass nur die noch knapp verfügbaren mRNA-Impfstoffe für ihn oder sie infrage kommen, braucht noch etwas Geduld und Verständnis. Eine Lösung bietet inzwischen etwa ein neues Onlineportal, das sich insbesondere an junge Leute richtet, die keinen festen Hausarzt haben und keiner Priorisierungsgruppe angehören. Ein Berliner Start-up hat die Internetseite „sofort-impfen.de“ eingerichtet. Wenn in der Nähe des Wohnortes ein Impftermin frei wird, werden die Nutzer informiert und können dann die Arztpraxen direkt kontaktieren.

4. Im Sommer wird der Lockdown für alle weiter aufgeweicht

Auch für bislang noch auf eine Impfung Wartende bieten sich bessere Perspektiven für den Sommer, etwa mit mehr Kontakten, keiner Ausgangsbeschränkung, geöffneter Außengastronomie, Urlaub durch Testung und die üblichen Hygieneregeln. Schon jetzt haben mehrere Bundesländer einen Lockerungskurs ab Mai, spätestens Juni angekündigt. Virologen und Modellierer rechnen für den Sommer mit einer stabileren Phase und weniger Ansteckungen als im Winter und Frühjahr.

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Auch wenn sich das Virus weiter verbreitet, scheint zumindest die „dritte Welle“ mit exponentiellem Wachstum vorerst gebrochen, wie auch RKI-Präsident Lothar Wieler und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vergangene Woche bemerkten. Dabei helfen die Impfungen, die bisherigen Beschränkungen, aber auch die steigenden Temperaturen: Sars-CoV-2 an sich wird durch den saisonalen Effekt etwas zurückgedrängt. Und Treffen können, wie auch 2020, wieder nach draußen verlagert werden.

5. Das Impfangebot kommt auf jeden Fall

Aktuell nicht dran zu sein, bedeutet nicht, noch jahrelang ausharren zu müssen. Bund und Länder haben angekündigt, dass sich ab Juni jeder für jeden Impfstoff auf die Warteliste setzen lassen kann – vorausgesetzt, die Lieferungen laufen wie geplant. Die Priorisierungsregeln sollen dann fallen.

Das ist also in wenigen Wochen der Fall, dann kann sich jeder um einen Impftermin bemühen – weitaus früher, als bisher angenommen. Noch im März gingen Bund und Länder davon aus, dass erst im September die Priorisierung fallen könnte.

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Das heißt zwar nicht, dass mit einem Schlag alle Menschen hierzulande geimpft sind. Aber die Aussicht ist realistisch. Und es kommt mehr Impfstoff: Die Bundesregierung rechnet für die kommenden Wochen mit weitaus mehr Impfstofflieferungen als im ersten Jahresviertel. Auch die Betriebsärzte sollen ab Anfang Juni ins Boot geholt werden.

6. Die Corona-Impfung ist keine Selbstverständlichkeit

Wer in Deutschland lebt, kann sich glücklich schätzen. Relativ betrachtet geht es mit den Impfungen nicht unfassbar langsam, sondern unfassbar schnell. Das gibt eine gute Sicht auf die Dinge: Wir haben dieses mächtige Werkzeug der Impfungen. Sogar gleich mehrere Vakzine sind zugelassen und bestellt, gut verträglich, sicher und wirksam.

Jeder Dritte hier im Land ist dank unserer Infrastruktur bereits einmal geimpft – rund anderthalb Jahre, nachdem Sars-CoV-2 sich in Wuhan zum ersten Mal bemerkbar gemacht hat. Es hilft, sich diese enorme Entwicklung vor Augen zu führen und Verständnis dafür zu haben, dass gerade weltweit zum ersten Mal mitten in einer Pandemie eine gigantische Impfkampagne läuft.

Klar, es gibt Länder, die höhere Impfquoten haben – Israel, die USA, Großbritannien zum Beispiel. Fast ein Dutzend Länder warten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aber noch immer auf die erste Lieferung.

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Mangel an Impfstoff und Verzögerungen bei Produktion und Lieferung lassen vor allem afrikanische Länder noch weiter zurückfallen, warnte zuletzt die WHO. Von den bisher verabreichten Impfungen entfalle nach Stand Ende vergangener Woche nur ein Prozent auf Afrika. Und Gesundheitsexperten weisen zurecht darauf hin, dass diese Pandemie die ganze Welt betrifft.

7. Impfneidgefühle sind nachvollziehbar – und können Positives bewirken

Es gibt den destruktiven Neid: Man versucht zum Beispiel zu verhindern, dass Geimpfte erste Freiheitsrechte wieder zugesprochen bekommen. Dahinter steht der Gedanke: Ich gönne es dem anderen nicht, weil ich es selbst noch nicht habe. Neidgefühle können aber auch in etwas Positives umgewandelt werden, sagen Psychotherapeuten.

Zum einen, um anderen erste Freiheiten zu gönnen, weil es ihre persönliche Situation auch nicht verändert, wenn kollektiv auf Grundrechte wie Mobilität verzichtet wird.

Neid und sich vergleichen kann zudem auch aktivieren: Man setzt sich automatisch mit der eigenen Bereitschaft zur Impfung auseinander und beginnt, sich zu den einzelnen Impfstoffen und dem Prozedere in der Impfbürokratie der einzelnen Bundesländer zu informieren. Auch das kann gegen den Impffrust wappnen.

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